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Digitaler Euro: Lösung auf der Suche nach einem Problem

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Bei genauem Hinsehen überzeugen die von der EZB vorgebrachten Argumente für den digitalen Euro nicht.

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EIN DIGITALER EURO würde den Bürgern erlauben, Guthaben nicht nur bei ihren Banken zu unterhalten, sondern auch direkt bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie könnten mit Forderungen gegen die EZB, also mit Zentralbankgeld, elektronisch zahlen – wie sie es mit physischem Bargeld schon immer tun, das ebenfalls eine Forderung gegen die Zentralbank darstellt.

Das alles hört sich auf den ersten Blick gut an. Aber bei genauem Hinsehen überzeugen die von der EZB vorgebrachten Argumente für einen digitalen Euro nicht. Aus gutem Grund spricht Christopher Waller von der US-Notenbank davon, dass digitales Zentralbankgeld „eine Lösung auf der Suche nach einem Problem“ sei.

Mehr Wettbewerb: EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta betont, dass der Zahlungsverkehr nicht privaten Anbietern allein überlassen werden solle – schon gar nicht den großen US-Technologieunternehmen. Aber bisher kann von mangelndem Wettbewerb oder gar Monopolen keine Rede sein. Der Wettbewerb zwischen den Anbietern von Zahlungsdienstleistungen ist im Euroraum intensiv. Es gibt hier kein Problem, das ein digitaler Euro lösen müsste.

Strategische Autonomie

Als Argument für einen digitalen Euro führt die EZB auch die Notwendigkeit eines autonomen Europas ins Feld. Der Euro müsse als hoheitliche Währung gegen privates Digitalgeld verteidigt werden. So stellte die zwischenzeitlich von Facebook geplante Währung Libra eine Konkurrenz zum Euro dar, weil sie nicht nur durch Euro, sondern durch einen Korb verschiedener Währungen gedeckt werden sollte.

Aber für Bürger hätte ein Währungsrisiko bestanden, das sie in der Regel nicht eingehen, solange der Euro halbwegs stabil ist. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt nämlich, dass Menschen nur dann auf andere Währungen ausweichen, wenn die eigene Währung durch Hyperinflation zerrüttet ist.

Um ein solches Abwenden vom gesetzlichen Zahlungsmittel zu verhindern, benötigt man aber nicht einen digitalen Euro, sondern eine stabilitätsorientierte Geldpolitik, zu der die EZB verpflichtet ist.

Vertrauensanker

Bankguthaben der Bürger sind Forderungen gegen Banken, also privates Geld. Bankkunden akzeptieren es letztlich nur, weil sie sich ihre Guthaben in Bargeld, also physischem Zentralbankgeld auszahlen lassen könnten.

Das ist der Vertrauensanker der Bankguthaben. Aber das Auszahlen sehr großer Summen ist wenig praktikabel. Schließlich sind der Transport und das Lagern mit beträchtlichen Risiken verbunden. Faktisch ist Bargeld kein unbeschränkter Vertrauensanker für Bankguthaben. Zwar entstünden beim digitalen Euro keine Transport- und Lagerkosten.

Allerdings würde das mit dem Risiko digitaler Bank Runs erkauft. Denn bei tatsächlichen oder vermeintlichen Finanzkrisen könnten viele Bürger ihre Bankguthaben per Mausklick auf ihre Konten bei der EZB überweisen. In Minuten könnten riesige Milliardenbeträge von den Konten der Banken abfließen. Banken und die EZB hätten zu wenig Zeit zum Gegensteuern; Banken könnten illiquide werden und zusammenbrechen.

Um das zu verhindern, will die EZB eine Obergrenze für den digitalen Euro einführen, häufig werden 3.000 Euro je Kopf genannt. Dann wäre der digitale Euro aber ebenso wie Bargeld kein unbegrenzter Vertrauensanker für Bankeinlagen.

Der Bedeutungszuwachs für die EZB ist zu verlockend.

Verbrechensbekämpfung

Mit digitalem Zentralbankgeld ließen sich Zahlungen besser überwachen und Geldwäsche, Terrorfinanzierung und andere kriminelle Handlungen bekämpfen. Aber das setzt die Abschaffung von Bargeld und das Fehlen jeglicher Privatheit bei digitalem Zentralbankgeld voraus.

Natürlich wäre das technisch möglich. Aber EZB und EU-Kommission beteuern, das Bargeld nicht abschaffen zu wollen und die Privatsphäre der Bürger zu achten. Der digitale Euro brächte keine Vorteile bei der Verbrechensbekämpfung.

Als Vorteil digitalen Zentralbankgeldes wird häufig genannt, dass damit alle Menschen in den Genuss von Bankkonten kämen. Aber dieses Argument gilt nicht für entwickelte Regionen wie den Euroraum, sondern nur für Entwicklungsländer.

Alles in allem überzeugen die von der EZB behaupteten Vorteile eines digitalen Euro nicht. Trotzdem dürfte die EZB ihn am Ende einführen – der damit verbundene Bedeutungszuwachs ist einfach zu verlockend.

Der Autor

Der Autor Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank AG.
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Der Gastkommentar ist trend. PREMIUM vom 6. September 2024 entnommen.
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