Österreichische Forscher haben eine Methode zur besseren Bewertung von Krypto-Börsen entwickelt.
©iStockphotoForscher des Wiener Complexity Science Hub haben in Zusammenarbeit mit der Finanzmarktaufsicht FMA und der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) eine Methode entwickelt, um die Solvenz von Kryptowährungsbörsen besser beurteilen zu können.
Der FTX-Kollaps, der Stein des Anstoßes
Der Amerikaner Sam Bankman-Fried, Gründer der Kryptowährungsbörse FTX exchange und des Investmentfonds Alameda Research, galt lange Zeit als der beliebteste Milliardär der Welt. Als Altruist, der sein binnen weniger Jahre mit dem Handel von Krypto-Assets geschaffenes Vermögen gerne und großzügig teilte und für karitative Zwecke einsetzte.
Bis es im November 2022 zum großen Knall kam. Das im Steuerparadies der Bahamas ansässige Unternehmen kollabierte, als sich Berichte, in denen die Solvenz des Unternehmens infrage gestellt wurde, auftauchten und Anleger in großem Stil begannen, ihre Assets von FTX abzuziehen.
Binnen weniger Tage schlitterte FTX in die Insolvenz. Und es stellte sich heraus, dass Sam Bankman-Fried alles andere als das Darling war, das er zu sein vorgab. Am 2. November 2023 wurde Bankman-Fried in allen sieben Anklagepunkten für schuldig befunden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er Kundengelder in Milliardenhöhe veruntreut und verspielt hatte. Bankman-Fried soll unter anderem rund 14 Milliarden US-Dollar an von FTX Alameda Research abgezweigt haben. Er soll außerdem Milliarden an Kundengeldern aus reiner Gier veruntreut haben, um zu spekulieren und seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren.
Das Urteil soll im Märt 2024 verkündet werden. Über das Strafmaß darf noch spekuliert werden. Dem Ex-Milliardär könnte eine über 100 Jahre lange Haftstrafe - ohne Aussicht auf Bewährung - drohen.
Neue Bonitätsbewertungen für Kryptobörsen
"Ereignisse wie die FTX-Insolvenz zeigen, dass neue Verfahren zur Bonitätsbewertung und Solvenzanalyse von Kryptowährungsbörsen benötigt werden", betont Bernhard Haslhofer, Chef der Iknaio Cryptoasset Analytics GmbH und Forschungsleiter am Wiener Complexity Science Hub.
Während es für traditionelle Finanzinstitute etablierte Verfahren gäbe, werde die Solvenz von Anbieter:innen im Kryptowährungsbereich (sogenannte VASPs, Virtual Asset Service Providers) derzeit ad-hoc und noch kaum systematisch durchgeführt. Haslhofer sieht die Ursache dafür unter anderem darin, dass Werte in pseudonymen Wallets auf unterschiedlichen Blockchains gehalten und nicht bzw. nur ansatzweise in verfügbaren Berichten, wie zum Beispiel Bilanzen, angeführt werden.
Transaktionen, die auf Blockchains wie Bitcoin und Ethereum erfolgen, sind jedoch öffentlich einsehbar. "Das eröffnet potenziell neue Möglichkeiten zur Verbesserung und Automatisierung aktueller Solvenzanalyse- und Bewertungsverfahren", so Haslhofer.
Forderung: Wallet-Adressen und Meta-Daten offenlegen
Im Rahmen der Studie "Assessing the Solvency of Virtual Asset Service Providers: Are Current Standards Sufficient?" haben Haslhofer und sein Team untersucht, wie Betrug an Investoren und Kunden verhindert werden kann.
Zwei der Kernforderungen aus dem Forschungsergebnis sind einerseits, dass die VASPs ihre Kryptoasset-Wallet-Adressen offenlegen und zusätzliche Metadaten zur Verfügung stellen müssen, die die Nutzung der Wallets beschreiben. Dadurch soll es für unabhängige Prüfstelle möglich werden, zu beurteilen, ob ein VASP tatsächlich über die mit seinen Wallets verbundenen Gelder verfügt.
Die VASPs sollen außerdem zusätzlich ihre Bilanzberichte getrennt nach Krypto- und Fiat-Vermögenswerten aufschlüsseln und diese in angemessenen Abständen melden.
Auch in Österreich: inkonsistente Daten
„Wir haben insgesamt 24 bei der Finanzmarktaufsicht in Österreich registrierte VASPs untersucht", erklärt Pietro Saggese vom Complexity Science Hub. Dabei verglichen die Forschenden drei verschiedene Datenquellen: ihre bekannten Kryptoasset-Wallets, ihre Bilanzdaten aus dem Handelsregister, sowie Informationen von Aufsichtsbehörden. „Beim Vergleich der bekannten Kryptoasset-Bestände mit den Bilanzdaten stellten wir fest, dass diese nur teilweise konsistent sind", sagt Haslhofer.
Den Grund dafür sehen die Forscher des Complexity Hub erstens darin, dass nicht alle VASPs ihre Bilanz für Krypto- und Fiat-Vermögenswerte getrennt ausweisen. Es ist daher nicht möglich einzuschätzen, welcher Anteil der Vermögenswerte aus traditionellen Währungen und welcher aus Kryptoassets besteht.
Zweitens verwalten VASPs ihre Kryptoasset-Transaktionen auf unterschiedliche Weise. Und drittens sind die Kryptoasset-Bestände der VASPs für Dritte derzeit kaum einsehbar.
„FTX hat deutlich gezeigt, dass Krypto-Unternehmen in die Insolvenz schlittern können und Kunden dadurch mitunter enormen Geldsummen verlieren“, betont Haslhofer. "Wir hoffen, dass diese Studie hilft, die Zahlungsfähigkeit von VASPs in Zukunft besser analysieren und bewerten zu können."