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Immo-Bewertung: Rütteln am "Prinzip Hoffnung"

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BENKOS PARK HYATT IN WIEN. "Man muss sich im Klaren sein, dass solche Marktwerte volatil sind", sagen die Wirtschaftsprüfer.

©beigestellt, The Bank / Theresa Schrems
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Signa und die Folgen: Die Megapleite des Benko-Konzerns heizt auch die Diskussion um die großzügigen AUFWERTUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR IMMOBILIEN an - für Kritiker ein Freifahrtschein ins Desaster.

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Gier, Größenwahn und goldene Toiletten: Diese Faktoren beherrschen aktuell die Schlagzeilen über die Insolvenz der Signa-Immobiliengruppe. Aber reichen menschliche Schwächen für alles, was glänzt und nach Gold aussieht, als Erklärung für die größte Pleite Österreichs?

In den Fokus geraten wieder einmal die Bilanzierungsmöglichkeiten nach den "International Financial Reporting Standards", kurz IFRS, dem internationalen Pendant zum österreichischen Unternehmensgesetzbuch UGB. Für Manfred Wagner, geschäftsführender Gesellschafter der Steuerberatungskanzlei Intercura, ist die Möglichkeit der exzessiven Wertsteigerung durch Aufwertung der Immobilien ein "eindeutiger Systemfehler und vorausprogrammierter Insolvenzverstärker".

Nicht nur Laien, auch viele Unternehmer und Industriemanager schütteln den Kopf über die Darstellungsmöglichkeiten, die die IFRS-Bilanzierung Immobilienunternehmen bietet. Der Vorwurf: Es werde zu sehr nach dem "Prinzip Hoffnung" bilanziert.

Schwer vorstellbar, dass BWM oder Mercedes schon bei der Grundsteinlegung zu einem neuen Werk die Erlöse aus dem Verkauf der dort später mal zu produzierenden Fahrzeuge als Gewinn verbuchen - obwohl es weder das Werk noch die Autos oder gar irgendwelche Käufer gibt.

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Bei Immo-Projekten ist das dagegen gelebte Praxis, ganz legal. Denn bewertet wird der Cashflow, der zukünftig mit der Immobilie erwirtschaftet wird, etwa durch Mieteinnahmen oder einen späteren Verkauf. Durch hohe Mieten lässt sich so der Wert einer Immobilie nach oben treiben - was besonders gut funktioniert, wenn man, wie die Signa mit den Karstadt-und Galeria-Kaufhäusern, gleichzeitig Mieter und Eigentümer der Immobilie ist.

Bei Signa summierten sich diese Buchwerte am Ende auf stolze 27 Milliarden Euro - die sich dann innerhalb weniger Monate weitgehend in Luft auflösten. Das Dilemma: Eine Bewertung nach dem konservativen österreichischen UGB bietet auch keinen realistischen Ansatz, weil es mehr oder weniger nur die Anschaffungskosten zugrunde legt. Was das IFRS-Verfahren an Übertreibung nach oben zulässt, geht beim UGB in die entgegengesetzte Richtung, nach unten.

"Einen Fair Value zu ermitteln, also einen aktuellen Marktwert, ist vor allem im Hinblick auf den Kapitalmarkt und Investoren schon sinnvoll", sagt Werner Stockreiter, Partner und Leiter der Wirtschaftsprüfung bei PwC Österreich, "aber man muss sich immer darüber im Klaren sein, dass solche Marktwerte volatil sind."

Bilanzturbo IFRS-Regeln

Unbestritten ist, dass die Bilanzierung nach IFRS extrem prozyklisch wirkt: Als Turbo nach oben und umgekehrt als Brandbeschleuniger, wenn bei einem Unternehmen der Hut brennt. "IFRS bietet eine Bewertung zum Zeitwert, beruhend auf bestimmten Parametern wie zum Beispiel Zinsen und Mieten", betont Wirtschaftsprüfer Aslan Milla, Leiter des Instituts für Facharbeit der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen, "aber diese Parameter sind 'Kinder der Zeit' und können sich ändern, wie wir es ja gerade erlebt haben." Darauf werde in den Erläuterungen zu einer Bilanz auch ausdrücklich hingewiesen, "man muss es halt lesen".

Was unter Fachleuten ebenfalls für Diskussionen sorgt: die von Signa genutzte Möglichkeit, als größter Player am Markt durch eine Aufsplittung in Hunderte GmbHs um eine Konzernbilanz herumzukommen. "Solche Konstruktionen zuzulassen ist ein großes Versäumnis", so ein involvierter Experte, "da sollte dringend nachjustiert werden."

Um eine nächste Großinsolvenz à la Signa zu vermeiden, will Steuerberater Wagner die IFRS-Möglichkeiten bändigen. Und geht dabei 70 Jahre zurück, zu den Schilling-Eröffnungsbilanzen. "Damals waren Aufwertungen möglich", so Wagner, "die daraus resultierenden Buchgewinne waren aber zu einem reduzierten Satz steuerpflichtig." Aufwertungsorgien seien so vermieden worden. Wagner: "Das war schon sehr gescheit gemacht."

Der Artikel ist aus trend.PREMIUM vom 9. Februar 2024.
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