Warum sind die Zinsen so viele Jahre gesunken?
Das Drama für Sparbuchsparer nahm inmitten der Finanzkrise 2008 seinen Lauf. Die europäische Notenbank, kurz EZB, hat, wie viele andere Notenbanken auch, begonnen, die Zinsen zu senken und diese Strategie im Gefolge anderer Maßnahmen bis 2022 fortgesetzt. Ziel war es, durch diese aggressive Zinspolitik, die Nachfrage nach Krediten anzukurbeln, um dadurch Wachstum in der Eurozone zu erzeugen. Was auch bis zu einem gewissen Grad gelang. Siehe Grafik Kreditwachstum im Euro-Währungsgebiet.
Von 2008 bis 2016 wurde der Leitzinsen gesenkt
Inflation und niedrige Zinsen vernichten Milliarden auf Konten
Die lange Niedrigzinsphase hat aber Schattenseiten. Sie lassen das Geld am Konto schmelzen. Wenn es auch schon vor dem Jahr 2000 für Sparer schlecht mit Zinsen ausgesehen hat, ab 2008 ging es mit der Geldschmelz richtig dahin (siehe Grafik). Denn seit mehr als 20 Jahren ist die Realverzinsung, also die Zinsen für ein Sparbuch, abzüglich der Inflation, - bis auf eine kurze Phase - negativ. Wie die letzten Monate bis Ende 2022 besonders deutlich vor Augen führten, sinkt der Wert der Spareinlagen in ähnlichem Maße wie die Inflation steigt - wenn die Zinsen niedrig sind. Wenn die Teuerung einmal zu steigen beginnt, tut sie das noch dazu in vielen Fällen meist sprunghaft und nicht gemächlich. So verlieren die Österreich laut Schätzungen der Agenda Austria alleine 2022 auf ihren Konten 6,2 Milliarden Euro.
Was seit dem Jahr 2000 aus 10.000 Euro wurde
- Sparbuch: Aus 10.000 Euro wurden 9.802 Euro.
Der Zinseszinseffekt hat selbst bei Minizinsen langfristig einen beträchtlichen Einfluss auf die Entwicklung des Sparguthabens. So konnten Sparbuchsparer bis 2008 ihre Guthaben trotz niedriger Verzinsung (siehe Grafik oben) noch vermehren. Doch seither verliert Geld am Sparbuch real an Wert. Im Jahr 2000 auf das Sparbuch gelegte 10.000 Euro sind Ende 2022 laut Berechnungen des Think Tanks Agenda Austria um knapp 200 Euro weniger wert (siehe Grafik oben). - Täglich fälliges Geld: Aus 10.000 Euro wurden nach 22 Jahren 7.165 Euro. Schon heftiger ging es bei all jenen zur Sache, bei denen Erspartes auf Konten für täglich Geld schlummert. Von den 10.000 Euro im Jahr 2000 lassen sich 22 Jahre später dafür nur noch Waren und Dienstleistungen im Wert von 7.165 Euro kaufen.
- Cash ist nach 22 Jahren real nur noch 6.043 Euro wert. Noch härter trifft es nur jene, die Bargeld zu Hause horten und so nicht einmal Mikrozinsen bekommen. 10.000 Euro vor 22 Jahren angelegt, hat seither noch um rund 1.000 Euro mehr an Wert eingebüßt als täglich fällig Geld. Für die ursprünglich eingelegten Euros ist real nur noch ein Gegenwert von 6.043 Euro erhältlich. Nur in den 1960er und 1970er-Jahren war die Geldvernichtung ähnlich hoch. Damals wurde in der Spitze das Geld am Konto in einem Jahr um sechs Prozent weniger wert.
Wirtschaftsforscher von Agenda Austria
„Wenn der Crash im Jahr 2008 den Anfang vom Ende des Sparbuchs eingeleitet hat, dann hat Corona dieses Produkt endgültig kaltgestellt“, resümierten damals die Wirtschaftsforscher von Agenda Austria in einer Analyse. Seit dem Ukraine-Krieg ist es zum regelrechten Gift für Sparer geworden, wozu die hohe Inflation das ihre dazu beiträgt. Und mit dem Sparbuch verlieren auch alle anderen Sparformen, deren Entwicklung am Leitzinsen und der Inflation hängen, an Attraktivität: etwa Bausparvertrag und Lebensversicherung.
Inflation: Die rasante Entwicklung seit 2021
Für Sparer besonders bitter: Die hohe Inflation. Die Teuerungsrate sprang ab Frühjahr 2021 im EU-Währungsraum in wenigen Monaten auf über elf Prozent. In Deutschland und Österreich ist die Entwicklung ähnlich (siehe Grafik). Seither hat das Geld besonders deutlich an Wert eingebüßt. Um den starken Preisanstieg zu dämpfen, hat der EZB-Rat nach langem Zögern bei seiner Sitzung am 21. Juli 2022 erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder angehoben.
Warum die Zinsen so lange nicht erhöht wurden
Im Mai 2021 kletterte die Inflation in der Eurozone bereits auf 2,8 Prozent. Im Dezember betrug die Teuerung schon 4,3 Prozent und die EZB unternahm, im Glauben, die Inflation wäre nur eine vorübergehende Erscheinung und würde in absehbarer Zeit wieder abflachen, nichts. Da bei einer Angebotsverknappung Zinssenkungen nichts ausrichten können, war die Notenbank auch in einer schwierigen Lage. Der Europaparlamentarier Rasmus Andresen dazu: "Lieferengpässe, hohe Rohstoffpreise durch Russlands Angriffskrieg und enorme Überschussgewinne der Unternehmen lassen sich nicht durch die Zinspolitik der EZB auflösen." Doch steigen die Zinsen zu stark, und ist keine Änderung des Preisauftriebs absehbar, muss die Notenbank eingreifen, um durch höhere Zinsen eine Rezession herbeizuführen, wenn auch nur eine leichte, um so die Teuerung zu bremsen.
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Preisdynamik wurde zu lange unterschätzt
Wie schwer die Inflationsentwicklung einzuschätzen ist, lässt sich an den vergangenen Prognosen eine Vielzahl von Ökonomen ablesen. Noch 2021 gingen viele von ihnen davon aus, dass die Preise in den folgenden Monaten wieder sinken würden. Nur Ökonomen, wie die der Deutschen Bank, der DZ Bank und auch die US-Investmentgesellschaft BlackRock, zeigten sich 2021 besorgt, dass die Preisdynamik unterschätzt würde. So warnte Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ Bank, dass es Parallelen zu den 1960er- und 1970-Jahren gebe, als die Inflation besonders hoch war. Denn aus seiner Sicht habe sich neben dem knappen Öl- und Gaslieferungen auch eine zu hohe Staatsverschuldung aufgebaut, die zu einer steigenden Inflation führen würde. Die DZ Bank hielt bereits damals die Inflationssorgen vieler Bürgen für berechtigt.
Christian Helmenstein, Leiter des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung
Geht es mit der Geldentwertung am Sparbuch 2023 weiter?
2023 wird für all jene, die Geld am Sparbuch liegen haben, wohl wieder ein verlorenes Jahr. Zwar soll die Inflation im Laufe des Jahres etwas zurückgehen, aber viel Geld auf den Konten geht so trotzdem den Bach hinunter. Christian Helmenstein, Leiter des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung erwartet für Österreich eine weiter steigende Teuerungsrate auf „12 bis 14 Prozent“. Die deutsche DZ-Bank, die schon den starken Anstieg der Inflation richtig prognostiziert, hat, schreibt: "Ein schneller und deutlicher Rückgang der Inflationsrate ist vorerst nicht in Sicht". Geht aber wie viele andere Spezialisten für 2023 im Schnitt von einer Inflationsrate zwischen sechs und sieben Prozent im Euroraum aus. Der Preisdruck soll dem Vermögensverwalter SALytic in der zweiten Jahreshälfte erheblich abnehmen.
Zinsen dürften 2023 weiter steigen
Die Zinsen dürften 2023 in der Eurozone zwar weiter steigen, wenn das für Inhaber eines Sparbuchs, angesichts der voraussichtlich anhaltend hohen Inflation, auch ein schwacher Trost ist. So wird von SALYtic erwartet, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen im Dezember um 50 Basispunkte und im Februar, März und Mai nochmals um jeweils 25 Basispunkte anheben wird. Die EZB setzt jedoch nicht nur auf die Wirkung steigender Zinsen, um den Druck auf die Teuerung zu nehmen. So hat die EZB angekündigt, im Dezember mit dem Abbau der über die vergangenen Jahre aufgeblähten Notenbankbilanz zu beginnen. Dies sollte jedoch angesichts der zu erwartenden Rezession nur langsam erfolgen, da andernfalls das Risiko bestünde, dass die Zinsdifferenz zwischen Deutschland und höher verschuldeten Ländern der Eurozone wie Italien stark ansteigt.