Genuss an der anderen Seite des East River: "The" Hans Mahr präsentiert die Top-Restaurants Brooklyns.
©Stefanie HilgarthAuf der anderen Seite des East Rivers lebt es sich günstiger als in Manhattan, viele Junge sind nach Brooklyn gezogen, und auch die Restaurantszene ist gefolgt. Hans Mahr hat die vielen neuen Lokale besucht – und war begeistert.
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Empire State Building, Central Park, der Broadway, Madison Square Garden, Times Square und von der Südspitze blickt man auf die Statue of Liberty, die Freiheitsstatue. Ja, Manhattan ist für unsereins der Inbegriff von New York. Und deshalb ist es auch so enttäuschend, wie sehr dieses Manhattan durch die Covid-Pandemie verloren hat. Noch immer. Abseits von der Fifth Avenue und den In-Vierteln Greenwich, Meatpacking und Nolita leere oder zugesperrte Geschäfte, massenhaft Müll, Bettler an jeder zweiten Straßenecke und das Gefühl, nix ist mehr wie zuvor.
Viele, vor allem junge Leute, sind wegen der hohen Mieten weggezogen, und plötzlich blühen Stadtteile auf, die wir bis jetzt kaum auf dem Radar hatten. Zum Beispiel Brooklyn auf der anderen Seite des East Rivers, dort lebt es sich günstiger, dort machen Dutzende kleine Läden auf und die Kulinarik ist auch gefolgt. Dort findet man die akklamierten Neueröffnungen.
Ilis - eine Gourmet-Insel in Brooklyn
An erster Stelle das "Ilis" des "Noma"-Mitgründers Mads Refslund in einer ausgehöhlten renovierten Gummifabrik in Greenpoint - hohe Räume, in der Mitte die diversen Küchenstationen inklusive drei verschiedener Grills, rundherum 20 Thekenplätze und 40 Tische. Alles in modern-einfachem nordischem Chic, passend zur nordischen Küche mit amerikanischen Produkten. Das "Ilis" – ein Wortgebilde aus dänisch "ild" und "is" für Feuer und Eis – ist schon knapp nach der Eröffnung auf Wochen hin ausreserviert und die kulinarische Sensation von New York.
Wie schon im alten, jetzt geschlossenen, "Noma" werden die meisten Kreationen von dem Dutzend hantierender Köche selbst an den Tisch gebracht und erklärt: zum Einstieg eingelegte rohe Veggies, Tuna-Tatar im Gemüseblatt und Tuna leicht gebraten mit Miso-Sauce, Kabeljau zum Abbeißen von einem Spieß, den man vorher mittels einer Blumenknolle mit Knoblauch bestrichen hat, kleine Hühnerkeulen und dünn geschnittene Entenbrust aus der Asche. Wer damit nicht genug hat, bestellt Meeresschnecken, Austern von der Ost- und der Westküste sowie eine kleine Flunder, die zur Hälfte erst als Carpaccio und die andere Seite später kurz angegrillt serviert wird. "So viel Platz wie hier hätten wir in Manhattan nie gefunden, Brooklyn ist ideal!", erzählt mir Chef Mads Refslund mit leuchtenden Augen.
Levantinisches und echte italienische Pizza
Tags darauf schlage ich zweimal zu. Einmal israelisch-levantinisch (ist nicht nur in New York die neue In-Küche) und einmal Pizza vom Feinsten (muss man in NY einfach haben): "Laser Wolf" – benannt nach dem Metzger im Musical "Fiddler on the Roof" – liegt auf der Dachterrasse des neuen Hoxton-Hotels in Williamsburg mit einem wunderbaren Blick rüber auf die Skyline von Manhattan. Am besten bestellt man für den ganzen Tisch – elf Vorspeisen von Hummus mit Pitabrot über Riesenbohnen, marokkanische Karotten, Melanzani-Baba-Ganoush bis zu Gurken mit Harissa und dann vom Grill wahlweise Chicken oder Steak Shashlik plus Lamb Kofta und als Nachspeise Zimteis mit Heidelbeeren. Pro Person 50 Euro, da kann man in New York nicht meckern.
Ich war jedenfalls so voll von den levantinischen Schlemmereien, dass ich mich am Abend mit einer Pizza begnügt habe – bei "Rocco", im Eigentum der angeblich letzten italienischen Pizza-Familie von Brooklyn. Wunderbar einfach, dünne Kruste, viel Käse und Peperoni-Wurst samt Oregano.
Yuu: wegen der Bürokratie in Brooklyn statt in Wien
Aber weiter zu den Neueröffnungen, die den kulinarischen Ruf von Brooklyn begründet haben. Vorneweg das japanisch-französische "Yuu" (so der Vorname von Chef Shimano), so gut wie dort habe ich noch selten japanische Küche interpretiert bekommen.
Den 18 Gästen, auf Hochstühlen vor der offenen Küche platziert, werden Wagyu-Tatar auf Brioche, King Crab in Kohlrabisoße, Steinbutt mit Fenchelmus und Entenbrust mit Entenleber serviert. Die zwölf Gänge kosten 250 Dollar, das ist eben New York. Aber Sommelier Akio hatte mit mir als armem Europäer Nachsehen und fischte einen hervorragenden kalifornischen Chardonnay um wohlfeile 60 Dollar aus seinem Kühlschrank.
Eigentlich - so erzählte er mir später - wollte Akio von Tokio zu Heinz Reitbauer ins Wiener " Steirereck" übersiedeln, aber die österreichische Botschaft hat ihm davon abgeraten, zu viel Bürokratie. Da ist er eben stattdessen in New York gelandet. Schade.
Modern American Cuisine
Weiter unten im Süden von Brooklyn hat die Starköchin April Bloomfield ihr neues Etablissement eröffnet. Ihr berühmtes "Spotted Pig" hatte sie schließen müssen, weil ihr Co-Chef zu sexuellen Übergriffen tendiert hatte. Im neuen "Sailor" geht es jetzt gesitteter zu. Die "Modern American Cuisine" wurde von der "New York Times" schon mit einer Höchstwertung bedacht, ich kann mich nur anschließen: Anchovis mit Sellerie und Parmesan, gefüllter Radicchio mit Rotweinsoße, knuspriges Kalbsbries mit Kapern und ein halbes Roasted Chicken mit Kräuterbutter und Parmesankartoffeln – alles erstklassig in diesem kleinen Ecklokal.
Ebenfalls mit exzellenter Qualität präsentiert sich das "Clover Hill" im traditionellen Brooklyn Heights. Die Nähe zum East River hat Chef Charlie Mitchell offensichtlich zu einem vor allem von Seafood dominierten Menü inspiriert. Warum seine Fische alle aus dem Pazifik eingeflogen werden müssen und nicht aus dem nahen Atlantik, erschließt sich allerdings nicht. So kommen eben die Roten Rübe mit Kaviar und Hamachi, Aji-Makrele, Karei-Scholle mit verschiedenen Algen auf den Tisch, die Liebe zum japanischen Import schlägt sich dann auch bei der Rechnung nieder – 350 Euro fürs Menü, na danke.
Weil wir schon bei den Preisen sind: Im neuen "Francie" in Williamsburg hab ich mich sehr wohl gefühlt, Krabben und Heilbutt genossen – aber das anfängliche frische Brot mit Sonnenblumen-Aufstrich um zwölf Dollar schien mir doch unverschämt teuer, auch wenn mir der Wirt seine Liebe zu Wien und zum Wintersport "at beautiful Zürs" versichert hat.
Tapas, Naturweine und eine Food-Hall
Noch ein Tipp für Liebhaber von Naturweinen, die jetzt so "in" sind. "The Four Horsemen" rühmt sich der größten Auswahl an diesen Produkten, nicht nur von Brooklyn oder New York, sondern gleich von der ganzen Welt. Auf 55 Seiten werden ein paar Hundert aus aller Herren Länder aufgelistet, und ich, nicht gerade ein Fan von Naturweinen, habe mich vor allem über die Tapas gefreut, die dort serviert werden – von den Jakobsmuscheln in weißer Soja bis zum Beef Tatar mit Sesam und Buttermilch. Für Unterhaltung sorgt die dröhnende Musik, immerhin ist der Eigentümer ein erfolgreicher Musikproduzent.
Zum Schluss machen wir uns zu Fuß auf den Weg über die berühmte Brooklyn Bridge nach Manhattan, das ist ein Muss für uns Touristen. Und drüben besuchen wir das neue "Tin Building" am Seaport. Wo früher die große Fischhalle Einkäufer aus ganz New York angelockt hat, präsentiert sich jetzt eine Food-Hall samt 21 Restaurants, Bars und Geschäften. Mit Blick auf den East River kann man sich an Hamburgern, Pasta, Fish and Chips und erstklassigen Torten delektieren. Diese Food Hall samt Terrasse ist nicht nur eine Freude für Feinschmecker, sondern ganz speziell für Familien, wo auch die Kinder auf ihre Rechnung kommen – und die Eltern diese Rechnung sogar bezahlen können. Denn eine vierköpfige Family um weniger als hundert Dollar verpflegen zu können, ist im teuren New York eine Seltenheit
Besuchte Restaurants: Best-of-Brooklyn
Ilis; 150 Green St, Brooklyn, NY 11222
Laser Wolf; 97 Wythe Ave, Brooklyn, NY 11249
Rocco; 765 Dekalb Avenue Brooklyn NY, 11216
Yuu; 55 Nassau Ave, Brooklyn, NY 11222
Sailor; 228 Dekalb Ave, Brooklyn, NY 11205
Clover Hill; 20 Columbia Pl, Brooklyn, NY 11201
Francie; 136 Broadway, Brooklyn, NY 11249