Der frühere Erste Group CEO und Neo-Startup-Investor Andreas Treichl über Vermögensvernichtung, finanzielle Gesundheit und langfristigen Kapitalaufbau.
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trend: Herr Treichl, Sie haben sich vor kurzem an dem Finanz-Start-up "Froots" beteiligt. Was reizt einen so erfahrenen und erfolgreichen Banker, in ein kleines Start-up zu investieren?
Andreas Treichl: Es ist ein Thema, das mir extrem am Herzen liegt. Denn was wir hier machen, ist etwas, was das Land dringend braucht. Wir haben eine dramatische Missallokation von Kapital in Österreich, das trifft insbesondere den Mittelstand. Die Österreicher investieren nicht richtig. Und das, was mir an Froots so gefällt, ist, dass wir Menschen dabei helfen wollen, langfristig, also 30, 40 Jahre lang in den Kapitalmarkt zu investieren. Und wir haben die richtigen Produkte für sie.
Damit werben Banken doch auch?
Das ist richtig, aber Banken bieten auch Bausparverträge an, Sparprodukte, Lebensversicherungen, alles Produkte, die die Österreicher am liebsten haben - oder sie lassen ihr Geld am Konto liegen. In Österreich ist insbesondere der Mittelstand im Kapitalmarkt massiv unterinvestiert, dadurch findet eine dramatische Vermögensvernichtung statt. Das müssen wir ändern.
Der Mittelstand ist auch Hauptzielgruppe von anderen Angeboten am Markt. Was ist das Besondere an Froots?
Es ist eine, vor allem für junge Menschen, extrem attraktive Plattform, die sich ausschließlich auf die langfristige Vermögensverwaltung von jungen Menschen konzentriert. Diesen Fokus hat sonst niemand in dieser Form. Es gibt auch viele Fintechs, die junge Menschen incentivieren, möglichst viel zu traden und das schnelle Geld zu suchen. Doch wir sagen, das Allerwichtigste ist, dass junge Menschen verstehen lernen, dass man ein Vermögen und einen Sicherheitspolster nur auf seriöse Weise und langfristig aufbauen kann.
Also wenn Bitpanda oder wikifolio an Sie herangetreten wären, hätten Sie abgelehnt?
Das sind sehr erfolgreiche Fintechs, die aber auf anderen Gebieten unterwegs sind. Wir konzentrieren uns auf den Teil des Finanzmarktes, der in Ländern wie Österreich massiv unterrepräsentiert ist, und das ist der Aktienmarkt. Wir wollen den Menschen beibringen, dass der langfristige Kapitalaufbau ein ganz wesentlicher Teil ihres Lebens ist. Das ist eine Kulturänderung, weil wir in Österreich seit Jahrzehnten hören, dass der Kapitalmarkt Spekulation und nur etwas für die Reichen sei. Das ist völlig falsch und extrem ungesund. Denn über einen langen Zeitraum sind Investitionen in den Kapitalmarkt immer besser als Zins- oder andere Produkte. Darum legen wir bei Froots auch großen Wert auf Finanz- und Wirtschaftsbildung.
Liegt es damit im Argen in Österreich?
Es schaut derzeit nicht so gut aus, allerdings gibt es immer mehr Initiativen aus dem öffentlichen und privaten Bereich. Wesentlich ist, dass Wirtschaftsbildung einen höheren Stellenwert im Schulbetrieb erhält, und da gibt es mit der Stiftung für Wirtschaftsbildung sehr gute Ansätze. Also es tut sich was.
Bleibt Froots Ihr einziges Investment in Start-ups?
Ich bin schon in andere Start-ups investiert, aber das ist das einzige aus dem Finanzbereich. Das ist halt voll auf meiner Linie. Froots hat einen Zweck, der mit einer sehr starken Überzeugung, die ich habe, nämlich die finanzielle Gesundheit voranzutreiben, voll kompatibel ist und auch in die Richtung geht, in die die Erste Group geht. Das passt für mich schon sehr zusammen.
Werden Start-ups die neuen Banken?
Von den Großbanken werden jene überleben, die den Sprung zu einer Financial Health Company schaffen mit wirklich guten digitalen Plattformen und die mit ihrem Filialvertrieb wirklich gutes Beraterservice anbieten. Start-ups treiben die Entwicklungen voran und leisten auch auf diese Weise einen wertvollen Beitrag dazu, dass sich insgesamt die finanzielle Gesundheit der Bevölkerung erhöht.
Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 8.7.2022 entnommen.