Investment-Experte Ken Fisher
©beigestelltEs gibt viele Investmentregeln, die auf den ersten Blick logisch wirken. Wer Erfolg haben will, sollte sie dennoch hinterfragen.
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WEISHEITEN. Steigende Ölpreise machen Aktien zu schaffen, hört man überall. Anleihen und Aktien bewegen sich gegenläufig, wie man ja weiß. Und hohe Zinsen schaden natürlich den Technologieaktien. Was haben diese weit verbreiteten sogenannten Börsenregeln gemeinsam? Sie sind alle nachweislich Unsinn! Viele weitere dieser angeblichen Weisheiten sind schlicht und einfach falsch. Aber wie kann man mit derartigen Mythen aufräumen?
Ganz einfach: mit der Korrelation. Lesen Sie hier, wie Mythen entlarvt werden und so neue Möglichkeiten für Anleger entstehen.
Die Korrelation misst, wie gleichförmig sich zwei Werte bewegen. Geht einer nach oben, geht der andere mit - oder auch nach unten. Und wie wird das angezeigt? Eine Korrelation von 1,00 entspricht einer Parallelbewegung, minus 1,00 dem genauen Gegenteil. Bei null besteht kein Zusammenhang. Für die Bewertung von Zusammenhängen ist die Richtung ausschlaggebend, weniger das Ausmaß.
Anleger sollten klassische Grundprinzipien gelegentlich hinterfragen: Vielleicht folgen sie Regeln, obwohl sie falsch sind? Diese Frage stellen sich nur wenige, denn es fällt schwer, sich einen Irrtum einzugestehen. Besonders wenn die Regeln eigentlich sinnvoll wirken.
Auf den Märkten bedeutet übermäßiges Selbstvertrauen jedoch oft das Ende. Nutzen Sie also die Korrelation, um Behauptungen mancher Besserwisser zu hinterfragen. Können Sie diese widerlegen, sind Sie im Vorteil.
BÖRSE-REGELN. Dass hohe Ölpreise den Aktien schaden, wird derzeit im Zusammenhang mit dem Konflikt in Nahost und im Roten Meer ständig verbreitet - und befeuert Prognosen für einen Ölpreisanstieg.
Wenn das Erdöl teurer wird, brechen dann nicht die Gewinne und Aktienkurse ein? Nein! Die Korrelation zwischen wöchentlichen Ölpreisen und dem ATX betrug in den vergangenen 20 Jahren 0,33 - ebenso wie die zwischen dem Ölpreis und globalen Aktien, die bei 0,32 lag. Demnach haben Aktien sogar die Tendenz, mit dem Ölpreis leicht zu steigen. Diese niedrige Korrelation bedeutet nicht, dass steigende Ölpreise gut sind. Aber sie dämpft das Gebrüll der pessimistischen Bären.
Noch ein Beispiel: Steigen Aktien wirklich, wenn Anleihen sinken? Experten behaupten das, Strategen begründen ihre Entscheidungen damit. Und was meinen Sie? Die Theorie lautet: Wenn mehr Geld in Aktien fließt, bleibt für die Anleihen weniger übrig und umgekehrt natürlich auch. Klingt plausibel. Aber hinterfragen Sie es.
Daten zu Renditen von Aktien und Anleihen findet man auf vielen Finanz-Webseiten. Jede vernünftige Tabellenkalkulation verfügt über die Funktion Korrelation, die man auch ohne Mathematikstudium verwenden kann. Wenn also die Behauptung stimmt, müsste die Korrelation der wöchentlichen Kursbewegungen stark negativ sein. Ist sie aber nicht. Anleihenrenditen und Aktienkurse steigen.
In den vergangenen 20 Jahren betrug die Korrelation zwischen dem ICE BofA Austrian Government 7-10 Year, dem Index der österreichischen Staatsanleihen, und dem Aktienindex ATX knapp -0,07. Man sieht: Es besteht keinerlei Zusammenhang. Tut mir leid, liebe Experten. Die Korrelation zwischen US-Aktien und amerikanischen Anleihen ist mit -0,23 ebenfalls vergleichbar gering. Trotzdem wandten viele ein, dass der parallele Einbruch der Aktien und Anleihen im Jahr 2022 Vorbote einer seismischen Verschiebung sei. Nein!
VORTEILE NUTZEN. Was ist mit den wiederkehrenden Bedenken, dass hohe Zinsen den Tech-Aktien den Garaus machen?
Die "Logik": Durch höhere Zinsen werden die hohen Gewinne, die den Techs in ferner Zukunft prognostiziert werden, weniger wertvoll. Untersuchen Sie wegen fehlender österreichischer Tech-Werte das globale Zentrum, die USA. Die Korrelation zwischen amerikanischen Technologieaktien und den Erträgen zehnjähriger US-Anleihen beträgt 0,20. Sie zeigt eine kleine Tendenz der Tech-Aktien, mit den Anleiheerträgen sogar zu steigen.
Es stimmt, dass die US-Zinsen 2022 stiegen, während die Tech-Aktien fielen. Aber die Zinsen stiegen weiter, während die Tech-Aktien 2023 die Erholung anführten. Diese Erholung haben viele übersehen. Sie glauben, dass die Techs fallende Zinsen brauchen, um in Führung zu gehen. Unsinn! Ein weiterer demontierter Mythos, der eine versteckte Möglichkeit für Gewinne aufzeigt.
Korrelationen beweisen zwar keine Kausalität. Aber indem sie gängige Weisheiten widerlegen, verschaffen sie Ihnen einen Vorteil gegenüber blinden Anhängern. Machen Sie sich diesen zunutze.
Der Gastkommentar ist aus trend. PREMIUM vom 19. Jänner 2024.
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Über die Autoren
Ken Fisher
Kenneth Lawrence Fisher, geb. 1950, ist Investment-Analyst und einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA. Er ist zudem Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen. Fisher ist Gründer und Vorsitzender von Fisher Investments, einer Firma für Finanzberatung und Vermögensverwaltung mit Sitz in Camas, Washington.