Die Zahl der Unternehmenspleiten ist im 1. Quartal um 27,3 Prozent auf 1691 Insolvenzen gestiegen. Damit wird der Höchststand aus dem Jahr 2009 übertroffen. Zu einem leichten Anstieg kam es bei den Privatkonkursen bei gleichzeitigem Sinken der Schuldenhöhe.
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Rund um die Signa-Pleite hat in Österreich das Insolvenzgeschehen kräftig an Geschwindigkeit zugelegt, berichtet der Kreditschutzverband von 1870. Und das schlägt sich auch in der Zahl und Schuldenhöhe der Unternehmensinsolvenzen nieder. Alleine bei den Großinsolvenzen ist eine kräftiger Zuwachs zu verzeichnen.
So mussten im 1. Quartal 2024 bereits 1.691 Unternehmen - das sind 19 Pleiten pro Tag - den Gang zum Insolvenzrichter antreten. Die gesamte Schuldenhöhe ist im Jahresvergleich ebenso kräftig angestiegen. Um satte 146,2 Prozent sind die Schulden auf 992 Mio. Euro gestiegen. Vor allem kam es im Auftaktquartal 2024 auch zu einem Anstieg von Insolvenzen mit einer Passiva von über zehn Millionen Euro. Die größte Pleite war Windhager Zentralheizung Technik GmbH aus Salzburg mit Verbindlichkeiten von 78,2 Mio. Euro.
Nach der ersten KSV-Quartalsschätzung [Stand 13.3.2024] sind vor allem die Branchen Bau, Handel und Beherbergung/Gastronomie von dem Pleitenanstieg betroffen. Vor allem hätten nach KSV mehrere Großinsolvenzen von jeweils über 10 Mio. Euro zu dem kräftigen Pleitenzuwachs geführt.
Im Zuge der steigenden Insolvenzzahlen sind zudem auch mehr Mitarbeiter von den Pleiten betroffen. Die Zahl der betroffenen Mitarbeiter hat sich auf 8.200 Personen verdoppelt. Auch bei den Gläubiger gab es mit einem plus von 37,6 Prozent auf 12.800 Betroffene einen kräftigen Anstieg. Für das Jahr 2024 erwartet der KSV1870 aus heutiger Sicht zumindest 6.200 Firmenpleiten.
Die Pleitewelle ist bereits im Herbst angerollt. Schon im 4. Quartal 2023 waren 1.450 Pleiten zahlungsunfähig, was rund 150 Fälle mehr waren als in jedem der drei vorangegangenen Quartale.
Pleitejahr 2024
Der KSV rechnet damit, dass heuer die Insolvenzen noch massiv zulegen werden. „Das erste Quartal 2024 ist nicht nur das insolvenzreichste Quartal seit dem Jahr 2009, sondern aus heutiger Sicht auch der Auftakt zu einem massiven Zuwachs an Insolvenzen in 2024“, sagt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. „Das Tempo hat sich deutlich erhöht. Vor allem sind immer häufiger auch etablierte, größere Betriebe betroffen.“
Allerdings sei die Entwicklung im ersten Quartal nicht unerwartet. Der aktuelle kräftige Anstieg sei "erwartbar" gewesen. "Allerdings nicht in dieser Dimension", meint Götze.
Mangels Masse kein Insolvenzverfahren
Sorgen bereitet KSV-Pleiteexperte Götze zudem die Zahl der Insolvenzen, die "mangels Masse" nicht eröffnet werden. Gegenüber dem Vorjahr sind die „Nichteröffnungen“ um 15,3 Prozent auf 597 Fälle gestiegen. Hier sei die Vermögensmasse der insolventen Unternehmen derart ausgezehrt, dass es nicht einmal dafür reicht eine Verfahrenseröffnung am Gericht zu bezahlen.
Diese Entwicklung würde laut KSV-Insolvenzexperte Götze die heimische Wirtschaft zunehmend "gefährden". Nicht ordnungsgemäß abgewickelte Unternehmen würden gleichzeitig ein höheres Geschäftsrisiko für deren Geschäftspartner bedeuten, zumal diese in solchen Fällen de facto zur Gänze auf ihren offenen Forderungen sitzen bleiben. "Für die betroffenen Geschäftspartner kann das mittel- und langfristig zum Fiasko werden und im schlimmsten Fall den Ruin bedeuten“, warnt Götze.
"Es ist mehr als bedenklich, dass in diesen Fällen nicht einmal mehr die Verfahrenseröffnung bei Gericht bezahlt werden kann. Vor allem, weil wir hier von Kosten in der Höhe von 4.000 Euro sprechen", sagt Götze.
Zudem konnte auch der gute Wille vieler Unternehmen, das Ruder doch noch selbständig herzumzureißen, die schwierige Situationen nicht ändern. Vielmehr ist das zuletzt vermehrt zum Boomerang geworden. "Durch zu langes Abwarten blieb in diesen Fällen am Ende nur noch die Option eines Konkursverfahrens übrig, was häufig in einer vollständigen Liquidierung des Betriebes endet und für viele Menschen den Verlust ihres Arbeitsplatzes bedeutet", erklärt Götze.
Das Dreigestirn der Pleiten
Die Rangliste der Pleitefirmen wird quasi unverändert von einem Dreigestirn angeführt. Auf Platz 1 kommt die Bauwirtschaft mit 312 insolventen Unternehmen [plus 17 Prozent]. Rang 2 hat einmal mehr der Handel mit 306 Insolvenzen [plus 33 Prozent] - hier sind vor allem Kfz-Handel (+58 %), der Großhandel (+34 %) und der Einzelhandel mit einem Zuwachs von 24 Prozent in führenden Positionen. Beherbergung/Gastronomie folgt auf dem 3. Platz mit 237 Fällen (plus 28 Prozent).
Dieses Ergebnis ist für den KSV wenig überraschend. Die Bauwirtschaft hatte sich bereits im Vorjahr neben dem Handel zu einem der größten Sorgenkinder der heimischen Wirtschaft entwickelt.
Für das Jahr 2024 wird sich auch aus Sicht der Wirtschaftsforscher keine nennenswerte Verbesserung der konjunkturellen Situation erwartet. Getrieben von massiven Preissteigerungen ist insbesondere der Wohnbau betroffen. Die Zahl der Baubewilligungen stabilisiere sich lediglich auf niedrigem Niveau.
Auch für die kommenden Quartale rechnet der KSV kaum mit einer Entspannung der Lage. "Die vergangenen Jahre haben nicht nur die Menschen geprägt, sondern auch die Unternehmen. Und was die finanzielle Stabilität der Betriebe betrifft, war das sehr häufig keine positive Prägung. Insofern erwarten wir keine Änderung des Insolvenzgeschehens im Jahresverlauf 2024", meint Götze.
Der KSV geht daher davon au, dass die Zahl der Unternehmenspleiten heuer auf 6.200 steigen wird, was einem Zuwachs von 800 insolventen Unternehmen und plus 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspräche. Stark getrieben würde die Entwicklung vor allem von den Kernbranchen Bauwirtschaft oder Handel, die allerdings derzeit zu den "Sorgenkindern" der heimischen Wirtschaft zählen.
Die Ruhe vor dem Sturm?
Bei den Privatkonkursen waren die Zuwächse im Vergleich zu den Unternehmenspleiten moderat. Noch zumindest. Auch hier rechnet der KSV damit, dass die Privatkonkurse im laufenden Jahr noch kräftig zulegen könnten.
Die aktuelle KSV1870 Hochrechnung zählt für das 1. Quartal 2024 in Österreich 2.265 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren (25 Fälle pro Tag). Was einem Zuwachs um 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Nur das Burgenland kann hierbei einen signifikanten Rückgang (- 43,8 %) anschreiben, alle anderen Bundesländer vermelden Zuwächse. Im Gegensatz zu den Fallzahlen sind die Schulden aller Privatkonkursschuldner um 2,7 Prozent auf 220 Mio. Euro leicht rückläufig. Das Schuldenausmaß pro Schuldner sinkt auf 97.000 Euro (- 7.000 Euro). Für das gesamte Jahr 2024 erwartet der KSV1870 rund 9.500 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren - im Vergleich zum Vorjahr um 600 Fälle mehr.