Der Arbeitskräftemangel macht Arbeitgeberattraktivität zum Schlüsselfaktor im HR-MANAGEMENT. Gerade Industrieunternehmen lassen sich einiges einfallen, um Fachkräfte zu entwickeln und zu halten.
Trotz Krise keine Kehrtwende nach der Trendwende. So die Kurzfassung von Befund und Prognose zum Arbeitsmarkt durch den langjährigen HR-Manager, Personalchef und CEO Hermann Troger.
Der nun an der SMBS Business School der Uni Salzburg HR- Management lehrende Autor zahlreicher Fachbücher (Neuerscheinung: "Resetting Human Relations Management" im Springer Verlag) warnt Arbeitgeber eindringlich davor, angesichts der heraufziehenden Krise, den von manchen wohl ersehnten Moment der erneuten "Kommando-Übernahme" für gekommen zu halten.
"Endlich würden wieder die Arbeitgeber die Umworbenen und die Mitarbeiter die Bewerber sein, das klassische Machtgefüge wäre wiederhergestellt", fühlt er sich in solche Gedankenwelten ein. Allein - er hält das für reine Chimäre: "Am enormen langfristigen, demografiebedingten Arbeitskräftemangel wird auch dieser sektorenbedingte Einbruch nichts ändern", so Troger.
Die Macht der Arbeitnehmer
Weitblickende Unternehmen stellen sich darauf ein, dass die Wende vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt dauerhaft ist, und unternehmen vielfältige Anstrengungen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren.
Wohl nicht ganz zufällig stammen viele dieser Unternehmen aus dem produzierenden Sektor und haben schon bisher industrielle Erfolgsgeschichten geschrieben. Gerade dort, wo Homeoffice nicht die einfache Antwort auf alles sein kann, Schichtarbeit anlagenbedingt unumgänglich ist wie im Papier- und Verpackungskonzern Mondi oder es um physische Anforderungen geht wie am Bau, bedarf es besonderer Ideen und Angebote beim Finden und Halten guter Mitarbeiter.
Alfred Berger, Director und Leiter Compensation & Performance Managememt bei der Personal- und Managementberatung Kienbaum, verfügt über den in Österreich wohl besten Überblick über die von Unternehmen angebotenen Benefits und hat diese in einer Studie kürzlich mit den Anforderungen verglichen, die Mitarbeiter heute stellen. Sein Resümee: Ansprüche und Wünsche laufen ebenso auseinander wie die Anforderungen verschiedener Mitarbeitergruppen. Sein Rat: "Unternehmen sollten dazu übergehen, Benefits zu differenzieren und zielgruppengerecht zu kommunizieren."
Vielfältige Angebote für Mitarbeiter
Stiegl-Personalchefin Kerstin Vockner etwa kennt die Lage am Markt: "Fragen nach Benefits kommen schon im ersten oder zweiten Gespräch. Bewerber wissen heute um ihren Wert Bescheid und kommen mit einer 'Wunschliste', die über Bedingungen wie Gehalt und Arbeitszeit hinausgeht. Wir müssen daher kreativ sein, was unser Angebot anbelangt." 2023 treten bei Stiegl etwa attraktive Arbeitszeitmodelle und der Ausbau des mobilen Arbeitens sowie von Sabbaticals in Kraft.
Martina Auer-Klass, Head of HR im Baukonzern Porr, muss ebenfalls hohe Anforderungen erfüllen: "Die Organisation eines umfassenden Benefit-Programms ist bei 20.000 Beschäftigten eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen und die für uns Priorität hat." Die Kunst des HR-Management scheint dabei zu sein, ein prinzipiell breites Angebot so flexibel zu gestalten, dass es für unterschiedliche Mitarbeitergruppen und verschiedene Lebenssituationen punktgenau richtige Angebote enthält, um Fachkräfte bei Unternehmen halten.
Kienbaum-Experte Berger ortet darin ein Differenzierungsmerkmal: "Die richtigen Benefits anzubieten, ist eine Riesenchance für das HR-Management, viel für Employer Branding, Recruiting und Mitarbeiterbindung zu tun."
Unternehmen und ihre Benefits
Drei Beispiele, wie Top-Unternehmen dem Arbeitskräftemangel gegensteuern und im Wettlauf um die besten Köpfe punkten.
STIEGL: Benefits am Puls der Zeit in einer App
Ein Anziehungspunkt für Bewerber seien neben der starken Marke Stiegl die zahlreichen Benefits, erklärt Kerstin Vockner, Leiterin der Stiegl-Personalabteilung; "Die Eigentümerfamilie Kiener denkt und handelt in Generationen, nicht in Shareholder Values. Daher ist das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter ein besonders schützenswertes Gut." Entsprechend breit aufgestellt ist das Spektrum an Benefits, das über die "MeiStiegl"-App für alle transparent ist.
Ein Gratis-Parkplatz steht "Stieglerinnen und Stieglern", wie sich die Brauerei-Mitarbeiter selbst nennen, an jedem Standort zu. "In Salzburg durchaus nicht üblich", so Vockner. Hochwertige Dienstwohnungen gleich neben der Brauerei gibt es auch, ebenso steuergünstige E-Autos. Gut angenommen werden günstige Verpflegung im "Mitarbeiterschalander" - der Brauerei-Kantine - sowie Sportkurse, Tickets bei Partnern wie dem Salzburger Landestheater, Gesundheitsangebote wie Massagen, betriebliche Altersvorsorge oder der sogenannte "Haustrunk". Die Stiegl-Akademie deckt Aus- und Weiterbildungen ab - von Führungskräfteschulung bis Biersommelier-Lehrgang.
WINTERSTEIGER: E-Cars für Mitarbeiter
Das Innviertel ist eine spannende Region mit vielen tollen Unternehmen. Da muss man sich was überlegen, um für Mitarbeiter attraktiv zu sein", sagt Elisabeth Kriechbaumer, HR-Chefin des Maschinenund Anlagenbauers Wintersteiger (u .a. Skiservicemaschinen, Mähdrescher) mit weltweit 1.200 Mitarbeitern, die Hälfte davon in Ried. Part einer New-Work-Initiative: Elektroautos zu äußerst günstigen Konditionen, ein Angebot das in zwei Modellen allen Mitarbeitenden offensteht - plus kostenloses Laden mit Sonnenstrom per Photovoltaik-Anlage am Werksgelände. Die ersten zehn ID.3-Modelle im Wintersteiger-Look wurden unter den vielen Interessenten schon verlost, weitere folgen 2023.
In Ausarbeitung ist ein noch flexibleres Arbeitszeitmodell mit der Option auf Viertagewoche. Laufend erweitert wird die Palette an technischen und kaufmännischen Lehrausbildungen. "Viele junge Kollegen bleiben als Fachkräfte im Unternehmen. Sie können in Außendienst oder Service gehen und sich die Welt ansehen", so Kriechbaumer. Wintersteiger liefert nämlich weltweit in über 130 Länder und unterhält mehr als 60 Repräsentanzen. "Auch die Wintersteiger Academy mit Angeboten zu Gesundheit, Ernährung, Bewegung trägt dazu bei, dass wir ein gutes Standing haben und bei offenen Positionen aus Kandidaten auswählen können", so die HR-Chefin.
PORR: Fokus Gesundheit und Kinderbetreuung
Sieben Heimmärkte und 20.000 Beschäftigte bedingen beim Baukonzern Porr eine diverse, teils regional verschiedene Benefitpalette. Porr bietet etwa flexible Arbeitszeitmodelle sowie Aus- und Weiterbildung wie Fach- und Persönlichkeitstrainings und Teambuildings am innovativen Porr Campus an. Zudem gibt es u. a. ein Förderprogramm für Frauen, Treueprämien und Gruppenversicherungen zur Absicherung für "Porrianerinen und Porrianer".
Im Bereich Kinderbetreuung organisiert Porr allsommerlich ein Kids Adventure Camp für Kinder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wo moderner, nachhaltiger Bau nähergebracht wird. Eine zentrale Rolle spielt das am Bau höchst relevante Thema Gesundheit: Porr bietet da Fitnesscenter am Porr Campus, Geräte und Bewegungsraum in der Zentrale, eigenen Porr-Strand am Gänsehäufel, kostenlose Hilfe bei psychischen Gesundheitsproblemen, Stress oder Konflikten, jährliche gruppenweite Gesundheitstage, Gruppenskikurse und Sportausflüge sowie standortabhängig Vergünstigungen in Sportfachgeschäften, Thermen und Wellnesshotels.
Der Artikel ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 11.11.2022 entnommen.