Die EU hat in einer weltweiten Premiere eine umfassende Regulierung von Krypto-Assets beschlossen. Alfred Taudes, WU-Krypto Experte und langjähriger Vortragender der WU Executive Academy, erklärt, was das die neue MiCA-Verordnung der EU für Investoren und Unternehmen in der Praxis bedeutet.
Die EU geht in Sachen Krypto-Assets jetzt ihren eigenen Weg: Im April 2023 hat das Europäische Parlament die sogenannte MiCA-Verordnung (Markets in Crypto Assets) beschlossen, die 2024 in Kraft treten wird.
Erstmalig in der Welt wurde damit ein Rechtsrahmen für Bitcoin, Ethereum & Co. geschaffen. Die MiCA-Verordnung verpflichtet Ausgeber von Krypto-Werten, ihren Kunden detaillierte Informationen (etwa Whitepapers) zu übermitteln und verbietet Insiderhandel und Marktmissbrauch. Zudem können die Anbieter bei schweren Verlusten und unter bestimmten Bedingungen haftbar gemacht werden.
Die EU arbeitete zwei Jahre an der Verordnung daran. Im Prinzip gelten mit MiCA nun jene Mindestregeln, die für andere Börsen seit vielen Jahren selbstverständlich sind, auch auf Krypto-Vermögen. Teile des Krypto-Bereichs waren ohnehin bereits reguliert, etwa über die Richtlinien zur Geldwäsche.
Positive Auswirkungen der MiCA-Verordnung
Zwei sehr positive Auswirkungen der Verordnung sind jedenfalls erkenntlich: Erstens gilt eine Genehmigung in einem EU-Land ab nun für die gesamte EU. Zweitens führt genau das wieder zu einem Wettbewerb der nationalen Regulierungsbehörden, was wiederum für die Start-Ups positiv ist.
Zudem schafft die Regulierung Rechtssicherheit, weil Service Provider Zulassungen benötigen und Anforderungen an Betrieb, Organisation und Unternehmensführung erfüllen müssen, die jenen der traditionellen Banken ähneln. Damit soll sichergestellt werden, dass das Geld der Investoren nicht verschwindet, etwa wenn eine Exchange damit spekuliert.
Für Stablecoins, die ein fixes Austauschverhältnis zu offiziellen Währungen oder andere Werte versprechen, gibt es besonders strenge Auflagen, diese dürfen nur etablierte Finanzdienstleister anbieten.
NFTs und die MiCA-Verordnung
Auslegungsbedürftig ist die EU-Verordnung jedoch beim Thema NFT, den "Non-fungible Tokens", die einzigartige digitale Assets wie Kunstwerke, Musik, Videos, Spiele und andere Sammlerstücke repräsentieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum, bei denen alle Münzen gleichwertig und untereinander austauschbar sind, sind NFTs einzigartig und können nicht einfach ausgetauscht werden.
Die Verordnung gilt nicht für einzelne NFT, allerdings sollen Teile (fractional parts) solcher einzigartigen NFT nicht selbst als einzigartig bzw. non-fungible gelten. Das gilt insbesondere für die Ausgabe von „großen Serien“ oder „Kollektionen“ von NFT, die dieselben Eigenschaften aufweisen. Ebenso ist der Bereich Decentralized Finance (DeFi), der darauf abzielt, traditionelle Finanzdienstleistungen wie Kredite, Vermögensverwaltung und den Handel von Vermögenswerten auf dezentralisierte, Blockchain-basierte Plattformen zu verlagern, ausgenommen. Dies allerdings nur, falls der entsprechende Dienst dezentral ist.
In der Praxis werden NFTs oft in Serien herausgegeben und DeFi Protokolle enthalten häufig zentralisierte Funktionen. Es wird sich zeigen, wie die Abgrenzung von den Regulierungsbehörden und der Judikatur konkret vorgenommen wird.
MiCA-Regulierung kein Allheilmittel
Die EU-Verordnung schafft jedenfalls einiges an Innovationspotenzial: Klassische Banken können nun damit beginnen, Krypto-Assets anzubieten. Es ist zu erwarten, dass dies auch passieren wird, Banken könnten dabei mit Start-Ups zusammenarbeiten. Auf Basis von Plattformen, die FinTechs entwickelt haben, können Banken ihren Wertpapierkunden nun Bitcoin und andere Assets anbieten. Auch für große Investmentfonds wird der Markt interessanter, da endlich die rechtliche Sicherheit gegeben ist.
Der Krypto-Markt ist dabei der klassische Fall eines neuen Marktes, auf dem es zunächst drunter und drüber geht, bis eine gewisse Reife erreicht wird und Vorgaben nötig werden. Nun besteht wiederum die Gefahr, dass sich Behörden zu viel einmischen. Regulierung darf nicht als Allheilmittel gesehen werden. Für den Erfolg in der Praxis kommt es darauf an, ob MiCA von den Regulierungsbehörden vernünftig gelebt wird. Und ob die Krypto-Branche und die klassische Finanzindustrie die Regel annimmt und entsprechende Angebote entwickelt. So würden sogenannte Tokenized Assets eine Vielzahl neuer Möglichkeiten am Finanzmarkt ermöglichen – etwa die Stückelung von Assets wie Aktien und Immobilien in kleinere Teile. Damit wiederum könnten neue Kundengruppen angesprochen werden.
Generell ist die EU auf dem richtigen Weg, während in den USA derzeit im Bereich Regulierung ein komplettes Chaos herrscht. Das kann sicher ein Wettbewerbsvorteil für Europa sein. Allerdings kann Regulierung nicht Wunder wirken. Die Achillesferse Europas bleibt das zu geringe Risikokapital: Unter den 25 größten Risikokapitalgebern im Blockchain-Bereich findet sich kein einziger Risikokapitalgeber aus Europa.
WU Executive Academy
Die WU Wien, eine der weltweit führenden Business-Hochschulen, bündelt in der WU Executive Academy ihr Programmportfolio im Bereich „Executive Education“. Zu diesen zählen MBA, Master of Laws und Professional Master Programme, das Universitätsstudium Diplom BetriebswirtIn, Universitätslehrgänge, kompakte Weiterbildungsprogramme und Custom Programs. KI ist an der WU Executive Academy bereits in vielen Lehrangeboten ein wichtiger Teil der Digitalökonomie, der auch konkret angewandt wird. Mit durchschnittlich 750 Graduate Students und ca. 900 Führungskräften, Fachleuten und High-Potentials aus über 75 Ländern, die jährlich an den Programmen teilnehmen, gehört die WU Executive Academy zu den führenden Weiterbildungsanbietern in Zentral- und Osteuropa.