Trend Logo

Malik on Management: Vom Planen zum Tun - 2023 wird alles anders

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
20 min
Pläne für das neue Jahr zu schmieden ist nicht genug.

Pläne für das neue Jahr zu schmieden ist nicht genug.

©iStockphoto / Getty Images
  1. home
  2. Business
  3. Karriere

Tipps vom Leadership- und Management-Experten Fredmund Malik, wie Sie es schaffen, dass Sie Ihre Vorsätze für das kommende Jahr auch wirklich umsetzen.

In den meisten Organisationen, für die meisten Manager ist das zu Ende gegangene Jahr anders abgelaufen, als es geplant war. Man kann sicher sein, dass auch das Jahr 2023 anders sein wird als die jetzt vielleicht gerade definitiv verabschiedeten Planungen und Budgets. Auch all das, was man sich an persönlichen Zielen vorgenommen hat, ist nicht immer erreicht worden. Und so wird es meist weitergehen. Wir werden nicht so schnell zu jener Kontinuität zurückkehren, die es einmal gab - vielleicht wird es nie wieder so sein.

Es gibt Leute, die sich dadurch zum Irrglauben verleiten lassen, dass es überhaupt keinen Sinn mehr mache, vorauszudenken, zu planen, Strategien zu machen und Ziele festzulegen. Das ist, wie ich in anderem Zusammenhang schon darlegte, eine gefährliche Auffassung. Sie führt direkt zu blindem Improvisieren und zu richtungslosem Aktionismus. Die wesentliche Frage lautet nicht, ob man heute noch planen kann, sondern: was man, trotz aller Turbulenzen, noch als relative Anhaltspunkte erkennen kann - und vor allem muss man fragen, was man tun muss, um die gegebene Situation zu verändern und zu verbessern.

Rückblick in eigener Sache

Unabhängig von allen Planungsfragen kann man bei erfolgreichen Führungskräften zum Jahresbeginn einige spezielle Dinge beobachten. Sie verwenden spätestens zu Beginn des Jahres (vielleicht haben sie es schon am Ende des alten Jahres getan) etwas Zeit darauf, einen Rückblick in eigener Sache zu machen. Dabei stellen sie sich etwa folgende Fragen:

  • Was waren meine Ziele?

  • Was habe ich erreicht? Was nicht?

  • Und warum nicht?

  • Was habe ich gut gemacht? Was nicht?

  • Wo bin ich faule Kompromisse eingegangen und warum?

  • Wo habe ich eine Gelegenheit, eine Chance ungenutzt verstreichen lassen?

  • Was habe ich übersehen?

  • Was waren meine Prioritäten, und was hätten sie sein müssen?

Manche machen diesen Rückblick in Form eines Briefes an sich selbst. Wichtig ist aber, dass man diese Dinge aufschreibt. Es genügt nicht, das Jahr vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen zu lassen. Das ist zu flüchtig; es entschwindet sofort wieder der Aufmerksamkeit und hinterlässt keine dauerhafte Wirkung. Man kann daraus nichts lernen.

Wichtig ist weiter, dass man sich um Objektivität und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber bemüht. Dass das dem Sterblichen nicht leicht fällt, ist bekannt; dass er es nie ganz schaffen wird, ebenfalls. Aber man kann es versuchen. Auch von sich selbst sehr überzeugte Leute können sich einmal im Jahr eine Stunde der Wahrheit einräumen. Wer unsicher ist, kann sich von einem guten Freund, einem Mentor oder - was vielleicht das Ideale wäre - von seinem Lebenspartner dabei helfen lassen.

Schlüsselaufgaben festlegen

Noch wichtiger aber als die Rückschau ist der Blick nach vorne. Die alles entscheidende Frage muss lauten: Was müssen meine Schlüsselaufgaben für das vor mir liegende Jahr sein? Was muss ich tun, um Erfolg zu haben - oder aus dem Misserfolg herauszukommen?

Dazu einige Hinweise: Den Schlüsselaufgaben oder Schlüsselaufträgen ist ein sehr hoher Stellenwert einzuräumen. Es genügt nicht, zu sagen: Ich bin Finanzchef, Verkaufsleiter, Chefcontroller, Spitalsdirektor oder Logistikkoordinator. Das ergibt sich aus dem Dienstvertrag oder der Stellenbeschreibung - aber es ist für sich genommen völlig nichtssagend.

Leadership heißt unter anderem, jene speziellen Aufgaben (im Englischen die "issues" oder "assignments") herauszuarbeiten, die erfolgsentscheidend für die nächste ins Auge zu fassende Periode sind. Finanzchef oder Spitalsdirektor zu sein ist keine Aufgabe, sondern eine Position. Sie ist die Voraussetzung dafür, Aufgaben zu identifizieren und festzulegen, aber sie definiert noch nicht die Aufgaben selbst.

Wenn man auch nur im Entferntesten eine Führungskraft ist, dann gehören zwei Dinge immer zu den Schlüsselaufgaben: Menschen und Finanzen, gleichgültig, in welcher Art von Organisation man arbeitet. Alle anderen erfolgsentscheidenden Aufgaben sind abhängig von der Art der Stelle, von der Art der Organisation, für die man tätig ist, und von der Situation, in der man sich befindet. Sie lassen sich daher nicht allgemein umschreiben, sondern nur im speziellen Fall bestimmen. Menschen und Geld sind aber von universeller Bedeutung sowohl für das Wirtschaftsunternehmen als auch für die gemeinnützige Organisation, für das Krankenhaus ebenso wie für die Verwaltungsbehörde.

Wer in einem Unternehmen Verantwortung für wirtschaftliche Ergebnisse hat, wer also einen Geschäftsbereich, ein Profit-Center, eine Business-Einheit zu führen hat, tut gut daran, zu durchdenken, wie er die "Bottom Line" im kommenden Jahr definieren will. Er muss überlegen, was als Resultate zählen soll. Gewinne zu erzielen genügt nicht. Gewinn ist ein Gummimaßstab. Von entscheidender Bedeutung ist, sich auf einige wenige Punkte zu konzentrieren. Beim ersten Anlauf kommt man vielleicht zu einer längeren Liste von acht, zehn oder zwölf Kandidaten für Schlüsselaufgaben. Das ist in aller Regel aber zu viel, und vor allem ist es meistens zu viel Verschiedenartiges.

Konzentration aufs Wesentliche

Für Wirksamkeit und Erfolg ist Konzentration unabdingbar. Sie ist das "Geheimnis" erfolgreicher Leute - in der Wirtschaft gleichermaßen wie in Kunst, Wissenschaft und Politik. Man kann sich zwar immer mit drei Dutzend verschiedenen Dingen beschäftigen, aber man kann niemals auf drei Dutzend Gebieten erfolgreich und wirksam sein. Daher ist es unumgänglich, Prioritäten zu setzen - und dies darf niemals ein mechanischer Vorgang sein. Es gibt, entgegen weit verbreiteter Behauptungen, keine allgemeinen Formeln oder Punktbewertungssysteme, mit denen man zu vernünftigen und richtigen Prioritäten kommt. Der einzige Weg ist die von mir immer wieder empfohlene Methode des gründlichen und gewissenhaften Durchdenkens der Natur seines Aufgabenbereiches, seiner Abteilung oder seines Unternehmens.

Prioritäten zu bestimmen erfordert Entscheidungen - risikoreiche und schwierige Entscheidungen. Wer sich um sie herumdrückt, ist keine Führungskraft, und er wird schon gar kein guter Unternehmer sein können. Wie Peter Drucker einmal so schön sagte: "Wirksame Führungskräfte erledigen erstrangige Dinge zuerst und zweitrangige Dinge - überhaupt nicht."

Das mag manchen als allzu strikt vorkommen und vielleicht sogar als etwas theoretisch. In Wahrheit ist es aber etwas vom Praktischsten - falls man an Wirksamkeit interessiert ist. Obwohl man immer wieder gegen diese Maxime verstoßen und Kompromisse machen wird - es lohnt sich, dieses Prinzip ernst zu nehmen.

Schlüsselaufgaben reduzieren

Man muss also die Kandidatenliste zusammenstreichen. Sie wird am Anfang immer zu lang ausfallen. Ich habe Führungskräfte kennen gelernt, die sich pro Jahr eine einzige Schlüsselaufgabe stellen und diese mit aller Konsequenz verfolgen. Es waren bemerkenswert erfolgreiche Leute. Vielleicht kann man dem aber doch nicht immer ganz nachleben und wird schließlich, nach mehrmaligem Nachdenken, zu zwei, drei oder vier Schlüsselaufgaben kommen. Wie dem auch sei - es müssen wenige sein.

Man beachte, dass ich die einleitende Schlüsselfrage so formulierte: Was muss ich tun, um erfolgreich zu sein? Sie lautet nicht: Was würde ich gerne tun? oder: Was wollen andere, dass ich es tue? Es muss das Bestreben sein - so mangelhaft man es auch einlösen wird können -, die objektiv gegebene Situation zu erfassen und die sich objektiv stellenden Aufgaben.

Wesentlich ist also nicht zu fragen: Was ist für mich wichtig?, sondern: Was ist für mich in der gegebenen Situation wichtig? Die wenigsten von uns, und schon gar nicht Führungskräfte, sind Eremiten, die sich auf ihre subjektiven Empfindungen, Meinungen und Vorstellungen zurückziehen können. Man steht im Kontext eines objektiv gegebenen Unternehmens und einer objektiv gegebenen Unternehmenssituation.

Was zu tun ist, mag mit den eigenen Vorstellungen zum Beispiel über Selbstverwirklichung oder mit den Wünschen, die man hat, und den subjektiven Präferenzen nicht übereinstimmen und gelegentlich sogar in scharfem Widerspruch dazu stehen. Nichtsdestoweniger ist es zu tun - im Dienste der Sache. Genau darin liegt ein weiteres Element von Leadership und eine Haltung, die man bei allen echten Führern erkennen kann. Hier kommen - altmodisch, vielleicht, aber wichtig - Dinge zum Tragen wie Pflichterfüllung und Selbstlosigkeit.

Damit kein Missverständnis aufkommt

Unter den Schlüsselaufgaben können sich durchaus private Dinge finden. Ich plädiere zwar für "Dienst an der Sache", aber keinesweg für "sklavischen" Dienst an der Sache. Man gibt sein Bestes für eine Organisation, aber nicht sein "Leben". Die Herausarbeitung der Schlüsselaufgaben zu Beginn des Jahres soll in keiner Weise zu einer Trennung von Beruf und Privatleben führen oder zur ausschließlichen Orientierung am Beruf. Dies wäre desaströs. Im Gegenteil, diese beiden Bereiche müssen integriert werden, und was gäbe es für ein besseres Instrument dazu als eben die Schlüsselaufgaben.

Wirklich effektive Menschen lassen es dabei aber nicht bewenden. Sie machen einen dritten Schritt - und dieser ist wesentlich für ihre Wirksamkeit: Sie schreiben auf, welche Erwartungen sie mit jeder ihrer Schlüsselaufgaben verbinden, insbesondere ihre Erwartungen bezüglich der Ergebnisse. Sinngemäß stellen sie die Frage: Wenn ich das und das tue, was müsste dann geschehen, oder was müsste dann eintreten, oder wie müsste sich dann die Situation verändern und entwickeln? Das ist der Schritt, mit dem sie die Voraussetzung organisieren, die notwendig ist, um zu einem späteren Zeitpunkt Feedback erhalten zu können.

Persönliche Stärken entdecken

Der dritte Aspekt ist für die persönliche Wirksamkeit m. E. der wichtigste. Die hier dargestellte Methode ist der einzige Weg, um herauszufinden, wo man seine individuellen Stärken hat. Erfolge können nur entstehen, wenn man Stärken nützt. Aus Schwächen können niemals Ergebnisse und Erfolge resultieren. Wie aber entdeckt man Stärken? Nun, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, sollte man vermuten dürfen, dass man sich selbst einigermaßen kennt. Immer und immer wieder stelle ich aber fest, dass nur ganz wenige Führungskräfte die Frage nach ihren Stärken rasch und sicher beantworten können.

Ich will heute nur den wesentlichsten Punkt aufgreifen. Dieses Thema verdient eine gründlichere Behandlung. Am besten kann man es mit dem Beispiel der Berufsberatung von Schülern veranschaulichen. Meistens wird den Kindern die Frage gestellt: "Was würdest du denn gerne tun?" Ich sage nicht, dass diese Frage vollständig unwichtig wäre. Gelegentlich sollte man auch sie stellen. Aber im Kern ist es die falsche Frage. Die richtige Frage muss lauten: "Was fällt dir leicht?" Es gibt fast gar keinen Zusammenhang zwischen dem, was man gerne tut, und dem, was man gut kann. Es gibt aber einen fast hundertprozentigen Zusammenhang zwischen dem, was einem leicht fällt, und dem, was man gut kann.

Es gibt auch einen starken Zusammenhang zwischen dem, was man nicht gerne tut, und dem, was man nicht gut kann. Das ist nur natürlich und selbstverständlich. Dinge, die man nicht gerne tut, schiebt man immer vor sich her; man geht mit Widerwillen an diese Arbeiten heran, und man sieht wenig Anlass, sich ausgerechnet damit besonders intensiv zu befassen. Das ist klar. Das andere ist aber gar nicht so klar. Und es steckt sogar eine ziemlich teuflische Problematik in der Korrelation zwischen "leicht fallen" und "gut machen". Was einem leicht fällt, fällt einem nicht auf. Man übersieht es - weil es einem leicht fällt. Und was man übersieht, nutzt man auch nicht. Daraus resultiert eine Tragik im Leben vieler Menschen: Sie nutzen ihre wahren Stärken nicht, weil sie ihnen nicht auffallen, weil sie sie gar nicht bemerken.

Albert Einstein

Am besten lässt sich das am Beispiel von Albert Einstein zeigen: Noch immer grassiert der Irrtum, Einstein sei ein schlechter Schüler gewesen; insbesondere in Mathematik. Das stimmt hinten und vorne nicht. Einstein hatte zugegebenermaßen Schwierigkeiten mit seinen Lehrern. Und er war z. B. nicht besonders an Sprachen interessiert. Aber er hatte insgesamt sehr gute Noten, und er hatte ausgezeichnete Noten in Mathematik und Physik. Aber Mathematik und Physik waren nicht seine große Leidenschaft. Sein Herz hat für etwas ganz anderes geschlagen - für die Musik und besonders für die Geige. Einstein hätte wohl seinen Nobelpreis und Jahre seines Lebens dafür gegeben, ein großer Geiger zu sein. Er hat mit Leidenschaft täglich geübt. Das hat er wirklich gerne gemacht - aber es ist nichts dabei herausgekommen. Es hat kaum für ein drittklassiges Provinzorchester gereicht. Seine Leidenschaft korrespondierte überhaupt nicht mit seinen Stärken.

Die Mathematik aber ist ihm leicht gefallen, so leicht, dass es ihm kaum aufgefallen ist. Er hat damit nie Schwierigkeiten gehabt. Ich selbst kann bis heute nicht verstehen, dass man mit Mathematik keine Schwierigkeiten haben kann - aber so war es bei Einstein.

Die richtige Frage

Die Methode, seine Schlüsselaufgaben klar und präzise zu bestimmen und die damit verbundenen Erwartungen und vermuteten Ergebnisse aufzuschreiben und sie dann mit der Wirklichkeit zu vergleichen, ist der "Königsweg" zur Entdeckung von Stärken. Die Frage bei der Rückschau - und damit schließt sich der Kreis - sollte nicht nur lauten: Was habe ich erreicht?, sondern sie muss vor allem lauten: Was ist mir leicht gefallen, und wo hatte ich Schwierigkeiten? Was ist mir locker von der Hand gegangen, und wo musste ich mich bemühen, mich anstrengen und kämpfen? Wer diese Methode systematisch und mit diesen Fragestellungen im Auge einige Zeit lang anwendet, wird zuverlässig wissen, wo seine Stärken sind. Und er wird daher seine Tätigkeit, wo immer es geht, auf diese Stärken hin ausrichten können. Die Folge wird sein, dass man erstens erfolgreich ist und zweitens dies - beinahe - anstrengungslos. Gibt es etwas Besseres im Leben?

Weitere Management-Tipps von Fredmund Malik finden Sie auf der Themen-Seite "Malik on Management"

Der Beitrag ist ursprünglich in der Reihe "Malik on Management" im Magazin trend. erschienen.

Take Aways

LeadershipMalik on Management
Logo
Jetzt trend. ab € 14,60 im Monat abonnieren!
Ähnliche Artikel