
Edeltraud Stiftinger
©trend/Lukas IlgnerEdeltraud Stiftinger ist erst die dritte Frau im Führungsgremium der Nationalbank. Im Exklusivinterview erzählt sie, wie es dazu kam und wie sie ihre Rolle als Vizegouverneurin anlegen will.
trend: Nach Maria Schaumayer und Gertrude Tumpel-Gugerell sind Sie erst die dritte Frau in der Führung der Nationalbank. Was bedeutet Ihnen das?
Edeltraud Stiftinger: Ich finde das schon bemerkenswert, dass es so lange gedauert hat, bis wieder eine Frau zum Zug kam. Ich bin froh, dass ich hier einen Beitrag Richtung mehr Diversität leisten kann, und gehe davon aus, dass dieser auch nachhaltig ist. Ich würde mir also wünschen, dass auch nach mir wieder Frauen in der Führung der OeNB dabei sind.
Frau Schaumayer bezeichnete sich als „Eisbrecherin“ für Frauen. Sie war Anfang der 90er-Jahre in der Bank tätig. Braucht es jetzt auch noch eine Eisbrecherin?
Bei uns in der Organisation gibt es unglaublich beeindruckende Frauen, die über eine sehr große Expertise verfügen. Das Potenzial ist also da, ich werde meinen Beitrag dazu leisten, dass der Frauenanteil in der Führung weiter steigen wird.
Was wollen Sie machen, um das Eis zu brechen?
Als ich in der aws angefangen habe, lag der Frauenanteil in der Führung unter einem Drittel. Gemeinsam mit meinem Kollegen haben wir den Anteil bis auf 50 Prozent erhöht. Das zu wiederholen, wird schwierig werden. Aber mir ist wichtig, den Frauen Mut zu machen und das Vertrauen zu geben, dass sie es können.
Dass es nach wie vor so wenig Frauen speziell in der Finanzbranche in Führungsrollen gibt, liegt also am fehlenden Mut?
Es ist sicher ein wesentlicher Grund. Frauen bewerben sich nur, wenn sie neun von zehn Bedingungen erfüllen. Da sind männliche Kollegen eben viel mutiger. Und genau diesen Mut möchte ich bei Frauen forcieren.
Zur Person
Edeltraud Stiftinger, 58, ist seit Dezember 2024 Vizegouverneurin der Nationalbank. Davor war die studierte Soziologin Geschäftsführerin der Austria Wirtschaftsservice aws. Sie startete ihre Karriere 1997 im Kabinett von Brigitte Ederer. Die Linzerin ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.
Wieso waren Sie beruflich so erfolgreich? Waren Sie mutiger als andere?
Ich hatte das Glück, in Brigitte Ederer eine wirklich große Mentorin zu haben. Sie hat mich in jeder Hinsicht unterstützt. Ich halte Mentorinnen, also dass Frauen einander unterstützen und um Rat fragen können, für ein ganz entscheidendes Kriterium. Diese Erfahrung, die ich gemacht habe, möchte ich an die Mitarbeiterinnen weitergeben.
Sie gelten ja als SP-nahe. Sind Sie auch Parteimitglied?
Ja, seit mehr als 40 Jahren. Ich habe eine Weltanschauung, zu der ich auch stehe. Ich kann aber gleichzeitig klar sagen, dass ich in keiner meiner Positionen parteipolitisch agiert, sondern immer für das wohl der Organisation gearbeitet habe. Das gilt auch für die Nationalbank. Parteipolitik hat hier nichts zu suchen. Ich erlebe es hier auch nicht so.
Sie wurden von einer schwarz-grünen Regierung ernannt. Wie kam es dazu?
Das spricht hoffentlich dafür, dass man von meiner Kompetenz überzeugt war. Ich habe mich, wie andere auch, für den Job beworben.
Ist Vizegouverneurin in der Nationalbank ein Job, der Sie immer schon interessiert hat?
Ich hatte nie eine konkrete Karriereplanung, sondern es haben sich viele Dinge durch meine Interessenslage ergeben. Dabei war ich immer wirtschaftlich denkend und wollte verschiedene Seiten der Wirtschaft sehen. Ich kannte ja die Nationalbank näher durch Kooperationen mit aws. Und hier jetzt noch als Schlusspunkt meiner Karriere, bei der Nationalbank entscheidend mitzuwirken, hat mich schon sehr gereizt.
Sie sind jetzt seit zwei Monaten im Haus. Ist die Arbeit so, wie Sie sich diese vorgestellt haben?
Teile davon habe ich mir so vorgestellt, ich durfte ja auch in meiner Zeit in der Industrie große Expert:innen-Organisationen leiten. Das ist hier sehr ähnlich. Was für mich überraschend war, ist, dass die Nationalbank – anders als ihr Ruf – keineswegs eine langsame Organisation ist. Ich erlebe hier eine sehr große Dynamik. Das hat mich positiv überrascht.
Sie sind ja im Bereich Innovationen sehr engagiert gewesen. Welche Innovationen haben Sie hier vor?
Man muss sich immer Gedanken über die nächsten großen Schritte machen, etwa im Bereich Transparenz, Digitalisierung und KI. Diese großen Themen beschäftigen uns hier genauso wie auch viele andere Unternehmen.
Das neue Direktorium ist noch lange nicht komplett, auch der neue Gouverneur Martin Kocher tritt sein Amt erst an. Wie arbeitet es sich denn in so einer Übergangssituation?
Wir haben im Direktorium für die Stabilität der Preise zu sorgen, und das eint uns bei all unserer unterschiedlichen Lebensanschauung. Ich erlebe unsere Zusammenarbeit sehr professionell und teamorientiert.
Bei Ihrer Ankunft wurden die Agenden neu aufgeteilt. Sie sind jetzt nicht mehr für Bankenaufsicht und Personal zuständig. Stört Sie das?
Die Aufteilung war Ergebnis einer Diskussion, wobei ich vor allem für die Statistik zuständig sein wollte. Das war mir wichtig, weil ich glaube, dass das enorme Datenvolumen der OeNB dazu beitragen kann, die Zukunft gut zu gestalten. Ich bin mit meinem Portfolio, sprich mit Treasury, Rechnungswesen, Recht und Statistik, mehr als zufrieden. Man könnte sagen: Ich bin die Hüterin des Gold- und des Datenschatzes.
Als für das Rechnungswesen Zuständige bekommen Sie einen hübschen Verlust umgehängt. Muss man sich als Steuerzahler Sorgen um die OeNB machen?
Überhaupt nicht. Die Aufgabe einer Notenbank ist ja nicht Gewinnmaximierung. Die europäische Geldpolitik der letzten Jahre hat – wie auch bei anderen Notenbanken – zu diesen Verlusten geführt, das war aber notwendig, um die Stabilität der Preise wieder zu erreichen. Für dieses übergeordnete Ziel der Preisstabilität hat man die Verluste in Kauf genommen. Die Österreicherinnen und Österreicher müssen sich aber keine Sorgen um die Nationalbank machen, die Verluste werden in Zukunft wieder abgetragen. Und ich selbst habe zusätzlich einen betriebswirtschaftlichen Anspruch: mit unseren Eigenveranlagungen zumindest das zu verdienen, was wir kosten.
Wann wird die Nationalbank wieder Dividenden zahlen?
Das wird noch dauern, in meiner Amtszeit wahrscheinlich nicht mehr.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Banken umschreiben? Sind Sie eine treue Kundin?
Ich habe ein großes Vertrauen in die Stabilität der Banken. Ich bin meiner Bank seit vielen Jahren treu. Online oder Filiale?
Mehr online.
Bargeld oder Karte?
Beides.
Verstehen Sie, dass die Österreicher so sehr am Bargeld hängen?
Ja, das ist eine lange Tradition. Ich teile die Verbundenheit zum Bargeld.
Braucht es neben der EZB noch so eine große Nationalbank? Es wandern ja immer mehr Agenden nach Frankfurt.
Die Oesterreichische Nationalbank hat innerhalb der EZB eine enorm hohe Anerkennung. Das sieht man daran, bei welchen Projekten wir überall mitarbeiten und wo überall unsere Expertise gefragt ist. Die Kompetenzen zwischen EZB und Nationalbanken sind meiner Meinung nach gut aufgeteilt.
Es gibt in Europa Konsolidierungsbestrebungen im Bankensektor. Ist Konsolidierung aus Ihrer Sicht wünschenswert?
Ich denke, der österreichische Bankenmarkt ist aktuell gut aufgestellt. Ich sehe für Österreich hier keinen Handlungsbedarf.
Das Interview ist in der trend.PREMIUM-Ausgabe vom 7. März 2025 erschienen.