©APA/dpa/Stefan Puchner
Der Fall Varta wird bestimmt nicht helfen, die Aktionärsquote in Europa anzuheben. Einmal mehr bleiben die Kleinaktionäre auf der Strecke.
Österreich – Land der Aktionäre. Diese Idee schwebt zumindest manch fantasiebegabtem Börsianer vor.
Ein bisschen Finanzbildung hier und eine Steuersenkung da – und schon steigt die Zahl der Aktienbesitzer in Österreich von zuletzt 14 Prozent rasant nach oben, glauben einige. Denn es muss doch jedem einleuchten, dass das Geld auf dem Sparbuch oder Konto von der Inflation und den mageren Zinsen weggefressen wird.
Nicht weniger als 20 Milliarden Euro jährlich lassen die Österreicher durch ihre Kapitalmarktzurückhaltung liegen, haben die Neos für 2023 ausgerechnet. Warum also hält die Bevölkerung immer noch so eisern am Sparbüchel fest und lässt die Börse Börse sein?
Es sind vermutlich auch Fälle wie jener des deutschen Batterieherstellers Varta, die die Menschen Aktien wie den Teufel das Weihwasser scheuen lassen.
Beim Börsengang des Unternehmens wurde den Kleinaktionären dick Honig ums Maul geschmiert, dann wurden sie mit Jubelmeldungen vom Management bei der Stange gehalten, sodass sich der Aktienkurs binnen weniger Jahre vervielfachte, und wenige Jahre später werden sie nun mit Schimpf und Schande davongejagt.
Ganz nach dem Motto: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.
Der Hauptinvestor aber, der Österreicher Michael Tojner, der über die Jahre durch schlaue Aktienverkäufe und Mieteinnahmen an Varta nicht schlecht verdiente, darf gegen eine kleine Geldspritze an Bord bleiben.
Die Enteignung der Altaktionäre
Aber langsam. Das in Deutschland geltende vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren oder, genauer, „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen“ macht es möglich, dass angeschlagene Unternehmen zwar weiterexistieren, Altaktionäre aber schlicht enteignet werden.
Genau das soll nun den Tausenden Varta-Kleinaktionären, darunter auch rund 500 aus Österreich, blühen, deren Aktien zuletzt noch 160 Millionen Euro wert waren. Ihnen wird auch die Möglichkeit genommen, bei einer nun folgenden Kapitalerhöhung von Varta mit dabei zu sein.
Anders als Investor Tojner also, der neben Porsche weiter 50 Prozent am Unternehmen besitzen wird, werden sie an möglichen zukünftigen Gewinnen des Batterieherstellers nicht mehr partizipieren können. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bezeichnet die Kleinaktionäre von Varta deshalb auch treffend als „die Verlierer im Varta-Drama“.
Großaktionär Tojner aber, der sich in der Öffentlichkeit selbst auch gerne als Verlierer in dem Drama darstellt, bleibt als Eigentümer mit dabei. Und das, obwohl er eingesteht, als Aufsichtsratschef von Varta Fehler gemacht, etwa vom Management Risikoanalysen zu spät eingeholt zu haben. Das soll verstehen, wer will.
Ein Blick in die Schweiz offenbart für Kleinaktionäre ähnlich Unverständliches: Dort wurden letztes Jahr Tausende Aktionäre der kriselnden Credit Suisse bei der Fusion mit der Konkurrenzbank UBS „rasiert“. Ihnen ist damals ein Milliarden-Schaden entstanden. Mitspracherecht hatten sie keines. Die UBS hat übrigens kürzlich zum Halbjahr einen überaus hübschen Nettogewinn von 1,1 Milliarden Dollar erzielt. Und die rasierten Kleinanleger fragen sich zu Recht, ob das damals nicht auch anders gegangen wäre.
Zudem sind viele Länder in Europa in den letzten Jahren dazu übergegangen, Hauptversammlungen per Gesetz virtuell abhalten zu lassen. Damit nimmt man vielen Kleinanlegern die Freude an der Teilnahme. Wer hört sich schon gerne stundenlange Präsentationen im Netz an und hat dann auch noch die Geduld, anschließend seine Stimme abzugeben oder sogar Fragen zu stellen? Auch das läuft also ein wenig auf die Enteignung von Kleinaktionären hinaus und ist der Aktienkultur in Europa nicht unbedingt zuträglich.
Solange die Gesetzgeber in Europa all das problemlos durchgehen lassen, brauchen wir das Wort „Kapitalmarktunion“ gar nicht erst in den Mund zu nehmen. Eine Kapitalmarktunion, in der Kleinanleger zunehmend entrechtet werden und nur als Mittel zum Zweck dienen sollen? Das wird so nicht funktionieren.
Ja, an den Börsen kann man Geld verlieren. Viel Geld sogar. Das dürfte sich nun wirklich zur Genüge herumgesprochen haben. Dass Kleinanleger gegenüber kapitalstärkeren und besser vernetzten Großanlegern aber nahezu immer die Verlierer sind, und das mit Billigung der europäischen Gesetzgeber, das ist dem Wunsch der EU, die Aktionärsquote gegenüber jener in den USA anzuheben, aber bestimmt nicht förderlich.
Dafür dürfen sich die Sozialisten freuen, die Aktien immer als Teufelszeug der Kapitalisten bezeichnet haben. Für sie ist der Fall Varta mit seinen vielen kleinen Verlierern bestimmt Wasser auf die Mühlen.
Der Kommentar ist trend. PREMIUM vom 23. August 2024 entnommen.
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