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Welche Investitionen sind klimafreundlich, welche nicht? Die EU bemüht sich aktuell darum, im Rahmen der Taxonomie die Kriterien dafür festzulegen und damit die Weichen für große Finanzströme zu stellen. Bürger und Investoren sollen so klare Informationen über nachhaltige Finanzprodukte erhalten. Das soll wiederum helfen, die für die Klimawende benötigten Mittel zu mobilisieren.
Nun wurde ein erster Schritt zur Erstellung dieser Taxonomie geschafft und die Kriterien für "grüne" Bioenergie, Wasserkraft oder Forstwirtschaft festgelegt. In einem Rechtsakt wurden Aktivitäten wie die Stromproduktion mit Solarpaneelen oder der Transport per Bahn als klimafreundlich aufgelistet. Es werden etwa Kriterien für umweltfreundliche Wasserkraftwerke festgelegt. Die Regeln werden am 1. Jänner 2022 offiziell in Kraft treten.
Während der erste Schritt reibungslos gelungen ist und von den EU-Mitgliedsstaaten kommentarlos akzeptiert wurde gibt es bei dem nun anstehenden zweiten erhebliche Differenzen. Die Streitfrage, ob Gas und Atomkraft sowie bestimmte landwirtschaftliche Aktivitäten als klimafreundlich gelten sollen entzweit die Union. Frankreich zusammen mit Ländern wie Polen und Tschechien will etwa Atomkraft um jeden Preis als "grün" kennzeichnen. Unter anderem Österreich, Deutschland und Luxemburg sind strikt dagegen. Auch rund um die Frage, ob Erdgas klimafreundlich ist oder nicht gibt es Differenzen. In Deutschland gibt es etwa eine starke Lobby dafür, Gas in die Taxonomie aufzunehmen.
Energiewende mit Erdgas und Atomkraft?
In der EU-Spitze gibt es ebenfalls gewichtige Stimmen dafür, dass bestimmte Gas- und Atomkraftwerke zumindest vorübergehend in der Taxonomie gelistet werden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte zuletzt, die EU brauche neben erneuerbaren Energien auch Atomkraft als stabile Energiequelle und Gas als Übergangsquelle während der Klimawende. Frans Timmermans, EU-Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz, ist der Meinung, dass Kernenergie sehr wichtig ist, um die Emissionen zu reduzieren. Erdgas hält er ebenfalls für sehr wichtig für den Übergang von Kohle zu erneuerbaren Energien.
Für die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler steht hingegen bei einer Aufnahme von Atomkraft und Gas in die Taxonomie deren Glaubwürdigkeit auf dem Spiel: "Die Taxonomie stellt klar, welche wirtschaftlichen Aktivitäten unseren Umweltzielen dienen und dabei keinen erheblichen Schaden anrichten. Alleine aus dieser kurzen Definition wird klar: Das kann weder für Atomkraft noch für fossiles Gas gelten. Aus diesem Grund gibt es auch keine rechtliche Basis für die Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie", argumentiert Gewessler aufgrund zweier Rechtsgutachten.
Kritik von NGOs
Umweltorganisationen wie Greenpeace und der WWF sowie Grüne EU-Abgeordnete warnen ebenfalls davor, Gas und Atomkraft als umweltfreundlich darzustellen - Gas wegen der CO2-Emissionen und Atomkraft wegen des radioaktiven Mülls. Sebastien Godinot vom WWF sagte, dies würde die Glaubwürdigkeit der Taxonomie ruinieren, da existierende Regeln für klimafreundliche Anleihen am Finanzmarkt bereits strenger seien. "Es würde den Anspruch der EU auf eine Führungsrolle bei nachhaltigen Finanzen zerstören."
Eine Taxonomie mit Atom und Erdgas wäre auch aus Sicht der NGO Global 2000 widersinnig: "Wenn Erdgas - wohl mit Kriterien - und Atomenergie vorbehaltlos mit all ihren vollkommen unbeherrschbaren Risiken aufgenommen wird, ist die EU-Taxonomie sinnlos und wird zu transparenten ökologischen Investitionen im Sinne des Pariser Klimaabkommens und des EU Green Deal nichts beitragen," betonte Patricia Lorenz, Atom-Sprecherin der Umweltschutzorganisation.
Unterstützung für die Haltung Gewesslers und der NGOs hat sich beim UN-Klimagipfel in Glasgow abgezeichnet. Dort zeigte sich ein Staatenbündnis mit österreichischer Beteiligung als Gegner von Atomkraft und Gas. Auch die deutsche Bundestagsabgeordnete der Grünen, Lisa Badum, hat nun einen gemeinsamen Aufruf gestartet, gegen den "dreisten Versuch dieses Greenwashings" gestartet. Abgeordnete aus dem österreichischen Parlament, sowie aus anderen europäischen Parlamenten, haben diesen parteiübergreifenden Aufruf ebenfalls bereits unterschrieben.