Vater und Tochter: Die Banker Nastassja und Willibald Cernko.
©trend / Lukas Ilgner NEUWenn der Vater mit der Tochter: Die Banker NASTASSJA und WILLIBALD CERNKO über Nachhaltigkeit in der Finanzbranche sowie im alltäglichen Leben. Und über Generationenthemen.
Frau Cernko, wie kam es, dass Sie Bankerin wurden? Haben Sie sich ein Beispiel am Vater genommen?
Dass ich in einer Bank gelandet bin, war eigentlich Zufall. Mein Hauptinteresse galt immer schon der Nachhaltigkeit. Bevor ich zur Oesterreichischen Kontrollbank (OeKB) kam, war ich in der Beratung tätig, habe aber gemerkt, dass ich wieder in ein Unternehmen zurückwill, speziell in eines, wo ein großer Hebel ist. In der Finanzbranche tut sich ja sehr viel in Sachen Nachhaltigkeit. Dass mein Vater und ich in der gleichen Branche arbeiten, war so also nicht beabsichtigt.
War der Vater mit der Jobwahl zufrieden?
Ich habe meiner Tochter nur geraten, wenn sie etwas bewegen will, soll sie in ein Unternehmen gehen. Viel mehr bewegen als in der Finanzbranche kann man in der Nachhaltigkeitsthematik aktuell kaum.
Aber eine Boombranche ist die Finanzbranche nicht mehr wirklich.
Ich finde, es war noch nie spannender als jetzt, weil die Herausforderungen riesig sind. Wir erleben viele Brüche, sind aber in einer Branche, von der man Stabilität, Ordnung und Sicherheit erwartet. Dieser Spagat ist sehr herausfordernd.
Die Rolle der Banken ist es ja auch, den Wandel zur Nachhaltigkeit voranzutreiben. Das macht es so spannend.
Spannend ja, aber eine Wachstumsbranche ist die Bankbranche nicht unbedingt.
Das möchte ich so nicht stehen lassen. Solange es keinen funktionierenden Kapitalmarkt gibt, wird die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit nur von drei Säulen getragen: vom Eigenkapital der Unternehmen, von öffentlichen Förderungen und von der Fähigkeit der Banken, diese Veränderungen zu finanzieren. Also solange es in Europa keinen ernstzunehmenden Kapitalmarkt gibt, ist die Rolle der Banken eine entscheidende.
Wann war Ihnen denn klar, dass das Nachhaltigkeitsthema so bald nicht verschwinden wird?
In den Jahren 2015 bis 2017 wurde es immer mehr zu einem zentralen Thema.
N: Für mich war die Zäsur 2019 mit dem European Green Deal. Da kam es zu einer Verschiebung von der Freiwilligkeit hin zu einer Pflicht. Seitdem entwickelt sich die Regulatorik rasant und ist auch sehr herausfordernd. Vor allem das Sammeln von Daten ist aktuell ein sehr großes Thema. Und wir sind noch lange nicht fertig. Das kann einen manchmal schon überfordern.
Haben Sie sich darüber gefreut, als Sie erkannt haben, dass Sie dieses Thema noch lange beschäftigt?
Ja, weil ich überzeugt bin, dass dieser Raubbau an Ressourcen so nicht weitergehen kann. Aber es stimmt: There is no free lunch. Die Umwelt muss uns etwas wert sein. Viele Unternehmen haben das längst erkannt.
Die Kosten, die verursacht werden, wenn wir nicht handeln, werden jedenfalls wesentlich höher sein.
Frau Cernko, Sie waren ja auch maßgeblich an der Entwicklung des OeKB-ESG-Data-Hub beteiligt. Was wollen Sie damit erreichen?
Wir wollten die Datenbeschaffung, die ja zweifellos für Unternehmen und Banken sinnvoll ist, um Entscheidungen zu treffen, besser koordinieren. Die Datensammlung sollte nicht zu einer Lähmung der Wirtschaft führen.
Der Wunsch der Unternehmen an die Banken war, sich auf ein Set an Fragen zu einigen, weil sie nicht alles 37-mal ausfüllen wollten. Damit haben wir sicher einen großen Schritt gemacht. Aber allgemein muss man sagen, es gilt, die Balance zu finden zwischen dem, was wirklich notwendig ist, und überschießender Regulatorik.
Tauschen Sie sich beruflich eigentlich auch miteinander aus?
Ja, klar. Ich habe von meiner Familie das große Interesse an der Gesellschaft mitbekommen.
Die jüngere Generation hat mir die Dringlichkeit der Thematik vermittelt. Wir müssen jetzt etwas tun. Deshalb verstehe ich auch Bewegungen wie „Fridays for Future“. Ich finde es zwar nicht toll, wenn man sich an die Straße klebt, weil man damit auch gegenteilige Effekte erzielt. Aber ich verstehe die Ungeduld der jungen Leute.
Frau Cernko, haben Sie Verständnis für Klimakleber?
Ja, weil es wichtig ist, die Betroffenheit spürbar zu machen. Es braucht engagierte Menschen, die eine Diskussion in Gang bringen. Eine demokratische Gesellschaft muss das aushalten. Ich gebe aber zu: Ich fahre kein Auto und stehe dann auch nicht im Stau.
Irgendwann ist es dann aber auch genug mit dem Ankleben.
Sie selbst würden sich nicht ankleben?
Nein. Aber es ist wichtig, dass jeder seinen Spielraum nützt. Ich sehe meinen stark im beruflichen Umfeld, wo ich viel bewegen kann.
Fahren Sie aus Nachhaltigkeitsgründen kein Auto?
Ja, ich habe so aber auch an Lebensqualität gewonnen.
Herr Cernko, Sie fahren aber schon Auto?
Ja. Als meine Tochter ein Baby bekam, habe ich ihr mein altes Auto angeboten, aber sie hat abgelehnt.
Haben Sie versucht, Ihren Vater zu bekehren, auf seines zu verzichten?
Ich finde, man sollte nicht jedem seinen Rat aufdrängen. Das richtige Vorleben ist wichtiger.
Ich gehe aber sehr viel zu Fuß (zeigt seinen Schrittzähler).
Jeder Akteur hat eine wichtige Rolle beim Thema Nachhaltigkeit.
Hegen Sie einen Groll gegenüber Vorgängergenerationen, weil die Ressourcen so ausgebeutet wurden?
Nein, das empfinde ich gar nicht so. Früher hatte man einfach nicht den Wissensstand von heute. Und die Vorgängergenerationen haben auch viel Wohlstand geschaffen. Unsere Rolle ist es auch, dafür zu kämpfen, dass wir viele Werte bewahren, die frühere Generationen geschaffen haben.
Nicht alle sehen die Vorreiterrolle Europas in Sachen Nachhaltigkeit so positiv wie Sie beide. Manche fürchten, dass Europa gegenüber anderen Kontinenten wegen der Überregulierung ins Hintertreffen geraten könnte.
In Europa gibt es tatsächlich eine Tendenz, viel zu regeln. Das hat aber auch mit der Komplexität dieses Binnenmarktes zu tun. In Europa gibt es nach wie vor Gold Plating, und wir schaffen es nicht, die für Unternehmen notwendige Skalierbarkeit zu erreichen. Auch beim europäischen Kapitalmarkt geht nichts weiter. Ja, das Reglementieren verhindert vieles. Aber das ist nur eine von vielen Facetten.
Nachdem Europa mit der Taxonomie begonnen hat, sind immerhin andere Kontinente nachgezogen. Der Blick sollte darauf gerichtet sein, wo sich für Europa als Vorreiter bei dem Thema neue Chancen ergeben können.
Es stört Sie denn auch nicht, dass die EZB den Banken mit Strafen droht, sollten diese bei Nachhaltigkeitsthemen nicht spuren?
Wir leben in einer Welt, in der es viele Regeln gibt und die bei Nichteinhaltung auch sanktioniert werden. Ich persönlich halte mehr von Belohnungssystemen und weniger von Strafen.
Woran erkenne ich es eigentlich als Kunde, welche Bank es mit der Nachhaltigkeit wirklich ernst meint?
Bei den Investoren ist das Thema Nachhaltigkeit noch nicht ganz oben auf der Agenda angelangt. Wir sind erst am Beginn der Entwicklung. Aber die großen Ratingagenturen haben das Thema längst für sich entdeckt, und Umweltratings werden immer wichtiger. Das wird künftig vor allem für junge Konsumenten bei der Auswahl der Bank ein ebenso wichtiges Kriterium werden wie deren Bonität.
Wir stehen bei der Messbarkeit von ESG-Kriterien noch am Anfang. Dieses Wissen aufzubauen, ist aber sehr wichtig. Das sollte auch in den Schulunterricht einfließen, genauso wie Finanzbildung. Aber es ist sicher für Konsumenten herausfordernd, zu erkennen, welche Bank es wirklich ernst meint.
Würden Sie sich trauen, zu sagen, dass die Erste Bank die grünste Bank Österreichs ist?
Ich traue mich jedenfalls, zu sagen, wir sind eine Bank, die das Thema wirklich ernst nimmt, und zwar in allen drei Aspekten (E, S, G). Wir haben auch massiv in diesem Bereich investiert. Wir wollen unter den Besten sein, ich habe aber nicht die Ambition, dass wir die nachhaltigste Bank sind. Wir leisten uns den Luxus, von anderen zu lernen. Schließlich haben wir auch gegenüber unseren Kunden eine Verantwortung. Darunter sind auch viele, oft mittelständische Kunden, denen wir bei der Transformation helfen müssen, weil ihnen die Businessmodelle wegbrechen. Das kann nicht von heute auf morgen passieren. Ich weiß, die Radikalen in der Grünbewegung werden dafür wenig Verständnis haben.
Gerade kleine und mittelständische Unternehmen bekommen beim ESG Data Hub eine Hilfestellung, weil sie eben oft keine ganzen Nachhaltigkeitsabteilungen haben.
Vergibt die Erste Group eigentlich Kredite an Rüstungsfirmen?
Das ist eine heikle Frage, weil sie im aktuell politischen Kontext gesehen werden muss. Wenn es sich um Investitionen zur Verteidigung handelt, dann schließe ich das nicht aus. Wenn sich Europa dazu entschließt, sich selbst zu verteidigen, dann müssen eben solche Investitionen auch möglich sein
ESG ist ja auch nicht statisch, die Kriterien müssen je nach Lebenssituation neu ausbalanciert werden.
Herr Cernko, haben Sie schon Pläne für Ihr Leben nach der Erste Group?
So viel kann ich sagen: Ich werde mich bestimmt weiter beschäftigen. Womit, das verrate ich, wenn es so weit ist.
Zur Person
Steckbrief
Willibald Cernko
Der Banker steht seit Juli 2022 an der Spitze der Erste Group. Das Amt bekleidet er bis Juli 2024 und wird dann von Peter Bosek abgelöst. Außerdem ist Cernko Obmann der Bundessparte Banken in der WKÖ. Der erfahrene Banker - mit Stationen bei Raiffeisen, CA und Bank Austria – hat vier Kinder.
Steckbrief
Nastassja Cernko
Nastassja Cernko [Jahrgang 1983] ist seit 2017 Nachhaltigkeitsmanagerin in der OeKB. Sie zeichnet dort u. a. für die Etablierung des ESG Data Hub verantwortlich. Davor war Cernko bei internationalen Beratern und der OMV tätig. Sie studierte internationale Entwicklung und ist das älteste Kind von Willibald Cernko.
Das Interview ist der trend. EDITION vom März 2024 entnommen.
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