Desgin Thinking für Führungskräfte: Kreative Kraft strategisch nutzen.
©iStockphotoDenken abseits vorgegebener Pfade ist das Brot der Designer. Für konkretes Produktdesign oder Aufträge von Kunden ist aber neben Kreativität auch strategisches Handeln erforderlich. Von dieser Herangehensweise können sich auch Manager und Führungskräfte einiges abschauen. Wie das im Designprozess funktioniert, aber auch im Management und der Führung von Unternehmen gelingen kann.
- Design Thinking - ein Impuls für Führungskräfte
- Learning #1: Verstehe deinen Kunden besser als sie sich selbst
- Learning #2: Die bessere Lösung liegt oft außerhalb des vereinbarten Spielfelds
- Learning #3: Auf Loop-Learning setzen: probieren geht über studieren
- Learning #4: In längeren Zyklen denken
- Learning #5: Design-Mindset in der C-Suite als Schlüssel zum Erfolg
Design Thinking - ein Impuls für Führungskräfte
„Design wird oft missverstanden“, weiß Jasmin Roth, Mitbegründerin der Wiener Kreativ- und Designagentur Cin Cin. „Ästhetik, schöne Formen und Farben, hübsche Verpackungen – das sind die ersten Dinge, die Menschen dabei diesem Thema einfallen.“ Design sei jedoch viel mehr. Ein intensiver, kreativer Prozess, der viel strategisches Denken erfordere.
Im Rahmen ihres MBA-Studiums an der WU Exececutive Academy in Wien erkannte die Unternehmerin und Kreativdirektorin, dass sich ihre Arbeit und die dafür notwendige Herangehensweise auch auf Strategie- und Zukunftsprojekte in Unternehmen umlegen lässt. Und im Austausch mit ihren Kommilitonen und Kunden, Unternehmern und Managerinnen aus dem Bauwesen, der Medizin, dem Kulturbereich oder der Gastronomie, bekam sie nicht nur viel Einblick in die Bereiche Management und Leadership, sondern zog auch den Schluss, dass ihre Perspektive als Designerin auch für die Management-Verantwortlichen sehr nützlich und lehrreich sein kann.
„Designer werden oft mit Künstlern verwechselt. Im Gegensatz zu Künstlern kreieren Designer sie aber nicht um des persönlichen Ausdrucks willen, sondern sie lösen konkrete Probleme im Auftrag ihrer Kunden. In dieser Beziehung wird Design leider immer noch stark unterschätzt“, sagt auch Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy. So sei etwa die Entstehung eines Markenauftritts oder einer Kommunikationsstrategie stark kollaborativer Prozess gemeinsam mit den Kunden.
Aus der Arbeit mit den Managerinnen haben Roth und Stöttinger eine Reihe von Key-Learnings herauskristallisiert, die sich Manager und Führungskräfte von Designern abschauen können. Stöttinger: „Gerade in ungewissen Zeiten brauchen Führungskräfte vor allem zweierlei: Kreativität und Strategie“.
Learning #1: Verstehe deinen Kunden besser als sie sich selbst
Zu Beginn des Designprozesses ist oft noch nicht klar, was am Ende rauskommt. Roths Design-Thinking Ansatz ist daher: Wir agieren ergebnisoffen und finden so die besten Lösungen für die Probleme unserer Kunden.
Häufig kommen Kunden mit Wünschen oder Briefings, die ein Problem nur symptomatisch behandeln, aber nicht an der Ursache ansetzen. Indem wir herausfinden, was das eigentliche Problem ist, starten wir einen gemeinsamen Prozess, der uns tief hinter die Kulissen blicken lässt. Nur so ist es möglich, einen nachhaltigen Mehrwert zu schaffen. Das tut Design nämlich nicht, indem es unreflektiert erfüllt, was ein Auftraggeber verlangt, sondern indem es empathisch analysiert, nachfragt und Lösungen bietet, von denen der Kunde nicht einmal wusste, dass man sie braucht.
Sollte es interne Spannungen geben, werden diese spätestens dann an die Oberfläche kommen. Unerfahrene Kunden kann die Dynamik in so einen Prozess durchaus überraschen. Designer haben hier im Vorfeld vor allem eine beratende und vermittelnde Rolle. Nur, wenn alle Konflikte geklärt oder divergierende Zukunftsvisionen wieder vereint sind, kann die strategisch-konzeptionelle Arbeit beginnen.“
Management-Tipp: Die Auseinandersetzung mit Kunden oder Mitarbeitern als Sparringprozess auf Augenhöhe sehen und dabei auch in die Schuhe des Gegenübers schlüpfen. Indem man versucht, ein Problem sowohl von der Innen- als auch der Außenansicht zu betrachten, kann man neue Zusammenhänge erkennen und es eröffnen sich Perspektiven. Im unternehmerischen Kontext lässt sich diese Vorgehensweise auf Herausforderungen unterschiedlicher Größenordnung anwenden. Sei es der Umgang mit den eigenen Mitarbeitern oder eine Neupositionierung am Markt.
Learning #2: Die bessere Lösung liegt oft außerhalb des vereinbarten Spielfelds
Im Design löst man Kundenprobleme auf kreative Weise. „Wenn wir immer nur Ideen innerhalb eines abgesteckten Rahmens suchen, wird das Ergebnis wenig innovativ sein“, so Barbara Stöttinger. Im Design ist es daher üblich, die Einschränkungen der Kunden erst einmal bewusst zu ignorieren – und darauf zu fokussieren, was für das Ergebnis das Beste wäre.
In Kunden-Workshops nennt Jasmin Roth diese Phase „Wünsch dir was“: „Wir gehen in das sogenannte Re-Briefing und sammeln die kühnsten Ideen und Visionen der Kunden, auch wenn sie noch so unrealistisch sind. Erst danach passen wir die konkret umzusetzenden Punkte den – zumeist limitierenden – Rahmenbedingungen wie Budget, Machbarkeit oder Zeitvorgaben an. Das allein bringt schon viele neue Ansätze, auf die der Kunde sonst nie gekommen wären.“
Der große Unterschied jedoch ist, dass von einem Ideal weggearbeitet wird, das möglichst schonend adaptiert wird, und nicht versucht wird, eine ohnehin nur mittelmäßige Lösung weiter zu adaptieren. Wenn im Prozess herauskommt, dass man mit anderen Maßnahmen, als im ursprünglichen Briefing definiert, die Zielgruppe bester erreicht, sind die Kunden auch bereit, ihre Vorstellungen bzw. das Briefing anzupassen.
Management-Tipp: Wenn Sie in hierarchischen Strukturen innovativ denken wollen, brauchen Sie Mut, Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen. Denn vorauseilender Gehorsam, die eigenen Befürchtungen, oder Einwände Ihrer Kunden und Kollegen werden versuchen Sie immer wieder auszubremsen. Und genau hier sind vor allem zwei Voraussetzungen entscheidend: Ein starkes Vertrauen in die eigene Intuition – und natürlich ein Umfeld und Vorgesetzte, die das zulassen. Wichtig sei, sich dabei immer selbst zu fragen: „Treffe ich diese Entscheidung, weil ich davon überzeugt bin – oder weil meine Führungskraft, Kunde oder ein Shareholder das von mir erwartet?“
Learning #3: Auf Loop-Learning setzen: probieren geht über studieren
In Designprozessen wird viel ausprobiert und in iterativen Schleifen eine Lösung erarbeitet. Für Designer ist immer alles im Flow. Es wird ständig iteriert, angepasst, optimiert. Einen finalen bzw. statischen Zustand gibt es nicht. Fehler sind wichtige Quellen des Lernens und wertvolle Erkenntnisse.
Management-Tipp: Dieses Mindset kann für Manager vor allen in turbulenten Zeiten von Nutzen sein. In einem dynamischen Umfeld kann eine Entscheidung, die gestern noch gut und richtig war, morgen falsch sein. Die eigenen Entscheidungen in einem veränderten Kontext in Frage zu stellen, ist keine Zeichen von Schwäche, sondern vielmehr von Wachsamkeit und Flexibilität.
Learning #4: In längeren Zyklen denken
Die Positionierung eines Unternehmens am Mark, sei es mittels strategischer Kommunikation oder visuellem Branding, ist keine einmalige Sache: „Es ist vielmehr ein Prozess, denn über die Jahre verändern sich Unternehmen, Branchen, Zielgruppen oder der gesellschaftliche Kontext. Daher müssen sich auch die Art, wie kommuniziert wird, und die Außendarstellung eines Unternehmens natürlich auch weiterentwickeln“, so Stöttinger. Designer denken in der Regel in kurz-, mittel- und langfristigen Zyklen. Infolgedessen entfaltet sich auch der unternehmerische Wert von Design je nach Projekt einmal kurzfristig, ein anders mal langfristig.
Management-Tipp: Unser schnelllebiges und performancegetriebenes Umfeld verlangt immer nach schnellen Ergebnissen. Das (Design-)Investment von diesem Quartal, muss im Folgequartal einen positiven Impact zeigen, um weiter verfolgt zu werden. Hier wäre es ratsam, in längeren Zyklen denken zu können, weil es manchmal eben in der Natur der Sache liegt, ihre Wirkung über die Zeit zu entfalten.
Learning #5: Design-Mindset in der C-Suite als Schlüssel zum Erfolg
Sowohl der Design Value Index des Design Management Institute als auch darauf aufbauende Erhebungen von McKinsey beweisen, dass Design-centered Companies den S&P 500 um rund 200% outperformen.
Manche dieser Unternehmen haben im Top-Management einen Chief Design Officer (CDO) sitzen. Und das hat einen guten Grund, so Jasmin Roth: „Bei Apple dreht sich beispielsweise deshalb alles um Design, weil es in der Unternehmenskultur verankert ist. Es ist kein add-on, das spät im Produktentwicklungsprozess hinzukommt, sondern steht von je her im Zentrum aller Überlegungen. Nur, wenn in einem Unternehmen ein Designbewusstsein vorhanden ist und gefördert wird, kann der potenzielle Mehrwert von Design auch voll ausgeschöpft werden. Der Stellenwert, den Design in einem Unternehmen einnimmt, bestimmt zwei wichtige Faktoren:
Erstens die Erwartungshaltung an Design. Ist diese hoch wird Design oft eingesetzt, ist sie niedrig bekommt Design vielleicht nie eine faire Chance seine volle Wirkung zu entfalten.
Zweitens, ob Design als Ausgabe oder Investment wahrgenommen wird. Das ist vor allem eine Frage des Mindset: Verbuche ich Design und alles, was damit verbunden ist, so wie viele andere „Ausgaben“ als reine Kosten, oder sehe ich Design als langfristiges Investment mit der Chance auf einen langfristigen ROI?
Management-Tipp: In einem Unternehmen mit wenig Design Awareness ist es vor allem im mittleren Management schwer Designentscheidungen durchzubringen, weil man sowohl nach oben als auch nach unten auf Unverständnis stößt. Was helfen kann ist, Allianzen zu bilden. Am besten abteilungsübergreifend Mitstreiter für eine neue Idee finden, bevor man sie an einen wichtigen Entscheidungsträger heranträgt. Hier kann man auch Inspiration aus dem kollaborativen Arbeiten im Design ziehen. An Designprojekten arbeiten oft cross-functional Teams und unterschiedliche Experten mit verschiedenen Skill-Sets. Es ist die diverse und breite Mischung im Team, die den Erfolg mit ausmacht.
Über die Autoren
Jasmin Roth
Jasmin Roth Chefin der Cin Cin Creative Studios in Wien, einer Kreativagentur für Design und Creative Consultancy, die sie gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Stephan Göschl leitet.
Barbara Stöttinger
ist Dekanin der WU Executive Academy. Sie absolvierte ihr Doktoratsstudium an der WU und habilitierte sich 2003 im Fachbereich Internationales Marketing.
Vor ihrer Zeit am Institut für Internationales Marketing Management war sie im Marketing eines internationalen Konsumgüterherstellers (Consumer Electronics) und in der Beratung tätig. Forschungsaufenthalte führten sie unter anderem längere Zeit in die USA und Kanada. Darüber hinaus arbeitet Barbara Stöttinger seit Jahren als Vortragende für Marketing und Internationales Marketing in Europa, Asien und Nordamerika und wurde mehrfach mit Teaching Awards ausgezeichnet.