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EZB leitet Zinswende ein: Leitzins um 0,25 Punkte auf 4,25 Prozent gesenkt

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Euro auf Erholungskurs: EZB-Präsidentin Christine Lagarde leitet die Zinswende ein.

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Die Europäische Zentralbank EZB hat wie erwartet in ihrer Zinssitzung vom 6. Juni 2024 den Leitzins von 4,5 auf 4,25 Prozent reduziert. Gleichzeitig wurde der Einlagensatz auf 3,75 Prozent herabgesetzt.

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Die Europäische Zentralbank (EZB) die Kurswende eingeleitet und senkt erstmals seit 2019 die Zinsen. Die Währungshüter um Notenbankpräsidentin Christine Lagarde setzten den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent nach unten, wie die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitteilte. Den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Banken für das Parken von Geld bei der Zentralbank erhalten, senkte sie von bisher 4,00 auf 3,75 Prozent.

Ob es heuer noch Zinssenkungen geben wird, blieb am Donnerstag offen: "Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest", erklärte die EZB nun mit Blick auf den weiteren Kurs.

Kein einstimmiger Beschluss

Der Beschluss zur Zinssenkung fiel im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht einstimmig. Die Entscheidung habe zwar eine große Mehrheit gefunden, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in einer Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss. Den Namen des Abweichlers wollte sie nicht verraten. "Ich überlasse es Ihrem Scharfsinn, herauszufinden, wer das ist", sagte Lagarde zu Journalisten. Dem obersten Beschlussorgan gehören die sechs Mitglieder des Direktoriums der EZB und die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der 20 Mitgliedstaaten an.

Für Lagarde ist es noch zu früh, einen Sieg über die Inflation auszurufen. Die Teuerungsrate werde wahrscheinlich in der Eurozone bis ins nächste Jahr hinein über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB) bleiben, sagte Lagarde in der Pressekonferenz.

Inflationsrate im Euro-Raum bei 2,6 %

Die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinschaft war von 2,4 Prozent im April auf 2,6 Prozent im Mai gestiegen. Damit hat sich die Rate wieder etwas mehr vom EZB-Ziel von 2,0 Prozent entfernt, das die Notenbank als optimales Niveau für den Währungsraum anstrebt. Auch die viel beachtete Kernrate, in der schwankungsreiche Preise ausgeklammert bleiben, zog von April auf Mai von 2,7 auf 2,9 Prozent an. Die EZB-Ratsmitglieder Fabio Panetta und Mario Centeno, die Notenbankchefs von Italien und Portugal, bemühten sich nach Veröffentlichung der Daten, aufkeimende Sorgen hinsichtlich der Inflationsentwicklung zu beschwichtigen.

Auch hat die EZB ihre Inflationserwartung für heuer und 2025 etwas nach oben schrauben müssen. Sie geht nun von 2,5 Prozent Teuerung im laufenden Jahr, statt von 2,3 Prozent aus. 2025 soll der Preisauftrieb mit 2,2 Prozent weiter über dem Zielwert liegen, bisher war die EZB von 2,0 Prozent ausgegangen. Für 2026 werden nach wie vor 1,9 Prozent erwartet.

Wirtschaftsprognosen der EZB

Die Notenbank-Ökonomen erwarten zudem für heuer ein Wirtschaftswachstum in der Eurozone von 0,9 Prozent. Noch im März waren sie lediglich von 0,6 Prozent ausgegangen. Für 2025 gehen sie dann von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,4 (März-Prognose: 1,5) Prozent aus, für 2026 rechnen sie unverändert mit plus 1,6 Prozent.

Die Notenbank-Volkswirte erarbeiten viermal im Jahr Konjunktur-und Inflationsprognosen für den Euroraum. Diese Projektionen liegen den Währungshütern zu ihren Beratungen auf den Zinssitzungen im März, im Juni, im September und im Dezember vor.

Staatsanleihen drehen ins Minus

Die Kurse österreichischer Bundesanleihen sind in der Folge des Zinsschritts gesunken. Im Gegenzug stiegen die Renditen. Jene der richtungsweisenden zehnjährigen österreichischen Benchmark-Anleihe legte um 6 Basispunkte auf 3,05 Prozent zu. Der Rendite-Spread zur vergleichbaren deutschen Anleihe lag bei 49 Basispunkten.

Leicht abwärts ging es für die Kurse der deutschen Staatsanleihen. Der Euro-Bund-Future ermäßigte sich um 0,10 Prozent.

Reaktionen auf die Zinssenkung

Für Analysten kam der Zinsschritt nicht unerwartet. "Wir sind bereits im Dezember 2023 davon ausgegangen, dass die EZB im Juni ihre Zinsen wird", sagte Erste-Group-Chefanalyst Fritz Mostböck zur APA. "Und wir erwarten für heuer noch drei Zinssenkungen im September, Oktober und Dezember um jeweils 25 Basispunkte." Allerdings hänge dies auch von wirtschaftlichen Faktoren ab, erklärte der Chefanalyst.

Warf man der EZB früher vor, bei den Zinsanhebungen zu zögerlich gewesen zu sein, so habe sie diesmal vorausschauend gehandelt, auch wenn die Inflation in der Eurozone zuletzt wieder von 2,4 auf 2,6 Prozent gestiegen sei. Bis die Zinssenkung in der Wirtschaft ankomme, dauere es sechs bis acht Monate, so Mostböck. Allerdings wirke sich die Zinssenkung zuvor auf das Geschäftsklima positiv aus, merkte der Ökonom weiters an.

Matthias Reith, Senior-Ökonom bei Raiffeisen Research, wies in einer Analyse auf einen anderen Aspekt hin: Da die Österreicher beim Sparen gerne auf Nummer sicher gingen, so Reith, seien im Vorjahr 36 Prozent der Ersparnisse auf Sparbüchern, Festgeld-, Tagesgeld- und Girokonten gelegen. Durch die Zinswende profitierten die Haushalte in den Jahren 2022 und 2023 von den steigenden Zinsen, die in diesem Zeitraum im Schnitt 729 Euro pro Haushalt brachten. Dennoch erlitten sie Kaufkrafteinbußen. Reith verwies auf die niedrige Aktienquote in Österreich.

Andere Länder wie Finnland mit einer Aktienquote von 30 Prozent hätten in den vergangenen zehn Jahren hingegen ein reales Plus von 3 Prozent jährlich erzielt. Aber auch griechische und irische Haushalte hätten die Kaufkraft steigern können.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält die erste Zinssenkung der Euro-Währungshüter seit der Inflationswelle im Euroraum für "angemessen". "Wie in den USA haben wir auch in Europa erhebliche Fortschritte bei der Senkung der Inflation gesehen. Wir halten die Politik der EZB für angemessen", sagte IWF-Kommunikationsdirektorin Julie Kozack. Es sei wichtig, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihren datenabhängigen Ansatz von Sitzung zu Sitzung beibehalte.

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