Ob ein Objekt unter dem Marktwert verkauft wurde oder nicht, zählt zu den häufigsten Streitfragen zwischen Immobilienmakler und Verkäufer. Der OGH hat in einem Urteil klargestellt, in welchen Fällen der Makler die Haftung übernehmen müssen und was diesbezüglich unter die Sorgfaltspflicht des Immobilienmaklers fällt.
Wer eine Immobilie verkaufen will, kennt die meist quälendste Frage: Wie viel kann ich verlangen? Das ist dann auch der Punkt, an dem häufig ein Makler eingeschaltet wird, schließlich verfügt dieser bei der Ermittlung des Wertes einer Immobilie über eine langjährige Expertise.
Immobilie absichtlich unter Marktwert verkauft?
Was, wenn man nach dem Verkauf das Gefühl nicht loswird, das Objekt viel zu billig verkauft zu haben? Was, wenn der Makler durch einen zu niedrig angesetzten Verkaufspreis bloß einen finanziellen Vorteil für sich herausschlagen wollte und so einen Anreiz geschaffen hat, das Objekt in möglichst kurzer Zeit loszuschlagen und dadurch rasch die Provision dafür einstreifen zu können? Diesen Eindruck hatte ein Immobilienverkäufer gewonnen und ist damit bis zum Obersten Gerichtshof gegangen. Schließlich sind Makler von Gesetzeswegen dazu verpflichtet, mit höchster Sorgfalt den Wert eines zum Verkauf stehenden Objektes zu ermitteln.
Mangelnde Sorgfaltspflicht des Maklers?
Nach Ansicht eines Klägers war die Maklerin bzw deren Mitarbeiterin der Sorgfaltspflicht bei der Ermittlung des Verkaufspreises der Immobilie nicht nachgekommen. So gab es bereits vor dem Kaufabschluss unterschiedliche Preisvorstellungen zutage. Fünf Monate nachdem an den betreffenden Makler ein Alleinvermittlungsauftrag vergeben wurde, hat sich laut diesem nur ein Interessent gemeldet. Der hat dann auch die Immobilien zum vorgeschlagenen Preis der Mitarbeiterin des Makler erworben. Doch der Verkäufer blieb wegen des niedrigen Kaufpreises misstrauisch, zumal er erfahren hatte, dass eine Wohnung im selben Haus, trotz schlechterem Zustands, zu einem höheren Preis verkauft worden war.
Differenzbetrag zu höherem Verkaufspreis und Schadenersatz gefordert
Woraufhin hat der Verkäufer die Wohnungen zunächst von zwei anderen Maklern schätzen lassen, die beide den Wert der Wohnungen deutlich höher einstuften als der Preis, zu dem die Wohnungen verkauft wurden. Woraufhin der Kläger die Differenz und Schadenersatz forderte.
Eigenes Sachverständigengutachten des Klägers bringt oft nichts
Die Neubewertung durch Sachverständige des Klägers lies der OGH als Basis für einen möglichen Schadenersatz in diesem Fall nicht gelten, was auch in anderen Fällen meistens wenig bringt. Bei der Bewertung einer Liegenschaft durch gerichtlich beeidete Sachverständige könne es zu erheblichen Schwankungsbreiten kommen, so das Argument der obersten Richter.
Alleinvermittler: Makler nicht zu spezieller Information über die Kaufpreisermittlung verpflichtet
Bei einem Alleinvermittlungsauftrag hat der Makler, wegen der weitreichenden Bindung des Auftraggebers, zwar eine besondere Treuepflicht. Dennoch stellt der Oberste Gerichtshof auch klar, dass der Makler deshalb zu keiner besonderen Information über die Angemessenheit des Kaufpreises verpflichtet ist.
Urteilsbegründung des OGH
Abweichungen beim Verkaufspreis von 15 bis 20 Prozent vertretbar
Das Gericht erkennt bei der Bewertung von Liegenschaften starke Differenzen bei der Schätzung des Preises an. „Grundstücksbewertungen sind mit Unschärfen behaftet und werden so lange nicht fehlerhaft eingestuft, als sich das Bewertungsergebnis im Rahmen zulässiger Toleranzen bewegt“, so das Urteil.
Schwankungsbreiten von 15 bis 20 Prozent sind laut OGH unvermeidbar und vertretbar. Im Einzelfall können noch höhere Abweichungen von bis zu 30 Prozent akzeptiert werden. Ähnliche Urteile des OGHs dazu sind bereits in der Vergangenheit ergangen. (Beispielsweise 7 Ob 157/09a) Der Marktwert (Verkehrswert) ist laut Berufungsgericht trotz einer Vielzahl Vorschriften zur Ermittlung des Wertes keine mathematisch exakt ermittelbare Größe und von vielfältigen Einschätzungen abhängig.
Überlegungen zur Ermittlung des Preises müssen nachvollziehbar sein
Gegen die Sorgfaltspflicht verstößt beispielsweise ein Makler, wenn dieser keine nachvollziehbaren Überlegungen zum Wert der Wohnungen anstellt und den Verkäufer nicht auf diese aus der Einschätzung und die sich daraus ergebende Bandbreite des möglichen Verkaufspreises hingewiesen hätte. Der OGH erachtet in seiner Beurteilung im gegenständlichen Fall daher auch nicht das abweichende Gerichtssachverständigen für ausschlaggebend, sondern das Fehlen einer für den Verkäufer nachvollziebaren Arguments zur veranschlagten Höhe des Kaufpreises und lastet der Maklerin bzw. ihres Mitarbeiters diese Herangehensweise an.
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Wann das Vertrauen in den Makler laut Gericht enttäuscht werden kann
Wenn sich ein Makler Marktkenntnisse anmaßt und sich als „Experte und ein Mann mit Erfahrung“ präsentiert und so den Eindruck erweckt, eine über jeden Zweifel erhabene Bewertung vornehmen zu können, das aber letztlich enttäuscht wird, steht dem Kläger Schadenersatz zu. Etwa wie in diesem Fall das Vertrauen des Auftraggebers in die Richtigkeit des ermittelten Verkehrswerts und das letztlich enttäuscht wurde.
Wann ein Vertrauensschaden entstehen kann und zu ersetzen ist
Die Verletzung von Informationspflichten bei Abschluss des Vertrags gewährt jedoch nur einen Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Geschädigte im Vertrauen auf die korrekte Erfüllung des Maklervertrags dadurch einen Schaden erlitten hat. Zu ersetzen ist daher der Vertrauensschaden.
Tipp für Immobilienverkäufer zur Kaufpreisermittlung
Die Entscheidung über den Kaufpreis nicht alleine dem Makler überlassen, sondern sich auch selbst informieren und am besten mehrere Makler nach ihrer Einschätzung nach dem möglichen Marktwert fragen.
Tipps des OGH für Makler, um sich vor Haftung zu schützen
1. Im Rahmen einer Verkehrswertermittlung mögen Makler laut OGH nicht einfach einen Betrag „aus der Hüfte schießen“, sondern nachvollziehbare Überlegungen zum Wert des Vermittlungsgegenstands anstellen.
2. Weiters bedarf es gegenüber dem Auftraggeber eines Hinweises auf die sich bei der Einschätzung ergebende Bandbreite für Schätzungen. Damit wird vom Höchstgericht, trotz aller Unwägbarkeiten, die sich im Rahmen einer Bewertung ergeben können, – ein einigermaßen sicherer Weg für Makler vorgezeichnet, wenn sie sich zum Wert des Vermittlungsgegenstands äußern.
Die Rechtsgrundlage, wenn der Makler nach Ansicht des Verkäufers das Objekt zu billig verkauft hat
Die Differenz zwischen geschätzten Wert eines Gutachters oder anderen Maklers und dem tatsächlichen Verkaufspreis bildet nicht die Höhe der Schadenersatzforderung.
Das Gericht akzeptiert bei der Bewertung einer Liegenschaft durch gerichtlich beeidete Sachverständige eine erhebliche Schwankungsbreite.
Abweichungen von 15 bis 20 Prozent sind laut OGH unvermeidbar und vertretbar, in Einzelfällen sogar Abweichungen vom Verkaufspreis bis zu 30 Prozent.
Worauf es in Streitfragen am meisten ankommt: Die Überlegungen zur Höhe des Verkaufspreises müssen nachvollziehbar sein
Wenn das Vertrauen des Auftraggebers auf die Richtigkeit des ermittelten Verkehrswerts enttäuscht wurde, kann der Makler zu einem Vertrauensschadenersatz verurteilt werden.