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Alois Czipin: Konkurs trotz erfolgreichem Turnaround

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Alois Czipin, Czipin Produktivitätssteigerungs-GmbH

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Sechs Monate nach Abschluss eines Erfolgsprojektes geht ein wieder profitables Flugunternehmen wegen eines Steuerbescheides pleite.

Alois Czipin berichtet aus erster Hand.

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Der erste Eindruck

Es gibt wenige Branchen, in denen ich noch keine Projekte abgewickelt habe. Eine davon war lange die Luftfahrtindustrie.

Ich bin daher sehr erfreut, als ich vor einigen Jahren die Anfrage eines Bedarfsflugunternehmens erhalte. Der CEO hat es in erstaunlich kurzer Zeit geschafft, sein Unternehmen sehr groß zu machen. Er hat einen One-Stop-Shop geschaffen: vom Ankauf eines Flugzeugs über den Betrieb, die Instandhaltung bis zur Pilotenschule gehört alles zur Angebotspalette. Bei der Präsentation bin ich wirklich beeindruckt. Der Haken an der Geschichte: Das Unternehmen macht nach der Finanzkrise Verlust. Die Bank sorgt sich um ihre Kredite und macht Druck, die Ertragslage zu verbessern.

Die Geschwindigkeit der Auftragsvergabe an mich bricht alle Rekorde. Am Freitag führen wir das erste Gespräch, und bereits am Montag beginnt die Analyse. Ich bin froh über diesen „quick shot“, denn ich habe gerade einige qualifizierte Berater auf der „Bank“ sitzen. Die Analyse bringt unglaubliche Dinge zutage: In unseren Reality-Checks stellen wir Leerzeiten von 70 Prozent und mehr fest. Die Gesetzmäßigkeiten von Wirtschaftlichkeit scheinen außer Kraft gesetzt zu sein – und sind es auch. Es hat sich noch niemand den Kopf darüber zerbrochen, wieviel Zeit einzelne Betriebsprozesse tatsächlich benötigen.

Unsere Berichte ans Topmanagement sind ebenfalls skurril. Es fallen Aussagen wie: „Diese Abteilung kenne ich gar nicht. Was machen die?“ Der Hintergrund: Noch vor zwei Jahren hat die Firma mit Provisionen aus dem Verkauf von Flugzeugen sehr viel Geld verdient. Es wurde aber verabsäumt, in der guten Zeit eine solide Performance-Kultur mit entsprechenden Abläufen und dazu passenden Personalständen zu etablieren.

Zehn Millionen Euro Potential

Wir schnüren ein großes Paket an möglichen Verbesserungen: zehn Millionen Euro schwer ist das Potenzial. Genug, um die Banken zu beruhigen, aber eine Herkulesaufgabe. Wir beginnen mit unserer pragmatischen Methodik, Prozesse exakt zu erheben und Aktivitätslisten zu erstellen. Da viele der Aktivitäten sehr unregelmäßig auftreten und daher zu Bedarfsspitzen führen, setzen wir uns auch mit dem Thema Planung intensiv auseinander und entwickeln bzw. implementieren dafür Systeme.

Als Erstes vereinfachen wir die arbeitsintensivsten Prozesse. Diese bestehen in der aufwendigen Abrechnung der einzelnen beim Einsatz der Flugzeuge entstehenden Kosten für Treibstoff, Überflug und Flughafengebühren etc. Da über jede Aufwandsposition oft monatelang mit den Eigentümern der Flugzeuge „gestritten“ wird, vereinbaren wir, dass zukünftig 90 Prozent dieser Rechnungen sofort bezahlt werden und der Rest nach Klärung der letzten Differenzen. Das spült kurzfristig eine Menge Cash ins Unternehmen.

Die Personalbedarfserhebungen zeigen die vorhergesehenen Ergebnisse. Unser größtes Thema dabei ist, den Führungskräften zu vermitteln, dass sie keine Bösartigkeit unsererseits sind, sondern die Realität widerspiegeln. Oftmals gehen die Emotionen mit den Führungskräften durch. Wir müssen sehr viel Empathie aufbringen, um diese Situationen zu meistern. Nach und nach merkt man es aber an der Belegung der Büros, dass immer weniger Mitarbeiter in den Zentralfunktionen tätig sind

Beim abschließende Audit stellen wir den Projekterfolg endgültig fest.

Alois CzipinUnternehmensberater

Gute Aussichten - Bitteres Ende

Nach sechs Monaten intensiver Arbeit ist der Turnaround geschafft, das Unternehmen schreibt wieder schwarze Zahlen. CEO, Miteigentümer und die Bank sind erleichtert. Im Rahmen einer Schlusspräsentation besprechen wir auch die geschäftlichen Aussichten. Und diese sind sehr positiv. Es gelingt dem CEO mit seinem Vertriebsteam, einige sehr lukrative Flugzeugverkäufe zu arrangieren. Und auch die betreute Flotte wächst. Auf Basis unserer Systeme ist genau feststellbar, wie viele zusätzliche Personen zur Bewältigung des Wachstums notwendig sind.

Ein Jahr nach Ende des Projektes machen wir das abschließende Audit und stellen den Projekterfolg endgültig fest. Das vereinbarte Ziel von zehn Millionen Euro wird um 30 Prozent übertroffen. Wir freu- en uns über das Erfolgshonorar und beenden unsere Tätigkeit mit einem schönen „Closing-Dinner“.

Sechs Monate später schlage ich die Zeitung auf und kann gar nicht glauben, was ich da lese: „Nach einem Steuerbescheid in Höhe von zwölf Millionen Euro geht Bedarfsflugunternehmen in Konkurs!“ Die Folge: Das wieder profitable Unternehmen schließt seine Pforten und ca. 250 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz.

Das noch bitterere Ende: Drei Jahre später wird der Steuerbescheid wegen Unrechtmäßigkeit aufgehoben – um genau drei Jahre zu spät!

Kommentar ist in der trend. PREMIUM Ausgabe vom 29.09. 2023 erschienen.

KommentarBusiness-CLASS

Über die Autoren

Czipin Produktivitätssteigerung-GmbH mit Sitz in Wien und gilt weit über Österreich hinaus als „der“ Produktivitätsexperte. Nach Studium der Handelswissenschaften an der WU Wien und Karrierestart bei einem globalen Beratungsunternehmen gründete er 1985 sein erstes eigenes Unternehmen Czipin & Partner.

Seither fokussiert sich Czipin in seiner Beratungstätigkeit auf den Bereich der Produktivitätssteigerung auch im Nicht-produzierenden Bereich. Erfolge werden dabei durch Reorganisation, Turnaround Management, verbessertes Führungsverhalten, Optimierung durch schlanke Prozesse und bedarfsgerechte Personaleinsatzplanung erzielt. Eines seiner bekanntesten Projekte war die Sanierung von Libro im Jahr 2003. Das Markenzeichen des Hauses, ein roter Elefant, steht für unorthodoxe Beratungsmethoden.

Seit Mai 2017 ist Czipin auch regelmäßiger trend. Kolumnist. Seine reiche Erfahrung teilt er in der Kolumne „BusinessCLASS“.

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