Fischsuppe kochen überlässt Hans Mahr lieber den Profis. An der Coté d'Azur gibt es die weltbeste Bouillabaisse.
©Stefanie HilgarthSeit 30 Jahren begibt sich unser Autor Hans Mahr nach Südfrankreich und kennt sie daher alle - die einfachen, die teuren und die schicken Bistros und Restaurants. Aber wo gibt es an der Côte d'Azur die beste Fischsuppe? Die Delikatesse muss nämlich nach dem Originalrezept zubereitet werden, da ist unser Autor streng. Aber keine Angst: Er hat ein paar ordentliche Lokale zwischen Antibes und Marseille entdeckt.
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Cannes: Austern, Fische und Gänseleber
Der kleine Mann mit der Glatze am Eingang des Terrassenbistros heißt David und macht nicht unfreundlich, aber bestimmt klar: "Noch fünf Minuten, dann habe ich einen Tisch für vier", lässt er die ungeduldige Gruppe wissen. Im Sommer wollen alle einen Platz im eher unscheinbaren "Astoux et Brun" an der Hafenecke von Cannes ergattern, auch die Stars und Sternchen des Filmfestivals müssen sich in Geduld üben.
Denn im "Astoux et Brun" gibt es die besten Austern, die auch in den Sommermonaten dank guter Kühlung um zwei Euro pro Stück genossen werden können. Und ich versichere ehrenwörtlich, in meinen 30 Jahren an der Côte d'Azur habe ich schon mehrere Tausend Stück geschlürft - und bisher ist es auch magentechnisch glimpflich verlaufen, dank der beiden peniblen Huîtriers, die lieber eine bedenkliche Auster wegwerfen, als sie auf die geeiste Platte zu legen.
Das Schöne an diesem Bistro ist der Umstand, dass es nicht nur für die Festivalstars oder die Spesentiger der diversen Messen erschwinglich ist. Natürlich ist die Côte d'Azur prinzipiell teuer, gerade in Cannes oder Saint-Tropez kriegt man nix geschenkt. Aber wer sich auskennt, kann auch als Normalo gepflegt essen, ohne gleich die ganze Brieftasche an der Kassa des Hauses liegen zu lassen. Ich liebe zum Beispiel das "L'Affable", zwei Straßen hinter der Croisette, der Küstenstraße von Cannes, nur ein paar Hundert Meter vom Festspielhaus entfernt. Modern, klein, freundlich - und für mich mit der besten Foie gras der Gegend, eingebaut im Dreigangmenü mit Roastbeef und Mousse mit weißer und schwarzer Schokolade um 48 Euro.
Oder ich pilgere ins "La Cave", dessen von Gitanes-Rauch gelb gefärbte Mauern nach dem obligaten Rauchverbot neu gestrichen werden mussten. Die Weinkarte spielt alle Stückerln - die Rotweine nehme ich aus dem Burgund, die Weißweine aus der Gegend, und meine Frau findet tatsächlich einen trinkbaren Rosé - nicht den überteuerten und parfümierten von Brad Pitts Miraval, sondern den Rock Angel von d'Esclans. Und am meisten freue ich mich dann auf die original Bistrokost, vom Lammbraten bis zu den Nieren mit Morcheln.
Unweit davon residiert einer der besten Vietnamesen, nicht nur von Cannes, sondern von ganz Frankreich. Man merkt es dem Laden nicht an. Unprätentiös, mit viel Asia-Schnickschnack, aber Monsieur Mi, in der Vietnamkrise ins gelobte Frankreich geflüchtet, serviert in seinem "Le Jade" Exzellentes: vietnamesische Ravioli, einen scharfen Beef-Salat, kleine Krabbenscheren mit wenig Knoblauch, Chicken mit Limone und nachher eine ganze Mango, ausgehöhlt und zum Rauslöffeln.
Wer direkt am Strand essen und vielleicht nachher auf der Liege entspannen will, den schicke ich ins "Plage Ondine". Dort gibt es den besten Lunch mit Languste oder Boeuf Rossini. Achtung, günstig ist es dort nicht, weder das Essen noch die Liege. Aber später hat man von dort den besten Blick auf das große Feuerwerk, das jede zweite Woche am Meer abgeschossen wird.
Die Hauben- und Sternlokale
Natürlich gibt es auch gute Hauben- und Sternelokale, wenn man einmal tiefer in die Tasche greifen will. Die beste Adresse in Cannes ist die "Villa Archange" von Chef Bruno Oger, nur 26 Sitzplätze, aber große Klasse. Übrigens mit einem sehr angenehmen, familienfreundlichen Bistro mit großer Terrasse im Untergeschoß - die Teller kommen aus derselben Küche.
Der Grandseigneur der südfranzösischen Sterneküche residiert zehn Kilometer weiter nördlich in Grasse. Jacques Chibois serviert sein Menü im wunderbaren Schlossgarten "Bastide Saint-Antoine", ein Abend zum Verlieben. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.
Einen Tagesausflug wert ist der Trip von Cannes zur vorgelagerten (zweiten!) Insel Île Saint-Honorat, wo die noblen Yachten anlegen und im "La Tonnelle" die ganze Dorade in der Salzkruste und der Rosé in der Magnum auf den Tisch kommen. Unsereins nimmt die Fähre vom alten Hafen rüber auf die Insel und ist damit auch ohne Boot dabei. Vielleicht nur mit ein paar Crevetten und einem Glas vom weißen Hauswein von der Nachbarinsel Sainte-Marguerite, aber das Vergnügen ist genauso groß.
Was wäre ein Besuch an der Côte d'Azur, ohne zumindest einen Abstecher nach Saint-Tropez zu machen? Er hat schon was, der kleine Fischerort, der durch Brigitte Bardot und Alain Delon berühmt geworden ist. Auch heute tummeln sich im Sommer die Schönen und Reichen und präsentieren ihre neueste Superyacht im kleinen Hafen gegenüber vom berühmten "Café Senequier" mit seinen roten Strandsesseln. Kaum zu glauben, nur 50 Meter weiter kann man hervorragend essen - und zwar, ohne einer der Yachtbesitzer zu sein.
Im "Le Girelier" hält man bis heute an dem Grundsatz fest: "Unser Restaurant muss sich jeder leisten können", wie Chef Aimé Stoesser zu sagen pflegt - und es stimmt sogar. Mittags um 29 Euro, abends um 39 Euro (nicht am Wochenende!) hat man den besten Blick auf den kleinen Hafen und ein dreigängiges Menü auf dem Teller, das man dank der zurückhaltenden Preisgestaltung auch im Familienkreis genießen kann.
In der Altstadt gehe ich am liebsten entweder zu einem weiteren Vietnamesen, nämlich ins "BanH-Hoï", wo man bequem draußen in der Seitenstraße sitzen kann, oder es zieht mich zum berühmten Place des Lices. Dort hat mit "Salama" ein Marokkaner aufgemacht und man kann bei Tajines und Couscous - mit Huhn, Lamm oder Fisch - den wenigen verbliebenen Ureinwohnern am sandigen Hauptplatz beim Werfen ihrer geliebten Boule-Kugeln zuschauen.
Die Bouillabaisse, Fischsuppe für Götter
Früher war's ein typisches Restlessen. Den unverkauften Fang warfen die Fischer in einen Topf und kochten das Ganze mit ein paar Gewürzen und Meerwasser zu einer passablen Fischsuppe auf. Die – wie hierzulande das Gulasch – mit mehrmaligem Kochen angeblich immer besser schmecken soll.
Wir reden von der Bouillabaisse, dieser großartigen Delikatesse, die man im französischen Süden an der Côte d'Azur genießen kann. Am besten in Marseille, wo sich jedes zweite Lokal der „originalen“ Fischsuppe rühmt.
Bleiben wir bei „original“: was muss tatsächlich in die Suppe rein? Fünf verschiedene Fischsorten, allen voran der Rascasse, bei uns Drachenkopf genannt, plus gekochte Kartoffel sowie Zwiebel, Knoblauch, Tomaten, Fenchel, Thymian, Lorbeer und wenn möglich ein paar Fäden Safran für die Suppe. Den teuren, zusätzlichen Hummer sollte man denjenigen überlassen, die gerne viel Geld für nicht originalen Extra-Spaß ausgeben.
Und nun zur Frage aller Fragen: Wo bekommt man die beste Bouillabaisse? Nach dem Verkosten einiger Dutzend verschiedener Fischsuppen kann ich zweckdienliche Hinweise geben, allerdings naturgemäß sehr subjektive.
In Marseille selbst laufe ich vom alten Hafen 15 Minuten zum kleinen „Vallon des Auffes“. Dort befindet sich das „Chez Fonfon“, mein Lieblingsrestaurant. Im ersten Stock mit Blick auf den kleinen Hafen trifft man vor allem Einheimische, die so wie ich auf die „Bouillabaisse Fonfon“ schwören.
Zuerst die rotbraune Suppe mit Brot und Rouille (die scharfe Mayonnaise darf nie fehlen), dann rein mit den gekochten Fischen und Stück für Stück rauslöffeln. Für Fans wie mich wird natürlich noch eine zweite oder dritte Portion Fischsuppe nachgereicht. Dazu ein kräftiger Weißwein aus dem Burgund oder neuerdings aus dem für seine leicht salzige Note bekannten Jura – und das Leben ist schön.
Für den, der es noch originaler will, empfehle ich das „L ’Esplai du Bar des Goudes“, ein einfaches Wirtshaus mit Blick aufs Meer, eine halbe Stunde von Marseille entfernt. Dort fahren die Marseillaner zum Sonntagsbruch.
Oder, noch rustikaler, man marschiert von dort noch zehn Minuten zu Fuß über Stock und Stein zum „La Baie des Singes“, das direkt auf dem Felsen liegt, mit 180 Grad-Blick aufs - dort tatsächlich - blaue Meer. Wer will, nimmt Bikini und Badehose mit und kann nachher bis zum Sonnenuntergang im Meer baden. Die Bouillabaisse gab’s dort bis vor kurzem nur inklusive der mitgekochten Karkassen, jetzt ist sie Gott sei Dank auch schon grätenlos verfügbar.
Für alle, die die Fischsuppe direkt am alten Hafen im Zentrum von Marseille genießen wollen, ein paar Warnhinweise. Im „Michel“ auf der Terrasse ist der Ausblick zwar wunderschön, man teilt ihn jedoch mit Dutzenden Touristen, Französisch ist hier eine Fremdsprache. Und im „Petit Nice“ von 3-Sterne-Koch Gérald Passedat ist die Bouillabaisse in seinem Menü „Ma Bouille Abaisse“ eingebaut - um sage und schreibe 390 Euro, mit den passenden Weinen dazu um 585 Euro. Naja, wer sich’s leisten kann und leisten will, Ich besuche lieber die obengenannten Etablissements für 55 bis 80 Euro, auch kein Schnäppchen, aber den Preis wert.
Etwas weiter östlich in Ramatuelle, gleich bei St. Tropez, befindet sich mit dem „Chez Camille“ ein anderes Lieblingsrestaurant von mir. Im rustikalen Restaurant mit Blick aufs Meer lässt man sich die Fischsuppe servieren, die vorher stundenlang im Metallkessel am offenen Feuer gebrodelt hat, inklusive Saint-Pierre, Daurade, Rouget und (um ein paar Euros mehr) auch Languste oder Hummer. Die Suppe wird wie anno dazumal in einem riesigen Kessel gekocht und dann samt Fischen auf der gedeckten Terrasse mit Blick über die kleine Bucht serviert.
Und unten am Strand, immer in Blickweite der schmausenden Eltern, können die Kinderlein spielen und in der Bucht schwimmen. Himmlisch, ich habe es schon mit vier meiner fünf ausprobiert. Es klappt dort wirklich, Gourmetgenuss und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen - alle sind glücklich. Und nachher gibt es für die Kleinen, die meist mit der Fischsuppe wenig anfangen können, ein Hendl mit Pommes Frites. So angenehm kann Familienurlaub sein …
In der Festspielstadt Cannes wird man vergeblich nach einer echten Bouillabaisse suchen. Die letzte Topadresse hat vor ein paar Jahren geschlossen. Im „Tetou“ direkt auf dem Sandstrand gaben sich beim Filmfestival Stars von Brad Pitt bis Catherine Deneuve ein Stelldichein. Als der Besitzer vom Bürgermeister aufgefordert wurde, den Strand freizumachen, seine feudale Strandhütte abzureißen und hinter die Küstenstraße zu übersiedeln, hat er einfach zugesperrt. Geld für ein geruhsames Rentnerleben hatte er ja in zwischen genug in der Tasche.
Wer heutzutage eine erstklassige Fischsuppe in der Nähe von Cannes essen will, muss nach Cap d’Antibes fahren. Dort im Restaurant Maison de Bacon wird die „Grande Bouillabaisse“ serviert, comme il faut, wie es sich eben gehört. Und es war ein weiter Weg dorthin: die Sordello-Familie hat in den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein kleines Strandbuffet gestartet – mit Tuna- und Schinken-Sandwiches, mit viel Bier und billigem Wein für die Camper, die dort an der Spitze des Kaps ihren Urlaub verbrachten.
Der Campingplatz musste später weichen, Cap d ‘Antibes wurde mondän und aus der Strandbude ein Sterne-Restaurant. Adrien und Etienne Sordello, die Söhne, haben die Bouillabaisse seit damals immer mehr verfeinert: „Wir nehmen nur Fang unserer lokalen Fischer, darauf kann man sich verlassen.“ Und deshalb kostet sie auch mehr – 112 Euro pro Person, aber dafür ist auch ein bisschen mehr Safran drinnen als anderswo.
Bouillabaisse in Nizza
Wir beenden unsere Bouillabaisse-Tour an der Côte d'Azur in Nizza. Dort gibt es neuerdings eine Vielzahl an hervorragenden Neobistros - mein liebstes ist das „Lavomatique“ in einer alten Wäscherei, daher der Name. Aber gleichzeitig wird auch die Fischsuppentradition hochgehalten. Die beste gibt’s direkt am alten Hafen, im „Les Pêcheurs“ oder eine Viertelstunde weiter in Villefranche-sur-Mer bei „La Mère Germaine“. Bei beiden sitzt man gemütlich am Kai und kann auf die Fischerboote schauen, die für den Inhalt der Fischsuppe gesorgt haben. Und natürlich werden nicht nur drei bis fünf verschiedene Fische, sondern bei adäquater Aufzählung auch Languste oder Hummer gereicht.
Ein Eingeständnis am Schluss: Ich hab schon mehrmals probiert, daheim eine ordentliche Bouillabaisse zu kochen, im Riesentopf, mit frischem Fisch, Knoblauch, Zwiebeln, Tomaten und sogar Safran.
Ehrlich gesagt, es ist nix Gescheites dabei rausgekommen, ich bin kläglich gescheitert. Ja, eine Fischsuppe war’s, aber auch nicht mehr. Daher habe ich für diesen Sommer wieder zweimal Bouillabaisse an der Côte d'Azur gebucht. Dort erspare ich mir die stundenlange Arbeit, dort schmeckt’s einfach besser …
Besuchte Restaurants
Klicken Sie auf die Namen der Restaurants um zu deren Websites zu gelangen bzw. auf die Adressen für eine Weg- und Routenbeschreibung via Google Maps. Wir wünschen guten Appetit!
Marseille
Chez Fonfon, 140 Rue du Vallon des Auffes, 13007 Marseille, Frankreich; +33 4 91 52 14 38
L ’Esplai du Bar des Goudes, 28 Rue Désiré Pelaprat, 13008 Marseille, Frankreich; +33 4 91 73 43 69
La Baie des Singes, Cap Croisette, 13008 Marseille, Frankreich; +33 4 91 73 68 87
Michel, 6 Rue des Catalans, 13007 Marseille, Frankreich; +33 4 91 52 64 22
Petit Nice, 17 Rue des Braves Anse de Maldormé, 156 Cor Président John Fitzgerald Kennedy, 13007 Marseille, Frankreich; +33 4 91 59 25 92
Île Saint-Honorat
Ramatuelle
Chez Camille, Rés Cap Nioulargue, 83350 Ramatuelle, Frankreich; +33 4 98 12 68 98
Cap d'Antibes
Maison de Bacon, 664 Bd de Bacon, 06160 Antibes, Frankreich; +33 4 93 61 50 02
Nizza
Lavomatique, 11 Rue du Pont Vieux, 06300 Nice, Frankreich; +33 4 93 55 54 18
Les Pêcheurs, 18 Quai des Docks, 06300 Nice, Frankreich; +33 4 93 89 59 61
La Mère Germaine, 7 Quai de l'Amiral Courbet, 06230 Villefranche-sur-Mer, Frankreich; +33 4 93 01 71 39