DER PROFESSOR UND DER AUTOR am Campus in Stanford: Jeffrey Pfeffer (i.B.li.) erklärt plastisch die Unterschiede zwischen amerikanischem und europäischem Unternehmertum.
©beigestelltWieder einmal zehn Tage an der Stanford University, Und wieder einmal ein langes Treffen zwischen mir, einem stolzen Absolventen, und Professor JEFFREY PFEFFER, einem der international renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler und Managementexperten. Er ist seit 45 Jahren Professor für Organisationstheorie in Stanford und Autor des Bestsellers "Paths to Power".
Inmitten der pulsierenden Energie des Campus tauschten wir Gedanken über sein Buch und dessen zentrale Themen aus, über das, was Erfolg bedeutet, und das, was oft verkürzt darunter verstanden wird: Macht, genauer: Wege zur Erringung, Entwicklung und Absicherung von Macht.
Dabei werden mir immer wieder die großen kulturellen Unterschiede zwischen Amerikanern und Europäern vor Augen geführt, die sich gerade bei diesem Themenkomplex bemerkbar machen. Pfeffer hat als Professor auf der weltweit wichtigsten Business School internationale Kompetenz erworben, als Vordenker wie auch als Praktiker. Seine jahrzehntelange Forschung und seine Zusammenarbeit mit einflussreichen Persönlichkeiten wie Eric Schmidt (Ex-Chef von Google) oder Mark Zuckerberg (Gründer von Facebook) verleihen seinen Ansichten über Macht und Erfolg besonderes Gewicht.
Seine zentrale These, niedergeschrieben auch in zahlreichen Skripten in Stanford, lautet: Der Erfolg eines Unternehmens hänge vorrangig von dem ab, was Pfeffer "Interaktionen mit der Umwelt" nennt. Ein konkretes Beispiel für die Abhängigkeit eines Unternehmens von seinen Ressourcen: Ist etwa in einer Fast-Food-Kette die Arbeitszufriedenheit der Belegschaft eher gering, hat das für diese weniger Bedeutung als in einem Spitzenlokal, weil die meist vielen ungelernten Arbeitskräfte bei großer Unzufriedenheit leichter zu ersetzen sind als hochqualifizierte.
Eine Organisation/Firma muss eine Balance finden zwischen den verschiedenen Abhängigkeiten - durch Anpassungen, Fusionen, Einflussnahmen über neue Aufsichtsratsmitglieder oder Joint Ventures mit anderen Organisationen.
Es bestehe eine Tendenz, die Leitung für schlechte Ergebnisse anzuschwärzen, umgekehrt die Tendenz der Leitung, sich mit guten Ergebnissen zu brüsten. "Normales" negatives Ergebnis: Wenn die Lage besonders schlecht ist, wird die Leitung häufig ausgetauscht.
Die Machtentwicklung
Genug der theoretischen allgemeinen Erörterungen über solche wohl international gültigen Gründe für Erfolge und Misserfolge. Was sind die Unterschiede zwischen europäischen und amerikanischen Unternehmenskulturen? Pfeffer: "Einer der auffälligsten Unterschiede zwischen Amerikanern und Europäern ist die Art und Weise, wie sie mit Erfolg umgehen. In den USA wird Erfolg oft offen und enthusiastisch gefeiert, während in vielen europäischen Kulturen eine gewisse Zurückhaltung und Bescheidenheit vorherrscht, zumindest vorgetäuscht."
Persönliche, leicht scherzhafte Bemerkung zu mir, der fast jedes Jahr als Gasthörer seine Klasse besucht: "Sie sind eine homogene Mischung aus beiden Kulturen, mich reizt es, diese Konfliktlinien bei Ihnen herauszuarbeiten."
Diese kulturellen Unterschiede erstrecken sich auch auf die Machtentwicklung. Professor Pfeffer betonte, wie amerikanische Geschäftsleute oft offener über ihre Ambitionen sprechen und aktiv nach Möglichkeiten streben, ihren Einfluss zu erweitern. Im Gegensatz dazu neigen Europäer dazu, zumindest scheinbar zurückhaltender zu sein und Macht eher als Mittel zum Zweck zu betrachten anstatt als Selbstzweck.
Völlige Zustimmung meinerseits: Als US-geprägter Anwalt und Unternehmer tue ich mir mit der österreichischen Art des Herumredens schwer. Deals werden bei uns oft von ängstlichen, auch politisch gefärbten Überlegungen geprägt, viele Entscheidungsträger in Österreich tun sich schwer, nach einem Meeting einfach zu sagen, "kein Interesse" oder "so machen wir es".
Fazit: Wir reden einfach abwartend herum und verschwenden oft die Zeit unseres Gegenübers.
Auch Peiffer packt jetzt persönliche Erfahrungen aus, erzählt etwa von vielen Treffen mit Persönlichkeiten wie Eric Schmidt, dem ehemaligen CEO von Google, der ihn mit seiner Vision und Entschlossenheit beeindruckt habe: "Schmidt ist ein Meister darin, Macht auf subtile, aber effektive Weise auszuüben. Seine Fähigkeit, komplexe Organisationen zu lenken und dabei Innovation und Wachstum zu fördern, ist bewundernswert."
Aber Pfeffer erinnert sich auch an Begegnungen mit Mark Zuckerberg, der ihn als unerschrockene Person mit klarem Ziel beeindruckte. "Zuckerberg ist ein perfektes Beispiel dafür, wie ein einzelner Mensch mit einer Vision die Welt verändern kann", sagte er. "Seine Entschlossenheit, seine Ideen voranzutreiben, hat ihn zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten unserer Zeit gemacht."
Kritische Zwischenbemerkung: Pfeffer bewertet dabei allfällige finanzielle oder moralische Probleme nicht, es geht ihm ausschließlich um die "interne" Analyse von Macht und Erfolg, nicht um "externe" Faktoren wie das nötige Geld für dauerhaften Aufstieg und Erfolg - vielleicht auch ein Unterschied zwischen den diesbezüglich "wertfreieren" USA und dem "moralischeren" Europa.
Die Beziehungspflege & Feiern des Erfolgs
Ein solcher Unterschied gilt nicht für eine Schlusssequenz unseres Gesprächs: "Jedenfalls ist eine der Schlüsselkomponenten für Erfolg die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. In der heutigen vernetzten Welt ist es entscheidend, starke Beziehungen zu knüpfen, sei es zu Kollegen, Mentoren oder Geschäftspartnern", erklärte Pfeffer. "Diese Beziehungen können Ihnen Zugang zu Ressourcen verschaffen, die Sie allein möglicherweise nicht hätten."
Dann gibt es doch noch spezielle Ratschläge für Europäer: "Seien Sie selbstbewusster, lernen Sie, Ihre Erfolge zu feiern", rät er. "Investieren Sie in Ihr Netzwerk und seien Sie bereit, alle Chancen zu ergreifen, die sich Ihnen bieten. Vor allem: Haben Sie eine klare Vision und arbeiten Sie hart daran, sie zu verwirklichen."
Jungen Berufseinsteigern empfiehlt er, "ein bis zwei Monatsgehälter in PR-Berater zur Entwicklung eines eigenen Narratives zu investieren".
Diese Empfehlungen werden sicher nicht allzu viele Europäer befolgen, vor allem nicht viele Österreicher: Dass erst das Investieren ins eigene Ich auf allen Ebenen, fachlich wie menschlich, zu Erfolgen führt, wurde unseren Kindern und deren Eltern jahrelang bereits im Schulsystem abgewöhnt.
Trotz mancher Fortschritte gilt noch immer das Untertanenprinzip, bloß nicht zu selbstständig denken, besser die Schule erfolgreich durch Anpassung absolvieren, nicht durch außergewöhnliches Engagement auffallen.
Man darf zwar bei uns nach Macht streben, soll aber besser nicht darüber sprechen - wohl auch ein Überbleibsel unseres langen Untertanenstaates in vielfältiger Form seit der Monarchie, in dem es gefährlich werden konnte, allzu ambitioniert zu sein.
Zur Person
Robin Lumsden ist Anwalt in Wien, New York und Washington. Zwei Jahre verbrachte er an der US-Eliteuniversität Stanford. Seine Arbeit als Anwalt und die dort gewonnenen Erfahrungen verarbeitet er jetzt dieser Kolumne.
Der Essay ist aus trend.PREMIUM vom 23. Februar 2024.
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