Trotz Konjunkturschwäche und schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft: Der DAX knackt die historische 20.000 Punkte-Marke.
©APA/dpa/Boris RoesslerDer deutsche Leitindex DAX hat erstmals in seiner Geschichte die Marke von 20.000 Punkten überschritten. Innerhalb eines Jahres stieg der DAX damit um rund 3.000 Zähler. Für den Höhenflug gibt es mehrere Gründe.
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Es wirkt auf den ersten Blick etwas widersprüchlich: Die Gegenwart der deutschen Wirtschaft sieht trist aus, erst kürzlich haben führende Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Konjunkturprognose für Deutschland gesenkt. Für das laufende Jahr wird den Experten zufolge nun ein Rückgang der Wirtschaftsleistung erwartet. Zunehmende Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China verdrängten deutsche Exporte auf den Weltmärkten. Ferner sparen die Verbraucher, und die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit belastet die Investitionstätigkeit der Unternehmen ebenso wie die hohen Energiekosten und das immer noch hohe Zinsniveau.
Gleichzeitig knackt am Aktienmarkt der Leitindex DAX erstmals die Marke von 20.000 Punkten. Sind die Anleger also sozusagen auf dem Konjunkturauge blind? Keinesfalls, sagen Experten wie Robert Halver. Vielmehr wird am Aktienmarkt bereits nach vorne geschaut: „Die Börse bezahlt die Zukunft", kommentiert der Marktstratege der Baader Bank.
Zinssenkungen machen Aktien wieder attraktiver
Rückblende: Die wichtigsten Notenbanken hatten 2022 und 2023 die Leitzinsen stark angehoben, um die nach der Corona-Krise und dem Ukraine-Krieg ausufernde Teuerung in den Griff zu bekommen. Mit Erfolg: Der Kampf gegen die hohe Inflation scheint mittlerweile gewonnen. Die großen Zentralbanken haben inzwischen damit begonnen, die Zinsen wieder zu senken. Damit hoffen die Anleger, dass bald Kredite und Investitionen wieder günstiger werden und so die Konjunktur ankurbeln. Zudem werden mit der nunmehr eingeleiteten Zinswende Aktien attraktiver gegenüber festverzinslichen Wertpapieren oder Festgeld.
Robert Halver bleibt damit optimistisch: „Die Geldpolitik ist der Freund und Helfer der Aktienmärkte." Um Rezessionsrisiken abzufedern, werde die Europäische Zentralbank im Dezember erneut eine Zinssenkung vornehmen. Im nächsten Jahr werden sich nach Ansicht des Experten die Zinserleichterungen fortsetzen, die selbst den deutschen Konjunkturschmerz linderten. Halver resümierte: „Überhaupt, deutsche Unternehmen sind weltweit in puncto Produktion und Absatz hervorragend diversifiziert und werden Standortverlagerungen weiter vorantreiben, sodass sie von nüchternen deutschen, aber auch europäischen Rahmenbedingungen immer weniger betroffen sind."
Kritiker: Schon sehr viele Vorschusslorbeeren am Aktienmarkt verteilt
Die Optimisten am Aktienmarkt zeichnen gern, in Anlehnung an ein englisches Märchen, ein sogenanntes Goldlöckchen-Szenario. In dieser nahezu idealen Welt ist das Wachstum robust, die Zinsen niedrig und die Inflation nur mäßig. Zuletzt war das 2017 der Fall.
Doch es gibt in der aktuellen Lage auch mahnende Stimmen. Kritiker weisen darauf hin, dass am Aktienmarkt schon sehr viele Vorschusslorbeeren verteilt wurden. Denn in die Kurse wurde nicht nur eine gehörige Portion Konjunktur-Optimismus, sondern auch die vage Hoffnung auf erkleckliche Gewinne rund um das Boom-Thema Künstliche Intelligenz eingepreist. Manchen Experten ist damit schon mulmig zumute, gerade auch mit Blick auf die Probleme der für Deutschland wichtigen Auto- und Chemiebranche.
Experte: "Bei Aktien ist die Luft nun äußerst dünn"
„Bei Aktien ist die Luft unseres Erachtens nun äußerst dünn geworden", mahnen die Experten der Privatbank Metzler. Fundamental lasse sich die Entwicklung kaum noch rechtfertigen, so zumindest die Haltung vieler Aktienanalysten, die die eingepreisten Gewinnzuwächse als übertrieben hoch einschätzten. Ob der DAX vor diesem Hintergrund seine Rekordjagd fortsetzen kann, ist ungewiss - auch vor dem Hintergrund, dass die Rückkehr von Donald Trump als US-Präsident bevorsteht.
Trump verfolgt weiter seine „America First"-Politik und kündigte Zollerhöhungen für internationale Einfuhren an, die 2025 auch der deutschen Wirtschaft zu schaffen machen könnten. Das Wahlergebnis hatte deshalb im November zunächst nur die Finanzmärkte in den USA in Partylaune versetzt. Ein Stück weit dürften aber auch deutsche Konzerne von der Hoffnung auf Steuersenkungen und weniger Regulierung profitieren - erst recht, wenn sie in den USA produzieren.
„Es hat diesmal lange gedauert, bis die große Wallstreet-Euphorie in Deutschland angekommen ist", sagte der Marktbeobachter Thomas Altmann von QC Partners am Dienstag unter Bezug darauf, dass die weltweit tonangebenden New Yorker Leitindizes schon länger von Rekord zu Rekord eilten. Jetzt sei die Euphorie aber auch hierzulande richtig spürbar. Sein Jahresplus hat der Leitindex damit auf mehr als 19 Prozent erhöht.
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