Die "Rot-Weiß-Rot Karte", die "Rot-Weiß-Rot Karte Plus" und die "Blaue Karte EU" sollen vermehrt Menschen aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten nach Österreich holen, um hier zu arbeiten. Um gut ausgebildete Fachkräfte gibt es jedoch international ein Match. Was Arbeitgeber und Arbeitssuchende tun können, um an die Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen zu kommen.
Sie war lange Zeit kein großer Wurf. Im Juli 2011 erblickte die Rot-Weiß-Rot Karte als eine Art „Dachmarke“ für Zuwanderer aus Drittstaaten, die länger als sechs Monate in Österreich leben und arbeiten wollen, das Licht der Welt. Vorbilder waren Kanada, Australien und Neuseeland. Alleine der Name zeugt von einer ordentlichen Portion patriotischem Stolz, der allerdings bislang nicht hielt, was er zu versprechen schien.
Die anfängliche Hoffnung der österreichischen Unternehmen auf den Zustrom von rund 8.000 gut qualifizierten Arbeitskräften pro Jahr zerbröselte angesichts inhaltlicher und bürokratischer Hürden sowie langer Verfahren recht bald. Zuletzt erhielten rund 4.000 Menschen aus Ländern außerhalb der EU, dem EWR und der Schweiz die Rot-Weiß-Rot Karte. Viel zu wenige für eine spürbare Entlastung des für die Wirtschaft immer bedrohlicheren Fachkräftemangels.
Immerhin hat sich Österreich laut einer Studie des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) zuletzt im Ranking für Remote Work ein wenig nach vorne gearbeitet. Demnach sagten im Vorjahr neun Prozent von 209.000 Befragten in 190 Ländern, dass sie sich für einen Remote Job bei einem österreichischen Arbeitgeber interessieren.
Innerhalb Europas liegt Österreich in der Liste attraktiver Zuwanderungsländer laut BCG für qualifizierte Fachkräfte im Mittelfeld, gemeinsam mit Luxemburg, Finnland, Irland, Albanien, Weißrussland und Bulgarien.
Welche Fach- und Arbeitskräfte werden gesucht?
Eine Reform der Rot-Weiß-Rot Karte, in Amtsdeutsch „die Gesetzesreform des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) und des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG)“, war längst überfällig und wurde nicht zuletzt durch eine Richtlinienverordnung der Europäischen Union angestoßen.
Am 1. Oktober 2022 trat sie in Kraft. „Wir haben aus der Praxis gelernt“, sagt Margit Kreuzhuber, Leiterin von Work in Austria, einer Abteilung der Austrian Business Agency (ABA), die Unternehmen berät, die nach geeigneten Fachkräften suchen.
Will heißen: Die Hürden für den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, etwa beim jährlichen Einkommen, wurden tiefer gelegt und die Beratung wurde intensiviert. Besonders im Fokus standen bisher Länder wie Polen, Rumänien, Kroatien und Bulgarien, nun wurde der Kreis auf Albanien, Kosovo und Nordmazedonien erweitert. Dort sucht Work in Austria auf Karrieremessen, Roadshows und über Netzwerke mit Universitäten nach den besten Köpfen, so Kreuzhuber.
Nach Branchen werden für österreichische Unternehmen insbesondere Topleute aus den Sparten IT, Mechatronic, Elektronik, Elektrotechnik sowie Life Sciences ins Visier der ABA genommen. „Wir suchen nach Arbeitnehmern, die eine hohe Wertschöpfung ins Land bringen“, sagt Kreuzhuber. Ihre Abteilung ist im Rahmen der Rot-Weiß-Rot Karte für die Rekrutierung von sieben Zielgruppen zuständig:
Hochqualifizierte , die besondere Qualifikationen vorweisen können, also zum Beispiel Top-ManagerInnen oder ForscherInnen; jedenfalls zählen Menschen mit Universitätsausbildung zu dieser Gruppe. Besonders hoch bewertet wird eine Ausbildung in einem MINT-Fach (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sowie eine Habilitation, ein PhD- oder Doktortitel.
Mit einem Arbeitsuche-Visum können Hochqualifizierte ausnahmsweise auch sechs Monate zur Jobsuche nach Österreich kommen. Dieses Visum für „Besonders Hochqualifizierte“ muss bei der zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Botschaft oder Konsulat) beantragt werden.
Fachkräfte in Mangelberufen, die anhand einer jährlich aktualisierten Liste ausgewählt werden. 2022 gelten 68 Berufe als Mangelberufe, vom Dachdecker bis zur Steinmetzin (=> Bundesweite Mangelberufsliste | Work in Austria).
Sonstige Schlüsselkräfte, lso Fachkräfte, die nicht in eine der anderen Kategorien fallen, aber ein konkretes Jobangebot mit einem Mindestgehalt von 2.835 Euro brutto monatlich haben. Überprüft wird, ob eine andere, bereits in Österreich lebende Person für die Stelle geeignet ist.
Studienabsolventen, die im letzten Jahr ein Studium an einer österreichischen Universität oder Fachhochschule abgeschlossen haben und ein dazu passendes Jobangebot haben.
Stammarbeiter im Tourismus, die in den letzten drei Jahren mindesten zwei Jahre als Saisoniers beschäftigt waren.
Start-Up-Gründer, deren zukünftiges Unternehmen Innovationen entwickelt und die unter anderem einen Investitionstransfer von mindestens 30.000 Euro nachweisen können.
Selbständige Schlüsselkräfte, deren Unternehmen einen großen Mehrwert für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs haben muss. Unter anderem muss dafür ein Investitionstransfer von mindestens 100.000 Euro nachgewiesen werden.
Die "Rot-Weiß-Rot Karte"
Gehört man zu einer der genannten Gruppen und hat Österreich zu jenem Land erkoren, in dem man leben und arbeiten will, kann man sich um die „Rot-Weiß-Rot Karte“ bewerben, die einen Aufenthaltstitel für zwei Jahre garantiert.
Den Antrag bringt man bei der österreichischen Botschaft im Heimatland ein oder direkt bei der Aufenthaltsbehörde, wenn man ohne Visum einreisen darf. „Absolut nötig ist dafür ein verbindliches Jobangebot eines ansässigen Unternehmens“, erklärt Margit Kreuzhuber. Erst mit diesem in der Tasche beginnt der Bewerbungsprozess.
Ausnahmen bilden erstens Selbständige, von denen man sich auch positive Effekte auf den Arbeitsmarkt erhofft, und zweitens AbsolventInnen einer österreichischen Fachhochschule oder Universität, die nach Abschluss ihrer Ausbildung für die Dauer eines Jahres bleiben dürfen, um eine Arbeit zu suchen.
Die wichtigsten Kriterien sind – abgesehen von der Beibringung einer Reihe von persönlichen Dokumenten und umfangreichen Bewerbungsunterlagen – für fast alle Kategorien gleich:
Das Mindestgehalt muss 2.835 Euro brutto pro Monat (39.690 Euro pro Jahr) betragen, was genau 50 Prozent der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage ausmacht und mit dieser jährlich angepasst wird. Mit der Reform 2022 wurde dieses erforderliche Mindestgehalt deutlich gesenkt (bis 30.9.2022 waren es 3.171 Euro brutto monatlich).
Der Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot Karte) basiert in fast allen Kategorien auf einem Punktesystem und der Erreichung einer bestimmten Mindestpunkteanzahl. Punkte gibt es für Ausbildung, Berufserfahrung, Sprachkenntnisse und Alter. Sprachzertifikate gelten seit Oktober 2022 für fünf Jahre (bisher 1 Jahr); Beispiel: „Besonders Hochqualifizierte“ müssen von 100 möglichen Punkten 70 Punkte erreichen.
Die Rot-Weiß-Rot Karte gilt für den Arbeitgeber, für den man ins Land geholt wurde. Ein Wechsel des Arbeitgebers erfordert einen neuen Antrag.
Nachweis einer temporären Unterkunft. Während bisher der in Österreich dieser Nachweis vorgelegt werden musste, ist dies ab 1. Oktober nicht mehr nötig – allerdings nur dann, wenn die Fachkraft ohne Familie einwandert. Mit Familie muss weiterhin ein Nachweis der langfristigen Unterkunft vorgelegt werden.
Die "Rot-Weiß-Rot Karte Plus"
Die „Rot-Weiß-Rot Karte Plus“ bietet – wie die Bezeichnung schon vermuten lässt – mehr, nämlich ein Mehr an Freiheiten und ein Mehr an Jahren.
Sie winkt jenen Arbeitskräften aus Drittstaaten, die schon 21 Monate mit einer Rot-Weiß-Rot –Karte tätig sind und berechtigt für weitere drei Jahre zur Niederlassung und Ausübung einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und nicht nur bei einem bestimmten Arbeitgeber.
Oft ist die Rot-Weiß-Rot Karte Plus der Weg zu einem dauerhaften Aufenthalt. Sie ist auch das klassische Instrument für Familienangehörige, die sofort mit der Zuwanderung eine Rot-Weiß-Rot Karte Plus und damit einen freien Arbeitsmarktzugang bekommen. Auf eine Vereinfachung für Familien wurde in der Reform 2022 ebenfalls Bedacht genommen: Der Antrag musste früher von der Familie selbst eingebracht werden. Nun kann dies der Arbeitgeber erledigen.
Die "Blaue Karte EU“
Eine weitere Variante, um einen Arbeits- und Aufenthaltstitel zu erhalten, ist die „Blaue Karte EU“. Anders als der Name vermuten lässt, gilt sie nicht für die gesamte EU, sondern berechtigt ausschließlich zum Arbeiten in dem Land, wo der Antrag gestellt wurde. Noch seien die Arbeitsmärkte der EU zu unterschiedlich, sagt Margit Kreuzhuber.
Die „Blaue Karte EU“ eignet sich für Zuwanderer, die ein verbindliches Arbeitsplatzangebot für mindestens sechs Monate in Österreich haben, ein überdurchschnittlich hohes Gehalt (jährlich brutto mindestens 44.395 Euro) bekommen und ein Universitätsstudium angeschlossen haben.
Die große Ausnahme sind wieder einmal IT-Schlüsselkräfte, die sich auch mit einer mindestens dreijährigen einschlägigen Berufserfahrung um diese Blaue Karte bewerben können. Eine Bewertung nach dem Punktesystem wie bei der „Rot-Weiß-Rot Karte“ ist nicht vorgesehen.
Die Blaue Karte EU kann auch asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden. Der Antrag wird entweder persönlich bei der Botschaft im Heimatland oder vom Arbeitgeber eingebracht.
Rückläufige Migration
Dass Österreich im Wettbewerb um gut qualifizierte Arbeitnehmer ruhig ein Scherflein zulegen sollte, zeigt ein weiteres Ergebnis der genannten BCG-Studie. Die weltweite Migration ist in den letzten Jahren merkbar zurückgegangen.
Im Jahr 2014 waren fast zwei Drittel der Befragten bereit, in ein anderes Land zu ziehen um dort zu arbeiten. Der Anteil ist seitdem um 13 Prozentpunkte gesunken und liegt heute bei rund 50 Prozent. Das liegt an der Pandemie, aber nicht nur an ihr. Auch der Trend zu einer weltweit restriktiveren Einwanderungspolitik und soziale Unruhen verringern den Mobilitätstrend.
Nicht zuletzt ist auch mit Remote Work ein neues Modell entstanden, das die Möglichkeit eröffnet, weltweit zu arbeiten, ohne übersiedeln zu müssen.