Telekom & Mobilfunk war gestern: Die Bullen setzen weiter auf Social Media, Dating & Recruiting-Portale und künftig vor allem auf Streaming und Gaming.
©iStockphotoKapitalmarkt-Analyse von Ken Fisher: Der Bereich Kommunikationsdienstleistung hat die reinen Tech-Titel bis jetzt an den Märkten outperformt.
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NUMMER EINS. Welcher Sektor ist 2024 weltweit am stärksten? Angesichts des KI-Hypes könnte man auf Technologie tippen. Aber nein! Kommunikationsdienstleistungen liegen um Haaresbreite voran.
Wird der Sektor seinen Run fortsetzen? Ja und nein. Der Mix aus technologieähnlichen Wachstumswerten und den trägen Telekommunikationstiteln ist voller Unterschiede. Ich erläutere, warum:
Kommunikationsdienstleistungen, wie wir sie heute kennen und so nennen, gab es in dieser Form vor zehn Jahren noch nicht. Damals war es noch der Telekommunikationssektor mit klassischen, defensiven, staatlich stark regulierten und langsam wachsenden Schwergewichten wie einer Telekom Austria. Diese Kategorie führte seit 2000 globale Märkte in zehn von elf Abschwüngen mit über Minus zehn Prozent an. Bei keinem Aufschwung – außer einem – hielt sie Schritt.
2018 schufen die Indexanbieter S&P und MSCI aus mehreren US-Tech-Riesen und dem verstaubten Telekombereich den neuen Sektor Kommunikationsdienstleistungen. Das veränderte alles.
In der Gesellschaft und im Sektor wichen langweilige Telefonleitungen den Suchmaschinen, sozialen Medien und dem Onlinehandel mit technologieähnlichem Wachstum. Die alte Telekommunikationsbranche gibt es noch, aber ihre Marktkapitalisierung beträgt nur ein Sechstel des neuen Sektors.
Die neue Dominanz
Inzwischen dominieren diesen Bereich die „Interaktiven Medien und Dienstleistungen“ (62 %). Er ist beinahe vollständig amerikanisch (99 %) und nur zu 0,3 % europäisch (Österreich: null). Die Big Player sind Meta und Alphabet. Dazu gehören aber auch Onlinedating-, Recruiting-Portale etc. Eintrittsbarrieren sind im Vergleich zum traditionellen Telekommunikationssektor ultraniedrig.
Zu Kommunikationsdienstleistungen zählen auch Streaming und Gaming, immerhin mit 15 Prozent der Marktkapitalisierung. Auch sie sind technologieähnlich. Die restlichen sieben Prozent sind Medien wie (Kabel-)TV, Nachrichtenagenturen und Werbetreibende.
Dementsprechend verhält sich dieser diversifizierte Sektor weitgehend ähnlich wie Tech-Titel: niedrige Dividenden, satte operative Bruttogewinnmargen, massive Reinvestitionen in Innovationen, aufregende Produkte und Services – und enormes Wachstum.
Diese technologieähnlichen Merkmale sorgten auch 2024 für saftige Renditen. Faktencheck: Interaktive Medien und Dienstleistungen erzielten dieses Jahr bisher 29,6 Prozent und verhalfen Kommunikationsdienstleistungen zu einer Gesamtrendite von 19,7 Prozent. Damit haben sie die Nase vor dem Technologiesektor (19,3 Prozent) und schlagen auch globale Aktien (12,1 Prozent) ganz einfach. Auch die Unterhaltungsfirmen im Sektor legten um 23,5 Prozent zu. Die Telekom-Segmente lahmen. Diversifizierte Telekommunikation und Mobilfunk schafften nur ein mageres Plus von 3,7 bzw. 4,3 Prozent.
Diese Kluft entspricht weitgehend der Performance in diesem Bullenmarkt. Seit dem Tief 2022 schnellten Kommunikationsdienstleistungen weltweit um 47,2 Prozent nach oben und übertrafen damit erneut die globalen Aktienmärkte mit 39,1 Prozent. Auch hier setzten sich Interaktive Medien und Dienstleistungen wieder an die Spitze. Mit einem Plus von beachtlichen 85,7 Prozent überflügelte das Segment sogar den Technologiesektor (75,2 Prozent). Einzig der Unterhaltungssektor konnte mit 64,3 Prozent die weltweiten Renditen seit dem Tief 2022 übertreffen.
Der neue Bullenmarkt
Und jetzt? Wir gehen davon aus, dass der Bullenmarkt für große, technologieähnliche Kommunikationstitel weitergeht. Sie dürften sich auch künftig gut entwickeln. Denn die Unternehmen gehen nach ihrem zweijährigen Sparkurs wieder in die Offensive, vor allem mit Werbung. Dank solider operativer Bruttogewinnmargen können sie ihr Wachstum selbst finanzieren, da sich die Stimmung aufhellt.
Faktencheck: Kommunikationsdienstleistungen übertreffen mit einer operativen Bruttogewinnmarge von 44 Prozent globale Aktien mit 31 Prozent. Der Bereich Interaktive Medien und Dienstleistungen erreicht sogar 65 Prozent operative Bruttogewinnmarge und schlägt damit die ebenfalls beachtlichen 49 Prozent der Tech-Titel.
Hier dürften die Gewinner zu finden sein. Das Engagement im ATX ist dabei minimal und konzentriert sich vor allem auf Telekommunikation. Wir empfehlen große US-Titel. Anschließend werden Sie sehen, wie diese technologieähnlichen Aktien den Bullenmarkt nach oben treiben.
Der Gastkommentar ist der trend. edition+ vom Juni 2024 entnommen.
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Über die Autoren
Ken Fisher
Kenneth Lawrence Fisher, geb. 1950, ist Investment-Analyst und einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA. Er ist zudem Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen. Fisher ist Gründer und Vorsitzender von Fisher Investments, einer Firma für Finanzberatung und Vermögensverwaltung mit Sitz in Camas, Washington.