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Wann wird KI die ersten Manager stürzen?

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Virtuelle Führungskräfte: Executive Search Spezialist Franz Heimel zur Frage, wann KI-Avatare Führungsfunktionen übernehmen werden.

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KI-Technologien greifen unaufhörlich in weitere Bereiche der Lebens- und Arbeitswelt ein. Unternehmensberater und Executive Search Spezialist Franz Heimel verfolgt in seinem Gastkommentar den Gedanken, dass eine KI eine Führungsrolle in einem Unternehmen übernimmt.

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Der neue Vorgesetzte: Niki, der Avatar

Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach dem Urlaub ins Büro und stellen fest, dass Ihre direkte Führungskraft gekündigt wurde und Sie ab sofort an einen Avatar berichten. Sowohl der Name, Niki, als auch das Aussehen des Avatars sind bewusst geschlechtsneutral gewählt.

Beim Öffnen Ihres E-Mail-Accounts finden Sie die erste Nachricht von Niki. Niki heißt Sie herzlich willkommen und freut sich auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Außerdem ersucht Sie der Avatar, die beigefügten Informationen aus Ihrer Personalakte aufmerksam durchzulesen, ein aktuelles Foto, nicht älter als einen Monat, hochzuladen und die fehlenden Informationen noch vor Beginn des ersten Team-Meetings zu ergänzen.

Für 10:00 Uhr ist das erste Team-Meeting angesetzt. Alle im Büro Anwesenden treffen sich im Besprechungszimmer „Innovation“, alle anderen schalten sich virtuell zu. Niki erscheint dreidimensional auf dem Screen, begrüßt Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen mit Ihrem Namen und schlägt für die gegenseitige Anrede das verbindende Du vor. Sofort erscheinen die Teamziele auf dem Screen, zusammen mit dem Erreichungsgrad per Stand Freitag letzter Woche. Die Zahlen sind deutlich schlechter als bisher kommuniziert wurde. Sie überrascht auch der Detailierungsgrad. Bis jetzt gab es noch keine Auswertungen auf Tagesbasis. Obwohl offensichtlich vorhanden, wurden die Auflistungen je Teammitglied aus Datenschutzgründen nicht gezeigt.

Obwohl Niki einen freundlich-kollegialen Ton anschlägt, können Sie ein Gefühl der Beklemmung nicht ganz unterdrücken. Die personifizierte KI zeigt sich sehr verständnisvoll für die aktuelle Situation und legt gleichzeitig, ohne zu zögern den sprichwörtlichen Finger auf alle wunden Punkte in der internen Organisation, in der Team-Performance und in liebgewonnenen Arbeitsgewohnheiten. Auch kein noch so kleiner Aspekt scheint der tiefgehenden Analyse entgangen zu sein.

Am Ende des Meetings präsentiert Niki einen Zeitplan für Einzelgespräche. Mit dem aktuellen Teamkalender als Basis wurden die optimalen Zeitfenster ermittelt und bereits fix zugeteilt.

Die virtuelle Führungskraft

Dieses Szenario ist zwar heute noch nicht Realität, aber die Grundlagen dafür sind bereits vorhanden. Es gibt Avatare, die Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen beraten. Im privaten Bereich sorgen sie für den typgerechten Fitness-Plan, die effiziente Zeitplanung und die Bestückung des Kühlschranks. Sie schreiben Bewerbungsunterlagen und bereiten auf Vorstellungsgespräche vor, trainieren richtiges Verhalten in bestimmten Situationen und lösen sogar komplexeste Führungsaufgaben. Wenn Sie als Führungskraft eine Konfliktsituation beschreiben und ChatGPT nach der richtigen Vorgehensweise fragen, erhalten Sie eine konkrete Handlungsanleitung, Schritt für Schritt, und zusätzlich eine Reflexion, warum die einzelnen Schritte erforderlich sind.

Fragt man ChatGPT, ob KI auch Führung übernehmen kann, wird das derzeit noch verneint. Es sind die Bereiche emotionale Intelligenz, Vision und Strategie, Ethik und Übernahme von persönlicher Verantwortung sowie die Motivation durch das zwischenmenschliche Miteinander, die nach wie vor uns Menschen vorbehalten bleiben. Damit wurde bei der Programmierung der Anspruch an Führung und Führungskräfte hoch angesetzt.

Vergleicht man dies mit den Definitionen führender Managementdenker der letzten Jahrzehnte, erscheint die Definition von Führung weitaus weniger anspruchsvoll.

  • Peter Drucker, einer der renommiertesten Managementtheoretiker des 20. Jahrhunderts, schreibt: „The only definition of a leader is someone who has followers.”

  • John P. Kotter, Experte für Change Management, definiert in A Force for Change: How Leadership differs from Management: „Leadership is the process of moving a group (or groups) in some direction through mostly noncoercive means”. Gemäß diesen beiden Denkern ist der Algorithmus, der unser virtuelles Leben bestimmt, ein „Leader“. Er bestimmt, welche Nachrichten wir zu lesen bekommen, welche Warenangebote uns erreichen und welche Urlaubsreisen wir buchen – und das alles ohne Zwang, was nach Kotter die Voraussetzung für Führung erfüllt.

  • In seinem Buch Leaders: Strategies for Taking Charge definiert Warren Bennis: „Leadership is the capacity to translate vision into reality." Bennis setzt implizit voraus, dass ein Leader Visionen hat, aber erst die Fähigkeit, diese auch wahrwerden zu lassen, zeigt die wahre Leadership-Fähigkeit. Diese Definition trifft den derzeit noch die „Achillesferse“ der KI: die Fähigkeit, kreativ nach vorne zu denken und Neues entstehen zu lassen.

Eine Frage der Ethik und der Moral

Ein offener Punkt in der Diskussion um KI und Führung ist die Frage nach Ethik und Verantwortung. Während KI-Systeme immer besser darin werden, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und Prozesse zu optimieren, stellt sich die Frage, wer für die Konsequenzen dieser Entscheidungen verantwortlich ist.

In traditionellen Führungssituationen liegt die Verantwortung für Entscheidungen bei den Führungskräften, die ethische Abwägungen treffen und für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden können. In letzter Konsequenz trägt die Geschäftsführung die Gesamtverantwortung für das Unternehmen. Doch was passiert, wenn eine KI falsche Entscheidungen trifft oder unerwartete negative Konsequenzen auftreten? Wer stellt sich dann der Verantwortung – der Entwickler der KI, der Nutzer oder niemand?

Diese Fragen sind nicht nur theoretisch, sondern haben praktische Relevanz. Schon heute müssen Unternehmen sicherstellen, dass ihre KI-Systeme transparent und nachvollziehbar arbeiten, damit im Ernstfall klar ist, auf welcher Basis eine Entscheidung getroffen wurde. Zudem muss die Verantwortung für ethisch sensible Entscheidungen weiterhin bei Menschen liegen, die in der Lage sind, moralische und soziale Konsequenzen in ihre Überlegungen einzubeziehen.

Die Integration von KI in Führungsprozesse bringt daher nicht nur technische, sondern auch erhebliche ethische Herausforderungen mit sich. Es ist unerlässlich, dass diese Technologie verantwortungsvoll eingesetzt wird und klare Richtlinien für den Umgang mit ethischen Fragen entwickelt werden.

Zurück in der Realität: Führungskräfte brauchen KI

Ich möchte nochmals auf das Szenario zu Beginn zurückkommen. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass vorhandene Informationen und Daten nicht strukturiert erfasst und verarbeitet werden. Die IT-Systeme bilden nicht die Vielfalt der Prozesse im Unternehmen ab, und viele Entscheidungen werden nicht fact-based, sondern intuitiv getroffen. Je besser es gelingt, die vorhandenen Daten mittels KI zu analysieren, desto fundierter kann das Management Entscheidungen treffen. KI kann, wenn richtig eingesetzt, zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für Führungskräfte werden, da dadurch enorm viel Zeit produktiver genutzt werden kann. Führungskräfte brauchen KI, um Fachthemen, Routine- und Kontrollaufgaben effizient und verlässlich delegieren zu können. Die dadurch gewonnene Zeit wird schon seit langer Zeit dringend benötigt, um sich den wahren Führungsaufgaben zu widmen: dem unternehmerischen Blick nach vorne, Mut und Risikobereitschaft, neue Wege zu gehen sowie der Fähigkeit, Menschen zu begeistern und ihrer Arbeit Sinn zu verleihen.

Der Einzug von KI in die Führungsetagen findet bereits statt. Das chinesische Unternehmen NetDragon Websoft hat 2022 einen KI-basierten virtuellen CEO eingeführt, der im Sinne der oben beschriebenen Einschränkungen Managementaufgaben im Bereich der Analyse und Verarbeitung von Daten abdeckt, damit sich die menschlichen Führungskräfte auf die strategischen Aufgaben konzentrieren können. Während repetitive Aufgaben deutlich abnehmen, wird der Bedarf an kreativen Jobs deutlich steigen. Gleichzeitig wird aber noch mehr auf das Miteinander und den „Wohlfühlfaktor“ am Arbeitsplatz geachtet werden müssen. Die Förderung der künstlichen Intelligenz muss Hand in Hand gehen mit einer höheren Wertschätzung für den Menschen im Leistungsprozess.

Niki ist bereits seit über einem Jahr Ihre Führungskraft. Die ersten Monate waren schwierig. Einige Kolleginnen und Kollegen haben das Unternehmen verlassen, da sie sich durch das engmaschige Controlling und die Fokussierung auf die jeweiligen Kernthemen zu sehr in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlten. Ehrlicherweise hat sich jedoch durch diese Veränderung auch das Teamklima sukzessive verbessert. Die Kommunikation untereinander ist offener geworden. Wenn Fehler passieren, werden sie direkt angesprochen, und es wird nicht abgewartet, ob wohl jemand etwas bemerkt. Inzwischen haben sich auch alle an die Besonderheit von Niki gewöhnt, die/ der manchmal unvermutet auf dem Screen auftaucht und Hallo sagt. Üblicherweise erkundigt sich der Avatar nach dem Fortschritt eines bestimmten Projekts und gibt Tipps, um gewisse Dinge besser zu machen. Gestern überraschte Sie Niki erstmals mit einer persönlichen Frage und wollte wissen, was Sie sich zum Geburtstag wünschen würden.

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