Rohstoffe sind knapp, bei den Baumaterialien sind die Preise zum Teil stark gestiegen. Die Experten der KSV1870 Information GmbH haben unter diesen kritischen Aspekten die Lage der heimischen Bauwirtschaft untersucht.
Die Wirtschaft brummt, allerdings längst nicht so wie sie sollte oder könnte. Die Ursache dafür ist der weltweite Engpass an Rohstoffen und Halbfertigprodukten, der den Aufschwung in vielen Branchen und damit auch Wirtschaftswachstum bremst.
Von der Rohstoffknappheit betroffen ist auch die Bauwirtschaft, die deshalb ihre Funktion als Konjunkturlokomotive nicht in dem Maße erfüllen kann, wie das zu Normalzeiten der Fall wäre. Vor allem bei Dämmmaterialien, Holz und Stahl haben die Preise massiv angezogen und liegen um 20 bis 40 Prozent über dem Normalniveau, zum Teil werden Produkte sogar mit noch höheren Aufschlägen gehandelt.
Gerhard Wagner, Geschäftsführer der KSV1870 Information GmbH und Günter Fasching, Prokurist derselben, haben vor diesem Hintergrund die Lage der heimischen Bauwirtschaft untersucht und analysiert, ob es in der Branche aufgrund der aktuellen Situation zu stärkeren finanziellen Schwierigkeiten kommen könnte.
Die Großwetterlage in der Bauwirtschaft
Der Bauwirtschaft sind in Österreich rund 34.500 Firmen zuzurechnen, was in etwa 5,4 Prozent des Gesamtmarktes entspricht. Die Unternehmen können grob drei Segmenten zugeordnet werden:
Vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallation und sonstiges Ausbaugewerbe: Mit 25.561 Unternehmen - einem Anteil von 74 Prozent - ist dieses Segment das numerisch mit Abstand größte in der heimischen Baubrache. Das Durchschnittsrating liegt in diesem Segment bei 348
Hochbau: In diesem Segment sind 24 Prozent oder 8.232 Unternehmen aktiv. Das Durchschnittsrating der Firmen liegt bei 376.
Tiefbau: Das zahlenmäßig kleinste Segment. Hier sind nur 656 Unternehmen - zwei Prozent aller heimischen Bauunternehmen aktiv. Mit einem Durchschnittsrating von 331 haben diese Unternehmen allerdings das beste in der Branche.
Dem Rating-Barometer des KSV1870 zufolge liegt das Risiko der Branche damit grosso modo bei 354 und ist damit als durchschnittlich, jedenfalls in keinem Segment als erhöht einzuschätzen (siehe Grafik). Zum Vergleich: Das KSV-Rating über den österreichischen Gesamtmarkt (640.391 Unternehmen) liegt bei 351. Wobei Gerhard Wagner allerdings betont, dass Branchen nicht über einen Kamm geschoren werden können. "In der Relation lassen sich aber natürlich Trends erkennen.“
Rohstoffmangel bremst
Grundsätzlich, betonen die Experten des KSV1870, ist die Baubranche gut durch die COVID-19-Krise gekommen. Es wurden rasch unbürokratische Lösungen gefunden, sodass man rasch wieder zu arbeiten beginnen konnte. Auch Kurzarbeit gab es in der Bauwirtschaft nicht in der Form wie in anderen Branchen.
In den letzten Monaten ist allerdings wieder etwas Druck auf die Branche gekommen. Die Ursache dafür sind die gestiegenen Rohstoffpreise, besonders bei Dämmmaterialien, Holz und Stahl. "Die Frage ist nun, wie die Unternehmen die Steigerungen an die Kunden weitergeben können", sagen Wagner und Fasching. "Bei Großprojekten, die mit knapp kalkulierten Preisen angeboten wurden, können die Firmen die Steigerungen nur sehr schwer weitergeben. Teilweise gibt es Bemühungen, sich aus Verträgen wieder herauszukaufen."
Auch betonen die KSV-Experten, dass von der mangelnden Rohstoffverfügbarkeit ein gewisses Risiko ausgeht: "Das könnte die prosperierende Wirtschaft etwas bremsen, die Lage ist jedoch nicht so extrem wie etwa in der Autoindustrie."
Positive Stimmung
Grundsätzlich lässt sich die Branche allerdings von der etwas schwierigeren Lage nicht irritieren. 37 Prozent der Unternehmen beurteilen die aktuelle Geschäftslage als sehr gut, weitere 37 Prozent als gut. Auch der weitere Ausblick auf die nächsten drei Jahre wird zu 70 Prozent als eher positiv und zu 13 Prozent als sehr positiv eingeschätzt. Positiv fällt zudem auf, dass 27 Prozent der Unternehmen die Zahl der Mitarbeiter bis Jahresende 2021 aufstocken werden. Nur fünf Prozent gaben in der KSV-Erhebung an dass sie reduzieren müssen.
"Es gibt zwar immer wieder Insolvenzen, jedoch auch eine große Anzahl von Unternehmen", betonen die Experten der KSV Information GmbH. Im Normalfall geht von einer Insolvenz nur ein geringes Risiko aus, zumal die Baubranche sehr klein strukturiert ist und der überwiegende Großteil nur wenige Mitarbeiter haben. 29.379 oder 85,3 Prozent aller österreichischen Baufirmen sind den Kleinst-Unternehmen zuzuordnen. Ihnen stehen nur 138 große Unternehmen gegenüber (siehe Tabelle).
Struktur der Bauwirtschaft
Anzahl d. Firmen | Anzahl in % | |
---|---|---|
Große Unternehmen | 138 | 0,4% |
Mittlere Unternehmen | 623 | 1,8% |
Kleine Unternehmen | 3.832 | 11,1% |
Kleinst-Unternehmen | 29.279 | 85,3% |
n.v. | 477 | 1,4% |
"Pönalen wegen eines Verzugs bei der Fertigstellung treffen kleinere Unternehmen weniger, da sie meistens nur als Sub-Unternehmer auftreten", erklären die KSV-Experten. Insofern sehen sie die große Zahl der Klein- und Kleinstbetriebe auch dann nicht im Risiko, falls es aufgrund von Lieferengpässen und nicht verfügbarer Rohstoffe zu verzögerten Fertigstellungen von Bauprojekten kommt.
Abschließend resümieren Wagner und Fasching: "Der Rohstoffmangel hat die Wirtschaft am linken Fuß erwischt, aber gibt genug Geld und einen Immobilien-Boom. Etwas kritisch zu sehen ist allerdings der Büro-Immobilienmarkt. Viele Unternehmen sind nach der COVID-Krise dabei, Bürokapazitäten zu reduzieren. Auch Neumieter reduzieren Flächen." Ende 2020 hat sich daher auch das KSV-Rating beim Hochbau leicht verschlechtert. Die KSV-Experten betonen allerdings: "Das ist keineswegs besorgniserregend."