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„Keine Lust auf die alten Konzerne“

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Saskia Bruysten. Die 42-Jährige hat einen deutschen und einen kanadischen Pass. Die Karriere bei einem Topberater gab sie auf, um weltweit soziale Unternehmen zu gründen.
Saskia Bruysten. Die 42-Jährige hat einen deutschen und einen kanadischen Pass. Die Karriere bei einem Topberater gab sie auf, um weltweit soziale Unternehmen zu gründen.©Willie Schumann
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Die Mitgründerin von Yunus Social Business Saskia Bruysten über Wege, die Probleme der Welt mit wirtschaftlichen Ansätzen anzugehen. Und warum es einfach ist, dafür die Leute zu finden.

Die Deutschkanadierin Saskia Bruysten, 42, startete eine klassische Karriere als Beraterin in der Boston Consulting Group. Vor 14 Jahren lernte sie durch einen Zufall den Friedensnobelpreisträger (2006) Muhammed Yunus aus Bangladesch kennen, der die Grameen Bank gegründet hatte, um mittellosen Menschen mit Mikrokrediten zu einem selbstständigen Einkommen zu verhelfen.

2011 gründete Bruysten mit ihm in Deutschland Yunus Social Business, eine Art Fond, der weltweit Social Businesses unterstützt. Ihr Ziel: Armut und Klimakrise mit wirtschaftlichen Methoden zu bekämpfen. Darüber hielt sie auch auf der diesjährigen DLD-Conference in München (Digitial-Life-Design) einen Vortrag. Der Digital-Media-Experte und Coroporate Advisor Martin Wilhelm Drexler sprach für den trend mit Saskia Bruysten.

Frau Bruysten, was hat Sie angetrieben, mit dem Unternehmer Muhammed Yunus zusammenzuarbeiten, statt eine Consulting- oder Konzernkarriere zu machen?
Ich hatte Wirtschaft studiert und arbeitete gleich danach bei der Boston Consulting Group in München und in New York. Damals war ich zu 100 Prozent auf Karriere fokussiert. Mit Ende 20 dachte ich zum ersten Mal auch darüber nach, was ich denn so mit meinem Leben weiterhin anfangen wollte. Durch meine Reisen z.B. nach Indien und Afrika hatte ich festgestellt, dass die Welt so ganz anders aussah als jene, die ich in meiner Käseglocke kannte. In Argentinien erlebte ich den Zusammenbruch des Finanzsystems hautnah, der über 50 Prozent der Bevölkerung in die Armut trieb. Ich entschied mich für eine Auszeit, um nachzudenken. Und ging auf die London School of Economics, um meinen Master zu machen.

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Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus aus Bangladesch ist einer der Pioniere für die Entwicklung von Social Businesses. © 2022 Roberto Serra - Iguana Press

Der Wirtschaft wollten Sie also treu bleiben?
Ja, und ich habe dann alle meine Freunde gefragt, wie ich das, was ich kann, mit dem kombiniere, was die Welt braucht. Ich bekam den Tipp, mir in London einen Vortrag von Muhammed Yunus über die Grameen Bank und sein Konzept von Social Business anzuhören. Er lud mich ein, nach Bangladesch zu kommen, was ich auch tat.

Was hat Sie gereizt, Social Businesses zu gründen?
Gleichzeitig ein soziales und ein ökonomisches Problem zu lösen. Die DNA von Social Business ist genau wie die eines normalen Geschäfts: Umsätze müssen generiert werden, um die Kosten zu decken. Der einzige Unterschied ist, dass die Profite dafür genutzt werden, Probleme zu lösen, statt sie an Shareholder weiterzugeben. Mein erstes Social Business war ein Joint Venture mit dem Chemiegiganten BASF. Es ging um die Bekämpfungen von Krankheiten wie Malaria und Denguefieber, die durch Mücken übertragen werden. Wir produzierten imprägnierte Mückennetze in Bangladesch und verkauften sie zu einem niedrigen Preis, damit sich Familien und auch ihre Tiere gegen diese Mücken schützen konnten. So fing im Grunde genommen alles an.

Im Gegensatz zu anderen beschweren wir uns nicht über Probleme, sondern wir lösen sie einfach!Saskia Bruysten, Yunus Social Business

Und dann haben Sie Ihre Strategie globalisiert?
Nachdem ich in Bangladesch erste Erfahrungen gemacht hatte, schlug ich Yunus vor, dies auch in anderen Ländern auszurollen. Denn ich war überzeugt, dass Social Business eigentlich überall auf der Welt nützlich ist. Deshalb gründeten wir gemeinsam mit Sophie Eisenmann im Jahr 2011 die Yunus Social Business Global Initiatives.

Die wie genau funktionieren?
Wir haben im Prinzip zwei Ansätze. Zum einen den „Bottom-up Approach“, indem wir Unternehmen unterstützen, die als Social Businesses aufgesetzt wurden, um Probleme zu lösen. Diesen geben wir Kredit bis maximal 500.000 Euro, damit sie ihre Geschäftsmodelle wachsen lassen können. In diesem Portfolio haben wir bereits 70 bis 80 Firmen weltweit. Mit unserer „Top-down Strategy“ unterstützen und beraten wir bereits bestehende Unternehmen, die natürlich profitorientiert arbeiten, zusätzlich eine Social-Business-Komponente einzubauen, ohne Verluste zu machen. Also: Wie kann man die Kernkompetenzen von großen Corporates nutzen, um mit uns die wirklichen Probleme der Welt anzugehen? Mit Danone entwickelten wir z. B. ein Joghurt, das mit Vitaminen und Nährstoffen angereichert ist, damit Kinder nicht mangelernährt sind. Mit dem Unternehmen McCain, das Pommes herstellt, haben wir ein Programm auf die Beine gestellt, durch das Kleinbauern, die Kartoffeln anbauen, daraus ein richtiges Einkommen generieren können.

Und Sie regen auch zu neuen Wegen im Einkauf an, richtig?
Ja, wir helfen Großkonzernen nicht nur bei eigenen sozialen Geschäftsmodellen, sondern animieren sie auch, bei unseren bestehenden Social­Businesses einzukaufen. Wir nennen das „Social Procurement“. Wir fragen einfach, wieso sie die Anbieter nicht danach auswählen, ob sie einen positiven sozialen oder ökologischen Impact generieren – insbesondere, wenn es das gleiche kostet. Auch Investoren fragen ja inzwischen immer mehr danach, was Unternehmen wirklich für die Welt tun. Ikea kauft z. B. Kissen von Rangsutra, einem Unternehmen aus unserem Portfolio. Damit haben Tausende von alleinerziehenden Näherinnen einen gut bezahlten Arbeitsplatz erhalten. Audi bezieht Kantinenessen von einem Social Business, das Essen „rettet“, das sonst weggeworfen würde. Corporates generieren einen eindeutig besseren sozialen Fußabdruck, wenn sie Produkte oder Services bei Social Businesses kaufen.

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Zukunftsgespräche. Der Digital-Media-Experte Martin Drexler interviewte Saskia Brysten auf der DLD Conference in München. © Dominik Gigler

Sehen das auch die Konzerne so?
Ja, immer mehr! H&M arbeitet für die „Conscious Collection“ mit einem von uns unterstützen indischen Social Business namens HDI zusammen. Dieses beschäftigt Tausende Müllsammler, die z. B. Plastikmüll von den Straßen Bangalores sammeln. Der wird in Pellets gepresst, aus denen H&M Knöpfe herstellen lässt statt aus Erdöl. Das ermöglicht armen, Müll sammelnden Menschen plötzlich ein kleines, solides Einkommen. Der deutsche Mittelständler Cofresco arbeitet ebenfalls mit HDI und bekommt weiches Plastik zur Produktion der bekannten Swirl-Müllbeutel geliefert.

Woher kommen die Spezialisten, die das unternehmerische Know-how mitbringen?
Wir sind bei Yunus Social Business 80 bis 100 Leute, die genauso wie ich aus der Beratung oder aus Banken kommen bzw. einen Investment-Hintergrund haben. Alles Menschen, die aus der Wirtschaft kommen. Es ist derzeit sehr einfach, solche Leute zu finden, weil viele einfach keine Lust mehr haben, in den alten, langweiligen Konzernen zu arbeiten, sondern lieber die Gesellschaft nachhaltiger gestalten möchten. Wir haben nur ganz wenige, die ausschließlich aus sozialen Berufen kommen. Und im Gegensatz zu anderen beschweren wir uns nicht über Probleme, sondern lösen sie einfach!

Würde ich mich für Yunus interessieren, was müsste ich tun?
Wir haben drei sogenannte „Calls for Action“. Wenn Ihre Ressource Geld ist, können Sie an uns spenden oder in unsere Social Businesses investieren. Wenn Ihre Ressource Zeit ist, können Sie selbst ein Social Business aufbauen bzw. bei uns volontieren. Wenn Sie in einem großen Unternehmen tätig sind, dann können wir Ihnen dabei helfen, es zum Positiven zu verändern.

Und wie knüpfen Sie die dafür notwendigen Netzwerke?
Yunus Social Business Global Initiatives kooperiert bereits mit Insead in Fountainbleu und HEC Paris, zwei sehr renommierten Business Schools. Wir haben z. B. einen Report zu Corporate Social INTRApreneurship verfasst, der in die Lehre einbezogen wird. Und Muhammed Yunus persönlich hat inzwischen an über 100 Universitäten weltweit Yunus Social Business Centres etabliert, die dort die Lehre und Forschung unterstützen.

Gibt es auch Kontakte in Österreich?
Ja, wir sind in Gesprächen, auch mit österreichischen Unternehmen kooperieren zu dürfen. Der Wille zur positiven Veränderung ist auch bei euch sehr groß. Vielleicht entsteht sogar ein Yunus Social Business Centre in Kooperation mit einer österreichischen Universität.

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