©Elke Mayr
Einige Unternehmen wie Hermès oder L‘Oréal sind über 100 Jahre alt, haben beide Weltkriege überstanden und sich im Laufe der Jahrzehnte sogar zu Börsenschwergewichten entwickelt. Wie haben sie das geschafft? Was macht ihren Erfolg aus? Dazu Wolfgang Fickus, Produktspezialist bei Comgest Asset Management, im Interview.
Luxusmarken wie Hermès und L'Oréal haben nicht nur wirtschaftliche Krisen, sondern auch zwei Weltkriege überstanden und sind heute Börsenschwergewichte. Welche zentralen Faktoren haben ihrer Meinung nach dazu beigetragen, dass diese Marken über Jahrzehnte hinweg so krisenresistent geblieben sind?
Europäische Luxusunternehmen gehören zu den ältesten Unternehmen auf dem Kontinent. Hermès ist fast 200 Jahre alt, Louis Vuitton 170 und Cartier 180 Jahre. Das ist kein Zufall und macht den Charme von Luxusgütermarken aus. Die Tradition und das Erbe dieser Marken und die zahllosen Kultprodukte schaffen eine sehr krisenfeste Nachfrage. Wie Hermès, LV oder Ferrari ihren Markenwert langfristig und durch gezieltes Marketing steigern und die Angebots-Nachfrage-Gleichung mit stetiger Unterproduktion steuern ist ebenfalls einzigartig. Man achtet darauf, an wen man seine Produkte verkauft. Ziel ist es, eine Art exklusiven Klub zu schaffen, zu denen Käufer gehören wollen. Das schafft Resilienz der Nachfrage. Nicht alle Luxusgüterunternehmen schaffen diese Gradwanderung zwischen Wachstum, Steigerung des Markenwerts sowie Steuerung der Angebots-Nachfrage-Gleichung.
L’Oréal, ein fast 120 Jahre altes Unternehmen, hat es im Markt für Schönheitsprodukte geschafft, über die Jahrzehnte ein einzigartiges Portfolio von mehr als 40 Schönheitsmarken aufzubauen, um gezielt alle Marktsegmente (Luxus, Massen- und Professional Markt) zu bedienen. Das globale Distributionsnetz und die Größe des Unternehmens erlauben es, regelmäßig neue Marken zu kaufen und dank Synergien erfolgreich weiterzuentwickeln und so immer wieder neue Triebfedern für organisches Wachstum zu finden. LVMH schafft das ebenfalls. Die vollständige Übernahme von DIOR im Jahr 2017 hat nach geduldigen und gezielten Investments zu einer Versiebenfachung des EBIT-Beitrags bis heute geführt. Eine große Erfolgsstory. Mit der Übernahme von Tiffany könnte LVMH eine weitere Erfolgsstory gelingen, genauso wie L’Oréal mit der Übernahme der Luxusmarke AESOP von Wettbewerber Natura.
Während der COVID-19-Pandemie zeigten sich Luxusmarken besonders widerstandsfähig. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe dafür, dass Luxusgüter selbst in Zeiten globaler Unsicherheit so stark nachgefragt werden?
Der hohe Grad an vertikaler Integration erlaubte es den Luxusgüterunternehmen, während der Covid-Krise weiter zu produzieren. Anders als in anderen Sektoren, wo globalisierte und hochspezialisierte Lieferketten während der Covid-19-Pandemie zusammenbrachen, sourced der europäische Luxussektor Rohmaterialien in Europa. Die Produktionstiefe ist extrem hoch, um den höchsten Qualitätsansprüchen gerecht zu werden. Produktion und Design sind in Europa beheimatet. Das schafft Resilienz in der Krise, denn die Lieferketten und die Produktion brechen nicht weg.
Viele Unternehmen in anderen Sektoren denken nach der Covid-Erfahrung daran, ihre Lieferketten weniger komplex und global zu gestalten, weniger outzusourcen und näher am Kunden zu produzieren. So wie es die Luxusgüterindustrie seit jeher tut.
Luxusmarken wie Hermes oder LV sind zeitlos und haben eine hohe Wertigkeit bzw. Wiederverkaufswert. Das schafft Vertrauen in die Produkte. Die Kundschaft ist gutbetucht und die Nachfrage daher in Krisen weniger von der Furcht vor Job- oder Einkommensverlust geprägt, die in solchen Situationen bei zyklischen Konsumgütern des Massenmarkts zu Umsatzrückgängen führen.
Die Olympischen Spiele 2024 in Paris waren eine globale Bühne für Luxusmarken wie Louis Vuitton und LVMH. Inwiefern glauben Sie, dass diese Art von globalen Partnerschaften den langfristigen Markenwert und die Attraktivität für Investoren beeinflusst?
Die Einzigartigkeit der Olympischen Spiele in Paris hat der Marke Louis Vuitton sicher nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Die Schönheit von Paris sowie Versailles, die Wiege vieler Luxusgüterunternehmen, und die ganze Kreativität Frankreichs wurde zum Ausdruck gebracht. Das hilft auch der Marke Louis Vuitton.
Tradition und Handwerkskunst sind Grundpfeiler von Luxusmarken, doch gleichzeitig müssen sie innovativ bleiben, um relevant zu sein. Wie balancieren diese Unternehmen den Spagat zwischen Tradition und Innovation?
Das Fundament der Luxusgüterunternehmen ist ihre jahrhundertealte ‚Brand Heritage‘. Die verfliegt nicht über Nacht. Es gibt immer wieder neue Designelemente und viel Designarbeit, Creative Directors etc., um etwa den Kultprodukten ein neues Outfit zu geben. Die Birkin Tasche von Hermès ist heute die gleiche wie vor 40 Jahren, als sie aus der Taufe gehoben wurde. Aber sie wird immer wieder in Facetten erneuert, um neue Kunden zu gewinnen oder dem Zeitgeist anzupassen. Solche Kultprodukte bzw. Klassiker (iconic products) mit hohem Wiedererkennungswert bilden die Basis für den langfristigen Erfolg dieser Unternehmen. Das Zaumzeug von Hermès, das seit Gründung vor fast 200 Jahren verkauft wird, gehört immer noch zu den Klassikern des Unternehmens.
DIOR als bekannte Modemarke hat natürlich sehr viel Kreativität und bietet jährlich sehr viele Neuheiten, um ständig Trendsetter zu sein. Im Modebereich (DIOR) geht es um Kreativität verbunden mit hoher Wertigkeit der Produkte. Maria Grazia Chiuri ist die erste Frau in der Position des Creative Director bei DIOR Femme, die feministische Elemente in die Mode von DIOR eingebracht hat.
Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen, was sind die größten Risiken und Chancen, die Sie für die Luxusindustrie in den nächsten fünf bis zehn Jahren sehen?
China war ein Pfeiler der langfristigen Wachstumsstory und Covid hat kurzfristig zu einer zusätzlichen Nachfrage geführt. Das außerordentlich hohe Wachstum der post-Covid Jahre hat sich über die vergangenen Quartale bereits nivelliert und der Luxusmarkt ist in eine Art Konsolidierungsphase eingetreten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Konsolidierung noch weiter geht, ähnlich wie es in den Jahren der Fall war, als die chinesische Zentralregierung gegen die wuchernde Bestechung von hochrangigen Beamten vorging.
Wie bewerten Sie die Auswirkungen der geopolitischen Spannungen und der unsicheren wirtschaftlichen Lage in China auf Luxusaktien?
Die Luxusgüterunternehmen, die sich (zu) stark auf China konzentriert haben und bei der Wahl der Kunden unkritisch waren, sind eher in einer starken Korrekturphase. Wir sehen hier eine Art Zweiklassengesellschaft. LVMH, Hermès und Ferrari sehen wir als sehr stabil an. Sie haben eine global sehr diversifizierte Kundenstruktur, andere weniger. Es ist also sehr viel Raum für Aktienselektion innerhalb des Sektors. Da Luxusgüter im Kern von einer begrenzten und sehr kaufkräftigen Kundschaft getragen werden, glauben wir an ein gewisses Wachstumstempo, da dieser Kundenkreis wächst. Allerdings nur für die Luxusgüterunternehmen, die global diversifiziert sind, die ihren Markenwert, ihre Produkte und ihre Kundschaft gezielt und langfristig steuern und auf kurzfristige Anreize zur Umsatzmaximierung verzichtet haben.
Die Aktien von Luxusmarken wie Hermès und LVMH haben in den letzten Jahrzehnten erhebliche Wertsteigerungen erfahren. Was sind die Schlüsselfaktoren, die diese kontinuierliche Outperformance antreiben, und erwarten Sie, dass dieser Trend anhält?
Der Schlüsselfaktor ist und bleibt das dynamische Gewinnwachstum. LVMH handelt heute wie vor 10 Jahren mit einem KGV von circa 20x. Das EPS hat sich über diesen Zeitraum vervierfacht, so wie der Aktienkurs.
Historisch gesehen haben Luxusmarken wirtschaftliche Krisen besser überstanden als viele andere Branchen. Inwieweit sollten Investoren Luxusaktien als defensive Positionen in ihrem Portfolio betrachten?
Luxus ist ein zyklischer Wachstumsmarkt, insbesondere im Bereich Hard Luxury, d.h. Uhren. Der Soft Luxury Markt ist weniger zyklisch, hat aber durchaus Phasen, wo das Wachstum abflaut. Luxusgüteraktien gehören in unseren Quality Growth Portfolios nicht zu der Kategorie ‘Save Haven‘ wie etwa Life Science oder Consumer Staples Unternehmen, die in der Krise sehr defensive Investments sind. Über kurzfristige Nachfragedellen hinaus lohnt es sich aber, in den Luxus zu investieren.
Der Luxusmarkt wird von einigen wenigen großen Akteuren dominiert. Sehen Sie das als Vorteil oder als Risiko für Investoren, und wie könnte dies die künftige Kursentwicklung beeinflussen?
Das ist sicher ein Vorteil. Unternehmensgröße und Skaleneffekte sowie Produkttiefe und regionale Diversifikation spielen etwa dem Sektorschwergewicht LVMH ganz klar in die Hände. Es schafft eine Finanzkraft, von der kleinere Unternehmen nur träumen können und hilft, Abschwünge abzufedern. Für Investoren sind das gute Argumente, in solche Schwergewichte zu investieren.
Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien gewinnen bei Investoren zunehmend an Bedeutung. Inwiefern beeinflusst die Einhaltung dieser Kriterien den Aktienkurs von Luxusmarken, und wie gehen diese Unternehmen mit diesem Wandel um?
Grundsätzlich ist der Luxusbereich eher ein ESG-freundlicher Sektor, da die Produkte im Gegensatz zu Fast Fashion sehr lange benutzt und zunehmend auch repariert werden. Ein Beispiel ist Ferrari. Ein Ferrari landet nicht beim Schrotthändler und die Autos werden eher weniger gefahren, das heißt der Carbon Footprint ist nicht besonders groß. Aus Umweltsicht („E“) würden wir Luxusgüter daher als positiv einschätzen. In unserem Comgest ESG Scoring Verfahren schließen die Titel auch unter „S“- und „G“-Gesichtspunkten gut ab.
Wie berücksichtigen Sie das wachsende Interesse an nachhaltigen Geschäftsmodellen, wie der Kreislaufwirtschaft, bei Ihren Investitionsentscheidungen im Luxussektor?
Generell handelt es sich bei Luxus um Produkte, die zu einem großen Teil lebenslang getragen bzw. benutzt werden können. Denken Sie beispielsweise an Luxusuhren. Der Fast Fashion-Sektor hat ein Problem der Nachhaltigkeit seiner Produkte. Der Luxusbereich hat dieses Problem nicht.
Viele Luxusunternehmen haben eine solide Dividendenpolitik und betreiben Aktienrückkäufe. Wie bewerten Sie die Kapitalrückführungspolitik dieser Unternehmen, und welchen Einfluss hat sie auf die Attraktivität der Aktien?
Gute Kapitalallokation ist langfristig der Schlüssel zum Erfolg aller Unternehmen. Dazu gehören Aktienrückkäufe, Dividenden sowie Investitionen in externes und internes Wachstum. Die Fähigkeit von Unternehmen wie L’Oréal oder LVMH, Übernahmen zum Erfolg zu führen, zählt für uns als Lackmustest für deren exzellente Kapitalallokation. Vor allem, weil erfolgreiches M&A äußerst schwierig ist. Aktienrückkäufe und Dividenden sind wichtig, spielen aber im Gesamtbild für einen Wachstumsinvestor wie Comgest eine untergeordnete Rolle. Wir wollen Unternehmen, die gezielt in Wachstum investieren.
Luxusaktien werden oft mit hohen Bewertungen gehandelt. Wie bewerten Sie das Risiko, dass diese Bewertungen in einem sich ändernden wirtschaftlichen Umfeld nicht nachhaltig sind, und wie sollten Investoren damit umgehen?
Veränderungen der Bewertung sind extrem relevant. Das Jahr 2022 hat das eindrücklich unter Beweis gestellt. Im Moment handeln Luxusgüterunternehmen wie LVMH im Schnitt des vergangenen Jahrzehnts bzw. leicht darunter. Das schwache chinesische Konsumklima sowie die geopolitischen Risiken scheinen eingepreist. Insofern glauben wir, dass die wesentliche Gefahr im Moment bei den Wachstumsaussichten und weniger bei der aktuellen Bewertung der Luxusgüterunternehmen liegt.
Mit dem zunehmenden Einfluss von Technologie und Digitalisierung auf das Verbraucherverhalten, wie sollten Investoren den Einfluss von E-Commerce und digitalen Plattformen auf die Zukunftsaussichten von Luxusaktien bewerten?
Die E-Commerce Penetration von klassischen Luxusgütern hinkt anderen Märkten hinterher. Oft dient das Internet zur Information, bevor der Kunde gezielt im Geschäft ein Produkt nachfragt. Der physische Verkauf ist und bleibt der dominierende, da es sich in der Regel nicht um Produkte des täglichen Bedarfs handelt und die Wertigkeit der Produkte eher danach verlangt, die Produkte auch wirklich in der Hand zu haben und sorgsam auszuwählen. Der exklusive Rahmen kann nur im Geschäft in besten Einkaufsstraßen gewährleistet werden. Die Exklusivität einer Marke ist im Internet nicht so gewährleistet wie im physischen Einzelhandel. Deswegen vertrauen die großen und starken Marken auch eher auf ihre eigenen E-Commerce Angebote und limitieren den Zugriff von externen Plattformen auf ihre Produkte.
Wie schätzen Sie die Risiken ein, die durch ökologische Umbrüche und die potenzielle Verknappung natürlicher Ressourcen für die Luxusbranche entstehen könnten?
Wir sehen das nicht als ein großes Problem. Stoffe, Leder oder Edelmetalle und -steine sind die wichtigen Rohstoffe, bei denen wir keine Verknappungstendenzen sehen.
Inwiefern beeinflussen die sich verändernden globalen Konsumgewohnheiten Ihre Investmententscheidungen in der Luxusindustrie?
Der Luxusgütersektor ist im Gegensatz zum Fast Fashion-Sektor eher langsam und konservativ. Insofern sehen wir veränderte Konsumgewohnheiten nicht als den entscheidenden langfristigen Faktor an, anders als im Fast Fashion Sektor, wo das Thema E-Commerce sehr früh sehr entscheidend für den Erfolg der Unternehmen war.
Welche makroökonomischen Indikatoren oder Signale betrachten Sie als entscheidend, um den optimalen Zeitpunkt für den Einstieg in Luxusaktien zu bestimmen?
Die wesentliche Frage für den Sektor ist die Abschwächung der chinesischen Nachfrage, die lange Zeit ein Motor der Industrie war. Wir bei Comgest sind und bleiben aber zu 100% bottom up orientiert und sind keine Sektorinvestoren oder Market Timer. Deshalb achten wir auf die oben genannten bottom-up Faktoren bei der Titelauswahl. Wir sind langfristige Investoren. Der ganz überwiegende Teil des Anlageerfolgs kommt aus dem Compounding des Gewinnwachstums, so wie eben an der LVMH-Aktie dargestellt, und weniger aus dem Einstandspreis.
Gibt es spezifische Ereignisse oder Entwicklungen (wie neue Produkteinführungen oder Fusionen), die Ihrer Meinung nach besonders gute Gelegenheiten für Investitionen in den Luxusbereich bieten?
Es ist das Gesamtpaket von Unternehmen, was uns überzeugen muss. Kontinuierliche Übernahmen, kontinuierliches Investment in organisches Wachstum, Markenstärke oder geografische Diversifikation sind einige Elemente, die wir besonders unter die Lupe nehmen. Beim externen Wachstum ist es uns wichtig, dass es nicht zu große Übernahmen sind, sondern Häppchen, die ein Unternehmen gut verdauen kann, um langfristige Synergien zu erzielen. Eine transformative Übernahme, welche ein Luxusgüterunternehmen von Grund auf verändern würde, wäre eher ein negativer Punkt und würde uns abschrecken. Die Geschichte zeigt, dass die meisten Unternehmen sich an transformativen Übernahmen verhoben haben.
Zur Person
Wolfgang Fickus ist Produktspezialist bei Comgest. Durch seine rund 30-jährige Berufserfahrung, davon 12 Jahre bei Comgest, kennt er sich mit der Produktpalette der Aktienfonds sowie mit der aktuellen Lage am Kapitalmarkt bestens aus. Der gebürtige Kölner hat Betriebswirtschaftslehre an der Universität Köln sowie an der London Business School studiert und schloss einen CEMS Master in Internationalem Management ab. Darüber hinaus ist er Chartered Finance Analyst (CFA®). Wolfgang Fickus arbeitet vom französischen Comgest-Headquarter in Paris aus.