Die Bank als Umweltberater und Sozialhelfer? Unicredit Bank Austria CEO Robert Zadrazil will mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Und sagt im trend. Interview, was er von der Zinswende erwartet.
trend: Die Menschheit plagen aktuell diverse Ängste: Kriegsgefahr, Teuerung, Pandemie. Was macht Ihnen denn am meisten Sorgen?
Robert Zadrazil: Mir macht am meisten Sorgen, was ich nicht beeinflussen kann. Da steht natürlich an erster Stelle der Krieg in der Ukraine mit seinen wirtschaftlichen Folgen.
Wie wirken sich denn diese Ängste auf Ihr Geschäft aus?
Schon die Pandemie brachte einen deutlichen Schub im Bereich der Digitalisierung. Aktuell spüren wir die Beschleunigung der Energiewende als Folge des Krieges in unserem Geschäft stark. Hier ist der Beratungsbedarf sehr hoch.
Wie wirkt sich die Krise auf die Sparquote bzw. Investitionsbereitschaft aus?
Das Konsumklima ist natürlich ein wesentlicher Treiber des Wachstums. In der Pandemie ist die Sparquote durch die Decke gegangen, aktuell nimmt sie aber wieder ab. Die Nachfrage nach Wohnbaukrediten ist geprägt durch die kommende Zinswende, das heißt, die Investitionen von Privaten gehen aktuell zurück. Bei Firmenkunden können wir das aber noch nicht beobachten, denn Kredite bleiben historisch verglichen auch weiterhin immer noch relativ günstig.
Auch Investitionen in nachhaltige und Klimaschutzprojekte nehmen zu?
Eindeutig. Investitionen Privater in nachhaltige Investmentfonds legen weiter deutlich zu, der ESG-Anteil bei Investments Privater liegt bei uns bei 21 Prozent. Unser GoGreen-Account, wo wir 100 Prozent der Einlagen in grüne Projekte investieren, ist ein Renner. 80 Prozent aller Neukonten sind solche GoGreen-Konten und das Gesamtvolumen liegt bei über 415 Millionen Euro. Auf der Unternehmensseite bieten wir vor allem für Kleinund Mittelbetriebe den Nachhaltigkeitsbarometer, der stark angenommen wird. Es gibt heute praktisch kein Gespräch mehr mit Kunden, in dem ESG und Nachhaltigkeit nicht eine Rolle spielen.
Aber man hört doch immer wieder, dass es mit grünen Projekten aus diversen Gründen nicht so läuft, wie es viele gerne hätten: Bewilligungen dauern zu lange, Material, Personal fehlt Wie sind da Ihre Erfahrungen?
Das ist kein Spezifikum grüner Projekte, mit diesen Herausforderungen haben viele Projekte zu kämpfen. Möglicherweise gibt es bei dem einen oder anderen Photovoltaikprojekt Engpässe, aber die gibt es auch in anderen Branchen. Wir gehen aber davon aus, dass sich die Lieferkettenproblematik gegen Jahresende abschwächen wird. Was im ESG-Bereich aktuell entsteht, ist schon bemerkenswert.
Wie leicht tun Sie sich, grüne Projekte als Investment zu finden?
Da findet sich genug. Das fängt an bei kleinen PV-Anlagen, geht über Wohnbaudarlehen für Sanierungen bis hin zu Fuhrparks.
Was ist denn für Sie in der Bank grün? Konkret: Ist für Sie eine Investition in Atomkraft oder Gasproduktion grün?
In Österreich haben wir zum Thema Atomkraft eine klare Meinung, der wir uns auch anschließen. Ich sehe unsere Rolle als Bank vor allem darin, die Finanzströme in eine neue Richtung zu lenken, um den CO2-Footprint deutlich zu verbessern.
Was erwarten Sie sich von der Verschärfung der Immobilienkredite, die im August in Kraft tritt? Werden junge Leute noch an Wohnkredite kommen?
Wir sind an sich schon eine sehr regulierte Branche und jede neue Regulierung ist nicht unbedingt positiv. Diese Regel sehe ich aber nicht sehr kritisch, weil es vom Regulator schon bisher eine Empfehlung mit ähnlichen Werten gegeben hat. Daran haben wir uns gehalten. Offenbar haben sich Mitbewerber weniger daran gehalten. Aber natürlich ist es ein gesellschaftliches Problem, dass sich junge Leute nur mehr schwer eine Wohnung leisten können, weil die Preise so hoch sind. Das ist aber aus meiner Sicht kein Finanzierungsproblem.
Die EZB hat die Zinswende eingeleitet. Was wird das für Ihr Haus bedeuten: Kreditausfälle, sinkende Nachfrage nach Krediten?
Es ist so schwierig wie nie zuvor, das vorherzusagen. Und es ist wichtig, dass wir das Negativterritorium einmal verlassen. Dennoch: Zu euphorisch darf man auch als Sparer nicht sein, denn die Inflation wird sehr hoch bleiben. Ein kompletter Gasstopp hätte natürlich auf eine nach wie vor gut funktionierende Wirtschaft enorm nachteilige Auswirkungen. Ansonsten sehen wir weiteres, wenn auch schwächeres Wachstum bei den Unternehmen.
Die Corona-Hilfen der öffentlichen Hand sind ja weitgehend ausgelaufen. Merken Sie schon etwas von größeren Ausfällen?
Wir sind immer davon ausgegangen, dass wir weder bei Privaten noch bei Firmen nach Auslaufen der Hilfen massive Verwerfungen sehen werden. Das liegt daran, dass Österreich die Corona-Hilfen sehr gut aufgesetzt hat. Wir erwarten derzeit nicht, sollte es zu keinem Gasstopp kommen, dass die Insolvenzen massiv in die Höhe schnellen.
Andrea Orcel ist seit eineinhalb Jahren Chef der UniCredit-Gruppe. Woran merken Sie seine Handschrift?
Vielfach. Etwa am verstärkten Fokus auf das Kundengeschäft, indem Wachstum wieder relevanter ist, auch wenn weitere Effizienzsteigerungen ebenfalls eine Rolle spielen. Oder bei der zentralen Rolle von "Simplification", also der Vereinfachung der internen Organisation und interner Prozesse. Dafür nimmt die Gruppe auch viel Geld für IT-Investitionen und die Digitalisierung in die Hand. Und am starken Fokus auf die Unternehmenskultur mit den Unternehmenswerten "Ownership","Integrity" und "Caring", die unser Handeln leiten.
Die "Simplification" kann nicht dazu führen, dass es die Bank Austria als Einheit irgendwann gar nicht mehr gibt?
Das ist reine Spekulation. Gewissheit ist hingegen, dass einer der Meilensteine des neuen Plans von UniCredit darin besteht, den Ländern vollen Handlungsspielraum und Eigenverantwortung für das lokale Geschäft zu übertragen.
Ihr Chef hat kürzlich in einem Kommentar gemeint, die Banken hätten nun verstärkt eine soziale Funktion und sollten Menschen in Notlagen helfen. Wo sehen Sie da die Aufgabe der Bank Austria?
"Social Impact Banking" spielt bei uns eine große Rolle. Wir finanzieren zahlreiche Sozialprojekte und haben erst heute wieder ein neues Projekt beschlossen. Das Thema Finanzbildung an Schulen beschäftigt uns auch stark. Der soziale Bereich ist ein stark wachsender.
Ihr Mitbewerber, die Erste Group, sieht sich zuständig für Financial Health, offenbar weit über das Bankgeschäft hinaus. Wie sehen Sie die Aufgabe der Bank Austria?
Das Thema ESG reicht ja sehr weit in die Gesellschaft hinein. Als Bank müssen wir gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, die über das reine Bankgeschäft hinausgeht.
Wie weit sind Sie mit dem aktuellen Personaleinsparungspaket?
Wir sind voll im Plan. Wir wollen ja pro Jahr vier Prozent an Gesamtkosten durch die Digitalisierung unserer Produkte und die Vereinfachung unserer Prozesse einsparen. Als Folge hat sich die Zahl der Mitarbeiter 2021 um 221 verringert.
2021 sind die Löhne und Gehälter in der Bank Austria um mehr als 80 Prozent gestiegen. Wie ist das möglich bei immer weniger Mitarbeitern?
Dabei handelt es sich um Restrukturierungskosten.
Man hat den Eindruck, dem Bankensektor war die Pandemie insofern willkommen, als nun die Digitalisierung noch rascher durchgezogen und Einsparungen besser argumentiert werden können. Falsch?
Aus meiner Sicht ja. Wir haben die Zahl der Filialen über die Pandemie weitgehend konstant gehalten. Viele Kunden haben in der Pandemie gesehen, Banking funktioniert auch digital oder mobil -und das einfacher und schneller -, und sind deswegen dabei geblieben. Der Mehrwert wurde eben erkannt.
Es gab in den letzten Monaten mehrere Personalrochaden im Vorstand der Bank Austria. Wie ist das für Sie als CEO?
Es gab zwar Wechsel, aber die meisten Neuen, wie Dieter Hengl, sind ja in der Gruppe schon sehr lange tätig und gut bekannt. Ich bin mit der aktuellen Konstellation sehr zufrieden.
Zuletzt gab es am Markt auch allerlei Gerüchte über Ihren Abgang als CEO der Bank Austria. Können Sie Licht ins Dunkel bringen?
Die Gruppe hat sich dazu eindeutig geäußert, dass an diesen Gerüchten nichts dran ist. Mein Fokus liegt zu 100 Prozent auf dem Kundengeschäft in Österreich und der weiteren Verbesserung unseres Produkt-und Beratungsangebots für unsere Kunden.
Wie lange läuft Ihr Vertrag noch?
Ausreichend lang, um unseren ambitionierten Mehrjahresplan umzusetzen.
Der Streit mit den 3 Banken geht bereits ins vierte Jahr -wie sieht das Exit-Szenario aus?
Wir sind größter Minderheitsaktionär in den 3 Banken, haben daher ein vitales Interesse daran, dass es ihnen gut geht und sie hervorragende Ergebnisse abliefern. Für uns ist aber auch eine moderne Governance des 21. Jahrhunderts bei den 3 Banken unverzichtbar.
Der BTV-Chef hat jüngst eine konstruktive Lösung des Streits gefordert. Sind Sie nicht konstruktiv?
Wir sind sehr wohl konstruktiv. Nur wenn die andere Seite unter konstruktiv die Fortschreibung des Status quo versteht, dann sind wir es nicht. Schon heute zeigen sich durch unser Eingreifen Verbesserungen in der Governance bei den 3 Banken, in den Aufsichtsräten und auch bei der Vergütungspolitik. Und auch der OGH hat festgestellt, dass Minderheitsrechte zu wahren sind. Zudem müssen wesentliche Rechtsfragen des Aktienrechts, zu denen es kaum Rechtsprechung gibt, insbesondere zu wechselseitigen Beteiligungen, von den Höchstgerichten geklärt werden, und das kann dauern.
ZUR PERSON
Robert Zadrazil, geb. 1970, steht seit sechs Jahren an der Spitze der Uni-Credit Bank Austria. Er arbeitet seit 15 Jahren für die Bank. Außerdem ist der Wiener Präsident des Bankenverbands. Zuletzt gab es Gerüchte, dass es zu Rochaden im Vorstand der Bank kommt und Zadrazil vorzeitig ausscheiden könnte.
Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 8.7.2022 entnommen.