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EY-Partnerin Zach: "GenAI ist eine Revolution"

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Susanne Zach, Partnerin beim Unternehmensberater EY

©EY Österreich/Christina Haeusler
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SUSANNE ZACH, Data und AI Lead bei EY Österreich, hält Künstliche Intelligenz (KI) für eine Revolution, die nicht den Menschen ersetzt, sondern neue Karrieremöglichkeiten und Chancen bringt - bei Konzernen wie im österreichischen Mittelstand.

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2023 wird wohl als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem der umfassende Siegeszug von KI begonnen hat. Vor allem am Arbeitsplatz sind die Erwartungen an die neue Technologie hoch. Ist das berechtigt?

Susanne Zach

In der Tat kommt einem durch den Hype fast so vor, als wäre KI erst im Jahr 2023 entstanden - die Entwicklung dauert aber bereits länger, und auch GenAI-Lösungen wie ChatGPT und Microsoft Copilot sind nur Zwischenstufen und markieren noch keinen Endpunkt.

Die Arbeitswelten verändern sich durch den Siegeszug von KI massiv, doch es geht nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern darum, ihre Erfahrungen und ihre Arbeitswelten zu bereichern.

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Wie wird KI die Arbeitswelten verändern? Wo wird die Transformation beginnen - etwa in daten-und arbeitsintensiven Bereichen wie Steuern, Verträge, Finanzierungen?

Susanne Zach

Die typische Frage von Unternehmen ist, wie sie GenAI beispielsweise in Marketing oder Controlling nutzen können, aber auch in anderen Bereichen steigt die Nachfrage. Wir beobachten am Markt drei Entwicklungen.

Erstens, dass das höchste Automatisierungspotenzial im Finanzbereich gegeben ist - dort lassen sich bis zu 80 Prozent sämtlicher Prozesse mit der Hilfe von GenAI abbilden -, aber auch andere Branchen enorm von den neuen Möglichkeiten profitieren können.
Zweitens, dass die Technologie nicht um der Technologie willen eingesetzt werden muss, sondern um bestehende Businessprobleme datengetrieben zu lösen. Damit merken immer mehr Unternehmen, dass sie in den Bereichen, wo der "Schuh drückt", sehr viel von GenAI erwarten können.

Drittens sind Erfolgsgeschichten anderer Unternehmen für "KI-Newcomer" sehr wichtig.

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Welche erfolgreichen Use Cases gibt es bereits - ohne Unternehmensnamen zu nennen?

Susanne Zach

Überall, wo Entscheidungen auf historischer Basis gemacht werden, ist der Zugewinn enorm. So lassen sich mit KI-Unterstützung bei den Finanzen um 30 Prozent genauere EBIT-Prognosen erstellen.

Aber auch eigene Chatbots auf der Basis von ChatGPT oder erfolgreiche Use Cases mit Microsoft Copilot gibt es bereits. Auch im Finanzbereich, wo aufgrund des Barrierefreiheitsgesetzes ab 2025 alle Produkte auch in einfacher Sprache verfügbar sein müssen, kommt KI erfolgreich zum Einsatz. Auch im Einzelhandel gibt es einen deutlichen Push, denn durch GenAI mit Kundeninteraktion kann der Bereich Customer Service komplett automatisiert werden. Und im Gesundheitswesen ist das Interesse hoch, aber selbst in der Landwirtschaft können Prozesse mit KI digitalisiert werden. In Sachen Cybersecurity, die ja sämtliche Unternehmen und Branchen betrifft, kann die KI-Unterstützung ebenfalls sehr hilfreich sein. Aber auch bei der Energiewende ist KI im Vorteil, etwa beim ESG-Reporting, aber auch in der Produktion.

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Trotz des aktuellen Sparzwangs ist KI ein Bereich, wo Unternehmen verstärkt investieren. Laut einer aktuellen EY-Umfrage setzen global sogar sieben von zehn CEOs auf beschleunigte KI-Investitionen und stellen ihre F&E-Budgets entsprechend um. Gilt das auch für Österreich?

Susanne Zach

Ja, das gilt auch hier zu Lande - einerseits aus dem inneren Bedürfnis, Geschäftsprozesse zu optimieren und Strategien neu aufsetzen, andererseits, weil überall Pensionierungswellen anstehen und KI bei der Behebung des drohenden Personalmangels eine entscheidende Rolle spielen kann. Die Unternehmen beginnen daher, Personal in diesem Bereich aufzubauen, wobei es ratsam ist, Data Scientists zu beschäftigen, denn es gilt, die Datenqualität im Unternehmen nachhaltig zu verbessern, damit ein Mehrwert aus KI gezogen werden kann. Dass die Business Cases im Vorhinein schwer berechenbar sind, wirkt manchmal noch als Investitionsbremse, hier können wir aber beraten und zeigen, dass ein Minimal Viable Product mit einem Proof Of Concept der bessere Weg ist und auch weniger kostet. Auch Förderungen gibt es, die sogar KMU nutzen können.

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Sind Unternehmen im Vorteil, die Digitalisierung in der Führungsebene -beispielsweise durch einen Chief Digital Officer - implementiert haben?

Susanne Zach

KI muss in Unternehmen immer ein Teil der Digitalisierungsstrategie sein, Insellösungen bringen keine nachhaltigen Erfolge. Daher ist das Bewusstsein im Management von entscheidender Bedeutung: Es gilt, die Potenziale zu heben und die Chancen zu nutzen. CEOs sollten eng mit ihren Chief Digital Officers (CDOs) und Chief Technical Officers (CTOs) zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Erwartungen und strategischen Pläne rund um KI angesichts der aktuellen Ressourcen und Kompetenzen im Unternehmen umsetzbar sind. Wir haben sehr viele Workshops für die Führungsebenen unserer Kunden, wo wir das Thema KI sehr genau durchgehen und besprechen, wie das Geschäftsmodell transformiert werden kann.

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Gerade KMU gelten in Sachen Digitalisierung nicht immer als Musterschüler. Wird sich das durch KI-Lösungen ändern?

Susanne Zach

Wir erstellen jedes Jahr eine Studie zum Fortschritt der Digitalisierung in Österreichs Mittelstand, und dabei zeigt sich, dass KMU vor allem aufgrund ihrer Größe im Nachteil sind - Digitalisierung erfordert einiges an Investitionen in Personal und Know-how. GenAI kann hier einen Turbo zünden, weil diese einfacher anzuwenden ist und weniger kostet, zumal es für KMU auch sehr attraktive Förderungen in diesem Bereich gibt. Daher erwarte ich einen Paradigmenwechsel: Wir werden von sehr vielen KMU kontaktiert, die stark an KI-Lösungen interessiert sind.

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EY hat mit EY.ai eine Plattform gestartet, die Unternehmen bei der Einführung von GenAI-Lösungen umfassend unterstützt. Was kann diese Plattform? Wie ist das Interesse in Österreich?

Susanne Zach

EY.ai ist eine zentrale Plattform, die das Know-how der gesamten Organisation bündelt. Sie verbindet EY-Technologieplattformen und KI-Kapazitäten mit den Bereichen Strategie, Transaktionen, Transformation, Risiko, Versicherung und Steuer, denn die Einführung von KI ist in jedem Unternehmen mehr als nur eine technische Herausforderung. Wir haben auch Allianzen mit wichtigen Technologieführern wie Microsoft oder SAP und helfen mit Enablers, Unternehmen zu zeigen, wo sie sich auf der KI-Reise befinden und welche Maßnahmen sie noch setzen sollten.

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Warum ist Beratung bei der Einführung von GenAI essenziell? Welche Fallen gilt es zu vermeiden?

Susanne Zach

Unser Credo und unsere Vision für Unternehmen lauten, sicherzustellen, dass KI nicht Menschen ersetzt und vertrauenswürdig aufgesetzt wird. Wir unterstützen Unternehmen daher auf drei Ebenen: strategisch, durch Use Cases, aber auch durch Vertrauensmanagement und Schulung. Denn wir wollen aufzeigen, dass GenAI nicht nur praktisch ist und einen Mehrwert bringt, sondern auch hinterfragt und von Menschen überwacht werden muss.

Prompting ist ein wichtiger Punkt - schließlich ist der Umgang mit KI eine neue Fähigkeit, die wie alle anderen erst erlernt werden muss. Denn auch wenn viele denken, dass sie mit KI noch nichts zu tun hatten: Jeder, der im Internet surft oder E-Commerce nutzt, ist heute täglich mit KI konfrontiert.

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Droht durch KI ein "Jobkahlschlag", oder werden im Gegenteil sogar neue Jobs geschaffen? Und in welchen Bereichen?

Susanne Zach

Zu beiden Meinungen gibt es derzeit glaubwürdige Studien, daher ist die Entwicklung aus aktueller Sicht objektiv betrachtet noch sehr unsicher. Wichtig wäre auf jeden Fall, im Bildungswesen anzusetzen und sich zu fragen: Wie werden sich Berufsbilder verändern? Welche Jobs wird es in zehn Jahren nicht mehr geben, welche kommen hinzu? Ich bin überzeugt, dass die Chancen überwiegen und durch KI neue Karrieremöglichkeiten geschaffen werden - wenn die Chancen früh erkannt und entsprechend genutzt werden.

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In den vergangenen Monaten wurden die Gefahren der neuen Möglichkeiten, Stichwort "Godlike KI", in der Öffentlichkeit thematisiert. Was ist davon zu halten?

Susanne Zach

KI als neue Religion halte ich für überzogen, auch die Gefahr, dass Maschinen die Menschen auslöschen werden, sehe ich nicht. Ich erwarte durch KI eine menschenzentrierte Transformation der gesamten Gesellschaft, bei der neue Quellen für Wachstum erschlossen werden. KI ist in diesem Sinne wie das neue Alphabet - und wir sollten uns nicht vor der neuen Technologie verschließen und zu "KI-Analphabeten" werden.

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Was ist in diesem Zusammenhang vom gerade beschlossenen AI Act der EU zu halten - läuft Europa nicht Gefahr, durch Überregulierung die Technologieführerschaft an andere Regionen zu verlieren?

Susanne Zach

Der AI Act ist ein umfassendes Gesetz, dass neue Rahmenbedingungen schafft und dabei auch bewusst Themen wie "AI-Paranoia" oder "AI-Missbrauch" berücksichtigt. Wir beschäftigen uns sehr stark mit dem AI Act und unterstützen Unternehmen dabei, gezielt Maßnahmen zu setzen, welche die künftigen Regulatorien erfüllen. Aber nicht nur, um gesetzeskonform zu sein, sondern auch, um die neue Technologie verantwortungsvoll zu nutzen.

Wobei es die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehr wohl braucht: GenAI ist eine Revolution, weil sie KI für jeden zugänglich und nutzbar macht. Dass gar keine KI-Expertise notwendig ist, um die Technologie zu nutzen, ist in der Tat etwas Neues - das wird unser aller Leben nachhaltig verändern.

Zur Person

Susanne Zach [1981] ist Partnerin bei EY Österreich und leitet das Data &AI Team mit Spezialistinnen und Spezialisten in den Bereichen künstliche Intelligenz (KI), Data Science, Intelligente Prozessautomatisierung, Data Governance und Sustainability Tech.

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Das Interview ist aus trend. edition+ vom Dezember 2023.
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