Frauen sollen bestärkt werden, dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Die Ideen dazu zielen aber oft auf Selbstoptimierung ab, erklärt die auf Coaching und Consulting für Frauen spezialisierte Unternehmerin Claudia Novak in ihrem Gastkommentar.
Immer wenn der Weltfrauentag am 8. März näher rückt näher, schickt es sich, über Female Empowerment zu sprechen, ein Schlagwort, das man vielleicht am besten mit "weiblicher Selbstermächtigung" übersetzt. Es geht also darum, Frauen zu stärken, sie zu unterstützen, ihnen "Power" zu geben. Wenn ich um mich blicke, nehme ich bei vielen Frauen, aber auch bei mir selbst, etwas anderes wahr: Viele Empowerte bewegen sich gerade eher in Richtung Burn-out. Ist das Empowerment vielleicht doch nicht so gut für uns? Ist es vielleicht sogar das Gegenteil von gut, nämlich gut gemeint?
In Krisen geht's ums Eingemachte. Sie zeigen, wie es um uns steht. Auch diese Krise offenbarte, dass vor allem Männer die großen Entscheidungen treffen. Die Mehrheit der Frauen hält im Hintergrund die Stellung, abgeschoben ins Homeoffice samt Haushalt und Kinderbetreuung. Von der Emanzipation ist an vielen Orten nur noch das T-Shirt mit dem Slogan "The Future is Female" übrig. Männer hingegen haben plötzlich Zeit. Sie schreiben Kommentare, sitzen in Fernsehdiskussionen. Weibliche Sichtweisen sind sowieso Mangelware, im Moment fehlen sie noch mehr. Wenn jetzt, um den Frauentag herum, wieder vom Female Empowerment die Rede ist, wird das viele sehr müde Frauen erreichen. Und einmal mehr Druck machen.
Denn was versteckt sich hinter diesem Begriff? Oft wird er nur zu einer neuen Form von etwas, das Frauen bereits gut kennen: Sie sind niemals genug. Sie müssen sich ständig optimieren, in noch weniger Zeit noch mehr leisten. Dann machen sie zur hundertsten Fortbildung eben auch noch ein Frauenförderungsprogramm dazu. Oder besuchen Female-Empowerment-Abende, weil man das Netzwerken auch im Homeoffice nicht vergessen soll, obwohl ihnen längst alles über den Kopf gewachsen ist. Dort sehen sie dann Rollenbilder, denen es eben doch gelingt. Frauen, die wirklich alles schaffen. Job, Familie und Hobbys, Netzwerk und Fortbildung, obendrauf das Empowerment von anderen Frauen. Die Powerfrau, es gibt sie also doch!
Das sind auch die Frauen, nach denen heute sehr oft gesucht wird. Kein modernes Unternehmen, das mittlerweile nicht gerne eine solche Frau in die Auslage stellt, weil das seinem Ruf und bei der Suche nach jungen Mitarbeiterinnen hilft, die hoffentlich ganz gleich funktionieren. Doch je perfekter sich diese Frauen unter dem Druck des Rampenlichts inszenieren, desto einschüchternder, ungreifbarer und unerreichbarer wirken sie auf den Rest der Frauen. Dann wird aus dem, was Empowerment sein soll, schnell Druck.
Ich kenne selbst die Untiefen, die Frauen immer wieder davor abhalten, uns in eine solche Exponiertheit zu wagen. Über Jahrhunderte haben wir als Gesellschaft Frauen vermittelt, dass ihre Stimme öffentlich nicht von Bedeutung ist. Diese sozialen Konditionierungen lassen sich nicht einfach abschütteln. Sie stecken tief, machen uns selbstkritisch. Sie halten Frauen noch immer davon ab, das Glas zu erheben und eine Rede zu schwingen oder mit Selbstverständlichkeit das Podium zu betreten. Frauen warten oft auf Bestätigung, kompetent genug zu sein, um sich zeigen zu können. Männer ermächtigen sich selbst ihrer Kompetenz.
Echtes Empowerment funktioniert also nicht über den Druck der Selbstoptimierung. Echtes Empowerment ist Bestärkung zur Selbstermächtigung. Echtes Empowerment bedeutet Selbstfürsorge als nachhaltigen Nährboden für Selbstbewusstsein und Souveränität, für Mut zu Authentizität statt Druck zur Perfektion.
Ich glaube an die Kraft der Polaritäten, an Perspektivenreichtum und Kompetenzenvielfalt, kurz: an Diversität als Schlüssel für eine nachhaltige Gesellschafts- und Unternehmensgestaltung. Dafür braucht es weibliche Kompetenzen und Sichtweisen nicht nur im privaten Innenraum, sondern im öffentlichen Diskurs. Aber auch diese Sichtweisen sollen vielfältig sein und nicht dem einen, oft einschüchternden Muster folgen. Das gilt für Männer übrigens genauso, wie es für Frauen gilt. Denn nur so entsteht echte Diversität, nur so gelingt echte Gleichstellung: wenn sie für alle Männer und Frauen gilt und nicht die totale Perfektion erfordert.
Der Gastkommentar ist der trend.PREMIUM Ausgabe vom 12. Februar 2021 entnommen.
Über die Autoren
Claudia Novak
Claudia Novak studierte Rechtswissenschaften und Strategische Kommunikation in Wien, Paris, Innsbruck und Krems. Sie promovierte im Europarecht und arbeitete als Juristin bei der EU Kommission und in internationalen Anwaltskanzleien sowie als Speakerin und NLP Coach. Als Coach unterstützt sie vor allem Frauen in Sichtbarkeit, Präsenz und Strategie. Weitere Informationen zu Claudia Novak finden Sie auf ihrer Website womenonstage.at