Assignment Control ist eines der am wenigsten bekannten Management-Werkzeuge. Es sorgt dafür, dass Ihre Mitarbeiter nicht irgend etwas gut machen, sondern ihre genauen Schlüsselaufgaben richtig erledigen.
Der Begriff "Stelle" sagt uns: A ist Trompeter. Aber er sagt uns nicht, was der Trompeter heute Abend spielen wird. Spielt er Beethoven oder Wagner, Jazz oder Volksmusik? Immer brauchen wir den Trompeter, aber was und wie er spielen muss, ist völlig verschieden.
Das wiederum sagt uns nur das "Assignment", der konkrete und prioritäre Auftrag für die nächste Aufführung, für die nächste Woche oder für die nächsten überschaubaren 15, 18 oder 24 Monate.
Und das zugehörige Management-Werkzeug heißt Assignment Control. Sein mangelnder Einsatz ist einer der Hauptgründe dafür, dass Unternehmen umsetzungsschwach sind. Es ist eine der wichtigsten Ursachen für schlechte Effektivität und vor allem für das Brachliegen der Human Ressources.
An Effizienz mangelt es meistens nicht, aber an Effektivität, an Wirksamkeit. Es gibt noch immer keine besseren Definitionen für Effizienz und Effektivität als die folgende Formulierung von Peter F. Drucker:
Schritt 1: Job und Prioritäten klar definieren
In der Wirtschaft ist es eher die Ausnahme, dass man die Person austauschen kann, wenn sich das Assignment verändert und eben unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden müssen. Umso wichtiger ist es, dass absolute Klarheit darüber besteht und hergestellt wird, worin der konkrete Schwerpunktauftrag jeder Stelle in Abhängigkeit von der aktuellen Lage des Unternehmens und seiner Märkte gesehen wird.
Ein Beispiel: Die Stelle sei die Verkaufsleitung. Es macht einen großen Unterschied und erfordert völlig andere Fähigkeiten und Tätigkeiten, ob der Auftrag für den Verkaufsleiter lautet:
a) bisherige Produkte zu verkaufen oder das Sortiment um 40 Prozent zu reduzieren;
b) die bisherigen Kunden zu betreuen oder abgesprungene Kunden zurückzugewinnen;
c) mit dem heutigen Außendienst zu arbeiten oder diesen radikal zu verjüngen, weil er überaltert ist.
Manchen Leuten sind solche Dinge auf den ersten Blick klar, und sie handeln dementsprechend, weil sie Talente sind. Den meisten Menschen muss man aber die Prioritäten bewusst machen und sie speziell daraufhin ausrichten und konzentrieren.
Am besten funktioniert das in Unternehmen, deren Geschäftstätigkeit in Form von Projekten abgewickelt wird. Dort ist es ja automatisch immer mit der Definition des Projektes und seiner Organisation verbunden, dass eben der Gesamtprojektauftrag und die damit zusammenhängenden Teil- und Unteraufträge klargestellt und sauber formuliert werden. Zumindest in gut geführten Firmen dieser Art ist das der Fall, weil man sonst gar nicht vernünftig arbeiten kann, und es ist dort eine Selbstverständlichkeit, von der kaum noch Notiz genommen wird. In allen anderen Unternehmen ist es aber keine Selbstverständlichkeit. Man vertraut vielmehr darauf, dass die Stellen klar und dass den Stelleninhabern die Prioritäten bewusst seien.
Es empfiehlt sich, die Assignments schriftlich zu formulieren. In schwierigen und komplexen Fällen und vor allem dann, wenn große Veränderungen rasch durchgeführt werden müssen, ist das unverzichtbar. Dies ist eines der "Geheimnisse" wirksamer Führungskräfte.
Schritt 2: Einsatz richtig steuern
Das "Herauspräparieren" der Prioritäten und die klare und präzise Formulierung der Aufträge ist der notwendige erste Schritt für die Effektivität einer Organisation. Aber selbst wenn man das macht, wird noch immer viel zu häufig der zweite wesentliche Schritt vernachlässigt: die wirksame Steuerung des Einsatzes der Menschen.
Gelegentlich mache ich mit Teilnehmern einer Arbeitsklausur folgende Übung: Ich bitte sie, die Namen und Tätigkeiten ihrer besten Mitarbeiter aufzuschreiben. Die Teilnehmer sind meistens mit ihren Listen sehr schnell fertig. Warum? Sie müssen nur wenige Namen notieren, weil niemand viele "beste" Leute hat. Es sind drei, vier oder fünf Personen. Auf der längsten Liste, die ich je gesehen habe, standen zwölf Namen. Aber in der Diskussion zeigte sich dann sehr schnell, dass der betreffende Manager eben auch noch die Zweit- und Drittbesten aufgeschrieben hatte.
Also, die Listen sind erstens sehr kurz, und zweitens stehen unter der Rubrik "Tätigkeit" die Stellenbezeichnungen: Müller - Marketing, Huber - Produktentwicklung, Meier - Controlling. Die Übung setzt sich dann so fort: "Ich habe mich offenbar nicht klar genug ausgedrückt. Mit 'Tätigkeit' meinte ich nicht das, was Ihre besten Leute generell tun, sondern das, was sie jetzt, heute, am Mittwoch, um 16.15 Uhr tun."
Dann schauen mich die Teilnehmer verdutzt an und sagen: "Ja, ich habe das doch aufgeschrieben. Der Müller macht Marketing, der Huber Produktentwicklung und der Meier Controlling."
Und dann schlage ich eine halbstündige Unterbrechung des Seminars vor und bitte die Teilnehmer, telefonieren zu gehen und nachzuschauen, womit ihre besten Leute sich gerade jetzt wirklich befassen, und zwar möglichst genau. Manchmal gibt es etwas unwirsche Reaktionen ("... so ein Blödsinn ..."), aber sie tun es schließlich doch.
In der anschließenden Diskussion gibt es dann fast ausnahmslos sehr betretene Gesichter, dann nämlich, wenn die Manager feststellen, dass ihre besten Leute sich
mit dem Gestern befassen statt mit dem Morgen;
mit Schwierigkeiten statt mit Chancen;
mit Interessantem statt mit Wichtigem;
mit Produktmodifikation statt mit Produktentwicklung;
mit Reklamationen von Kunden statt mit der Gewinnung neuer Kunden;
mit Routine statt mit Innovation.
Es steht dann nämlich die Frage im Raum: Wenn meine besten Leute und ihre Arbeitskraft mit den rot markierten Tätigkeiten der Auflistung absorbiert sind, wer kümmert sich dann um die grün markierten? Die Antwort ist klar: Niemand! Und damit hat dieses Unternehmen auch keine Zukunft; damit und deshalb wird auch nichts verändert, und es wird nicht innoviert. Man hat alle Hände voll zu tun, um die Gegenwart zu managen - und die Zukunft bleibt dem Zufall überlassen.
Natürlich muss alles in dieser Liste rot Markierte ebenfalls getan werden. Aber muss es von den besten Leuten getan werden? Sind das nicht Dinge, die ebenso von den Zweit- oder Drittbesten getan werden könnten? Und müsste man nicht größte Aufmerksamkeit darauf richten, dass die besten Mitarbeiter freigespielt werden, so schwierig das in der Regel auch ist, damit sie alle Kraft auf die wirklich wichtigen Dinge lenken können?
Die besten Leute lassen sich gerade deshalb immer wieder von Dingen vereinnahmen, die hier mit Rot markiert wurden, weil sie die Besten sind. Wo immer "es brennt", springen sie in die Bresche. Wo immer ein Problem auftaucht, machen sie sich an die Arbeit und leisten ihren Einsatz. Das ist ja meistens der Grund, weswegen man sie als die Besten empfindet. Aber leisten sie ihren Einsatz auch für die richtigen Dinge?
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Schritt 3: Kontrolle und Management
Exakt hier muss die Einsatzsteuerung ansetzen. Man muss dafür sorgen, dass die Prioritäten unmissverständlich klar sind, und dann muss dafür gesorgt werden, dass jeder Mitarbeiter, so gut es nur irgendwie geht, seine Kraft und seine Fähigkeiten ungeteilt und ungestört darauf konzentrieren kann. Ganz besonders gilt dies für die wirklich guten Mitarbeiter, die immer aus Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein heraus dazu neigen, sich um alles zu kümmern und überall zu helfen.
So positiv dies im Prinzip auch ist, es ist immer auch mit der Gefahr der Verzettelung und Zersplitterung der Kräfte verbunden. Gerade die wirklich schwierigen Aufgaben, für die man ja nur die besten Leute einsetzen kann, erfordern in aller Regel volle Konzentration und nicht selten Einsatz an der Grenze der Leistungsmöglichkeit. Wirksame Manager halten daher ihren guten Mitarbeitern auch immer "den Rücken frei", wenn diese vor wirklich schwierigen Aufgaben stehen. Sie entlasten sie von der Tagesroutine soweit wie nur möglich und nehmen ihnen alles andere ab, damit sie mit voller Kraft die Prioritäten verfolgen können.
Damit leisten diese Manager gleichzeitig einen hervorragenden Beitrag zur Entwicklung der zweit- und drittbesten Mitarbeiter. Auch diese erhalten nun größere und verantwortungsvollere Aufgaben - jene, die vorher von den besten Leuten erledigt wurden. Auf diese Weise wird allen Mitarbeitern eines Unternehmens vor Augen geführt, wo die Prioritäten sind, und es entsteht ein gemeinsames Gefühl der Verpflichtung und Verantwortung.
Nicht anders macht man es ja auch in einer gut funktionierenden Familie. Wenn ein Kind eine schwere Krankheit durchzumachen hat, dann werden alle Familienmitglieder die Mutter, so gut es geht, entlasten, damit sie sich zur Gänze dem kranken Kind widmen kann; und wenn eines der Kinder sich auf die Matura vorbereiten muss, dann wird man es ebenfalls von allen anderen Pflichten befreien, damit es sich vollständig auf seine Prüfungen konzentrieren kann.
Malik Management Tipp: Praktische Umsetzung des Assignment Control
Assignment Control ist relativ einfach, sobald die Notwendigkeit dafür gesehen wird. In jedem Unternehmen kommt die Zeit der Budgetierung und der Zielvereinbarungen. Das ist auch die wichtigste Zeit für die Bestimmung der Prioritäten.
Die Anwendung des Assignment Controls führt zu einer erstaunlichen Verbesserung der Umsetzungskraft eines Unternehmens. Plötzlich liegen sichtbare Ergebnisse vor, und die Mitarbeiter haben, auch wenn größte Anstrengungen zu erbringen sind, Erfolgserlebnisse. Und die Vernachlässigung dieser Praxis führt dazu, dass immer wieder auch die besten und ernsthaftesten Absichten im Sumpf der Routine und der Gewohnheiten untergehen. Am Ende einer Periode hat man im ersten Fall Resultate; im zweiten Fall hat man nur gearbeitet. Im ersten Fall ist man effektiv; im zweiten bestenfalls effizient.
1. Prioritäten setzen
Als erstes muss die Geschäftsleitung sich mit der Frage der Prioritäten für das Gesamtunternehmen befassen. Die Grundlagen dafür sind Unternehmenspolitik und Strategie sowie eine aktuelle Lagebeurteilung. Die Frage muss lauten: Welche Schwerpunkte müssen wir für die nächste Geschäftsperiode setzen, vor dem Hintergrund unserer langfristigen Politik und der gegebenen Lage? Die Liste der Prioritäten muss kurz sein. Mehr als sieben plus/minus zwei Dinge sollten nicht ohne schwerwiegende Gründe gleichzeitig angepackt werden. Man muss mit aller Hartnäckigkeit auf eine möglichst kleine Zahl von Schwerpunkten hinarbeiten.
2. Informieren
Daran anschließend muss das Ergebnis der nächsten Führungsebene bekanntgegeben werden (und in aller Regel ist es sehr nützlich, einen größeren Kreis von Mitarbeitern - in kleineren und mittleren Unternehmen sogar alle Mitarbeiter - ebenfalls darüber klar und präzise zu informieren).
3.Schlüsselaufgaben beschreiben
Dann erhält jeder Unterstellte der Geschäftsleitungsmitglieder den Auftrag, auf Basis seiner Stellenbeschreibung (oder was immer man sonst statt dessen hat) seine eigenen Tätigkeitsschwerpunkte auf der Basis der Gesamtprioritäten zu durchdenken und zu erarbeiten. Dies ist die Vorbereitung für ein ziemlich intensives Gespräch, das anschließend jedes Geschäftsleitungsmitglied mit jedem seiner Mitarbeiter (einzeln oder gemeinsam) zu führen hat, in dem so klar und präzise wie irgend möglich die Schlüsselaufgaben der Stelle, eben die Assignments, zu bestimmen sind. Auch hier gilt wiederum das Prinzip der kleinstmöglichen Zahl von Schwerpunkten pro Stelle.
4. Aufträge erteilen
Ob man das Ergebnis dieser Gespräche dann schriftlich in Form eines Auftrages festhalten will, muss man im Einzelfall entscheiden. Ich meine, dass dies insbesondere bei schwierigen Aufträgen notwendig ist - überall dort, wo es um wesentliche Veränderungen oder Neuerungen geht, wo man von der gewohnten Routine abweicht und die Dinge in eine andere als die gewohnte Richtung steuern will. Die Zeiträume, die man dabei ins Auge fasst, brauchen nicht die zwölf Monate des nächsten Geschäftsjahres zu sein, es können längere oder kürzere Perioden sein. Der Zeitraum muss dem inneren Zusammenhang der Schlüsselaufgabe(n) entsprechen.
"Ihre Schwerpunktaufgabe besteht darin, ein Drittel jener Kunden, die wir durch die Mängel des XY-Produktes verloren haben, innerhalb der nächsten 18 Monate zurückzugewinnen. Damit sie sich voll auf diese Aufgabe konzentrieren können, stellen wir die Umstellung des Provisionssystems für diesen Zeitraum zurück, und Sie können sich ebenfalls für diesen Zeitraum in der Projektgruppe Z durch Herrn Meier vertreten lassen", so etwa könnte das Assignment für einen Verkaufsleiter aussehen. Dies ist dann die Grundlage dafür, dass der Verkaufsleiter seine konkreten Ziele für das nächste Geschäftsjahr erarbeitet.
5. Laufende Revision
Wenn ein Assignment für einen Mitarbeiter besonders schwierig ist, wenn er trotz aller Bemühungen um Reduktion der Zahl statt einem Schwerpunkt doch zwei, drei oder vier verfolgen muss, und umso weniger man ihn von anderen Verpflichtungen befreien kann, umso wichtiger ist ein letzter Schritt: Man muss in kurzen Zeitabständen (sicher alle sechs bis acht Wochen) zu diesem Mitarbeiter hingehen und schauen, ob er wirklich an seinen Prioritäten arbeitet. Ansonsten wird man, außer bei den ganz professionellen Leuten, immer wieder nach einiger Zeit feststellen müssen, dass eben doch die Zwänge des Tagesgeschäftes die Prioritäten verdrängt haben, dass das Dringliche das Wichtige überholt hat und dass die Routine die Innovation erschlagen hat.
Man darf sich keinesfalls auf Berichte und auf die routinemäßigen Soll-/Ist-Vergleiche verlassen. Dies ist einer jener Fälle, den man nur durch persönlichen Augenschein steuern kann. Hier ist persönliche Präsenz eines Vorgesetzten wichtig, das Gespräch mit dem Mitarbeiter, das Signal, dass man sich dessen bewusst ist, dass er an einer schwierigen Aufgabe arbeitet, und dass man alles tun wird, um ihm, so gut es geht, zu helfen. Man wird dies auch als Gelegenheit benützen, ihm immer wieder die Bedeutung seiner Aufgabe im Rahmen des Gesamten vor Augen zu führen, und wird ihm auf diese Weise alle erforderliche sachliche, menschliche und moralische Unterstützung geben.
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DER AUTOR
Der 1944 in Lustenau, Vorarlberg, geborene Fredmund Malik ist einer der führenden Management-Experten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus. Er ist Gründer, Inhaber und Chairman von Malik Management, dem weltweit führenden Unternehmen für ganzheitliche General Management-, Leadership- und Governance-Lösungen mit Zentrale in St. Gallen und Niederlassungen in Adelaide, Berlin, Hanoi, London, Peking, Toronto, Wien und Zürich.
Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.