Das 7-S-Modell ist ein wichtiges Tool zum Ermitteln der Einflussfaktoren, die es beim Führen und Steuern von Unternehmen zu beachten gilt. Es liefert aber keine Antworten auf die zentralen Managementfragen unserer Zeit.
Was ist das 7-S-Modell?
Unternehmen sind komplexe Systeme. Bei ihrer Steuerung gilt es in der Regel umso mehr Einflussfaktoren und Interdependenzen zu beachten, je größer die Organisation ist und je globaler deren Märkte und komplexer deren Leistungen sind.
Um beim Entwickeln einer Unternehmensstrategie und deren Umsetzung im Betriebsalltag entscheidungs- und handlungsfähig zu sein, benötigt man oft Tools, die dabei helfen, diese Einflussfaktoren und deren Wechselwirkungen zu ermitteln, im Blick zu behalten sowie bezüglich ihrer Erfolgsrelevanz zu bewerten. Ein solches Tool ist das 7-S-Modell.
Das 7-S-Modell zur Unternehmenssteuerung
Das 7-S-Modell Es wurde in den 1980er Jahren unter anderem von den McKinsey-Beratern Tom Peters und Robert H. Waterman jr. entwickelt, die auch den Management-Bestseller „In Search of Excellence“ (deutsch: „Auf der Suche nach Spitzenleistungen“) schrieben.
Damals waren aufgrund der fortschreitenden Globalisierung kulturübergreifende Managementvergleiche populär. Dementsprechend untersuchten Peters und Waterman mit ihren Kollegen Richard Pascale und Tony Athos die Managementmethoden, Führungsstile und Organisationsformen US-amerikanischer und japanischer Konzerne, die ihres Erachtens für eine ausgewiesene Excellence standen. Als Beispiele seien Kodak, IBM, 3M und Toyota genannt.
Aus ihren Erkenntnissen leiteten sie das 7-S-Modell ab. Dieses dient nach ihrer Überzeugung „Spitzen-Unternehmen“ kulturgreifend sozusagen als Roadmap beim Ermitteln der strategischen Alternativen sowie Definieren der sich hieraus ergebenden Handlungsfelder und zu ergreifenden Maßnahmen.
Die sieben Dimensionen des 7-S-Modells
Dem 7-S-Modell zufolge berücksichtigen Unternehmen, die nicht nur nach Excellence streben, sondern auch „exzellent“ sind, bei der Unternehmensführung und -steuerung stets folgende sieben Dimensionen
Strategie (strategy): Sie beschreibt alle Grundentscheidungen und zentral definierten Maßnahmen, die darauf abzielen, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu gewährleisten.
Struktur (structure): Die Aufbauorganisation bildet das hierarchische Gerüst einer Organisation und definiert zugleich, wer für welche (Teil-)Aufgaben zuständig ist und wer an wen berichtet.
Systeme (systems): Sie definieren und unterstützen die Prozesse im Arbeitsalltag, die z.B. der Leistungserbringung dienen.
Spezialfertigkeiten (skills): Hierbei handelt es sich um die Fähigkeiten, die in einem Unternehmen ausgeprägter als bei seinen Mitbewerbern vorhanden sind (Corporate Skills) und in ihrer Gesamtheit seine Kernkompetenz bilden.
Stammpersonal (staff): Die Mitarbeiter werden sowohl als Menschen als auch Leistungserbringer und -Kompetenzträger wertgeschätzt; dem entspricht die Ausgestaltung des Personalwesens.
Stil (style/culture): Umfasst die Unternehmens- und Führungskultur, die sich im Unternehmen historisch entwickelt hat und (vor-)gelebt wird.
Selbstverständnis (shared values/superordinate goals): Hierbei handelt sich um die Werte und Normen, von denen sich möglichst alle Mitarbeiter des Unternehmens top-down bei ihren Entscheidungen und Handlungen leiten lassen und die nicht selten in einem Unternehmensleitbild definiert sind.
Peters und Waterman zufolge sind „Excellence- Unternehmen“ bestrebt, die vorgenannten Dimensionen stets so auszubalancieren, dass das Potenzial ihrer Organisation voll ausgeschöpft wird. Dabei beachten sie, dass zwischen ihnen Interdependenzen bestehen und die Veränderung eines Faktors meist Auswirkungen auf die übrigen Faktoren hat. Entsprechend tragfähig sind ihre Handlungsstrategien und -konzepte.
Die „harten“ und „weichen“ Faktoren des 7-S-Modells
Ein zentrales Merkmal des 7-S-Modells ist: Es unterscheidet zwischen
„harten Faktoren“ (strategy, structure, systems – auch „kaltes Dreieck“ genannt) und
„weichen Faktoren“ (skills, staff, style, shared values – auch „warmes Viereck“ genannt).
Das heißt, es berücksichtigt beim Thema Unternehmensführung und -steuerung neben den „hard facts“, die sich mit Kennzahlen leicht erfassen lassen, auch stärker als ältere Managementmodelle die sogenannten „soft facts“, mit denen sich Unternehmensführer oft ungern befassen, gerade weil sie sich nur schwer erfassen lassen. Dessen ungeachtet sind sie für die Erfolg eines Unternehmens wichtig, da sie oft die „hard facts“ bewirken. So kann zum Beispiel eine unmotivierte Mannschaft jedes gesunde Unternehmen ruinieren; eine hochmotivierte Mannschaft hingegen kann als unmöglich erachtete Spitzenleistungen erbringen.
Insofern steht das 7-S-Modell stellvertretend für eine Gezeitenwende im Managementdenken, die unter anderem für eine stärkere Wertschätzung der Mitarbeiter und ein stärkeres Einbeziehen von ihnen steht – getreu dem Credo, das Peters und Waterman in ihrem Buch „In Search of Excellence“ formulieren:
„Eine gute Struktur, die den ‚menschlichen Faktor‘ unberücksichtigt lässt, gibt es nicht.“
Zudem spiegelt sich in ihm die Erkenntnis wider, dass in einer von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten Welt der Handlungs- und Changebedarf in Unternehmen nur noch bedingt von der Unternehmensspitze erfasst werden kann, weshalb mehr Verantwortung auf die operative Ebene verlagert werden muss.
Was kann das 7-S-Modell, was kann es nicht nicht?
Deshalb ist das 7-S-Modell auch heute noch ein nützliches Managementtool. Bei seiner Nutzung gilt es jedoch zu bedenken, dass seine Entwickler keine umfassende Managementtheorie entwickelt haben. Sie wollten mit ihrem Tool es vielmehr Unternehmensführern erleichtern, sich bei ihrer strategischen Arbeit einen Überblick über die zu berücksichtigenden Einflussfaktoren zu verschaffen. Deshalb bietet ihnen das 7-S-Modell auch keine Unterstützung, wenn es darum geht, aus den Erkenntnissen beispielsweise konkrete Change- und Transformationsmaßnahmen zum mittel- und langfristigen Bewahren der Excellence eines Unternehmens abzuleiten.
Dies zu wissen, ist insbesondere in Zeiten wichtig, in denen wie aktuell zum Beispiel aufgrund
der stärker spürbar werdenden Folgen des Klimawandels und
solcher „schwarzer Schwäne“, also schwer vorhersehbarer bzw. als unwahrscheinlich erachteter Ereignisse wie dem Krieg in der Ukraine ein gesamtgesellschaftliches Umdenken erfolgt. Denn dieses stellt viele Unternehmen vor der Herausforderung stehen,
ihre bisherigen Handlungsmaximen zu überdenken und
zum Beispiel wie im Zuge der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte eine Antwort auf die Frage zu finden, inwieweit sie außer ihrer ökonomischen auch ihrer ökologischen und sozialen Verantwortung gerecht werden.
Das Lieferkettengesetz der EU, das ab 2023 schrittweise in Kraft tritt, ist hierfür ebenfalls ein Beispiel.
Die New-Work-Debatte und die Sinn-Frage
Zu einem sich Neu-definieren und zum Teil Neu-erfinden sind die Unternehmen auch gezwungen, weil sich außer den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch die Bedürfnisse zumindest von Teilen ihrer Mitarbeiterschaft gewandelt haben. Sie fragen sich verstärkt „Was ist der Sinn meiner Arbeit?“.
Das Problem hierbei ist: Unternehmen können ihren Mitarbeitern zwar sagen, was und wie sie etwas zu tun haben; sie können ihnen aber nicht vorgeben, welchen Sinn sie darin zu sehen haben. Das funktioniert nicht! Den Sinn bzw. „Purpose“ müssen Mitarbeiter in ihrer Arbeit selbst finden. Und diesen zu finden, ist unter anderem für ihre Motivation und Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, wichtig.
Mit der Frage, was daraus folgt, befasste sich Simon Sinek in seinem 2006 erschienenen Buch „Frag immer erst: warum. Wie Top-Firmen und Führungskräfte zum Erfolg inspirieren”. In ihm vertritt er die These, dass Unternehmen, um langfristig Erfolg zu haben, ihren Kunden und Mitarbeitern einen übergeordneten Sinnzusammenhang aufzeigen müssen, der es ihnen ermöglicht, sich mit ihnen zu identifizieren.
Diesen Gedanken griff Aaron Hurst in seinem 2014 erschienenen Buch „The Purpose Economy“ auf und bezog ihn auf das individuelle Sinnempfinden von Menschen. Dabei vertritt er die These: Nur wenn ein Mensch wertschätzt, für wen und warum er arbeitet und sich zudem damit, wie er es tut, identifiziert, entsteht bei ihm ein Gefühl von Sinn und Zufriedenheit. Dementsprechend unterscheidet Hurst beim Purpose in Anlehnung an Sinek folgende drei Dimensionen:
Who? Für wen arbeite ich?
Why? Warum arbeite ich?
How? Wie arbeite ich?
Die Why-Frage und die How-Frage gewinnen an Bedeutung
Insbesondere auf die Why-Frage und die How-Frage müssen Unternehmen, die nach Excellence streben, ihren Mitarbeitern künftig, wenn nicht Antworten, so doch Andock-Punkte bieten, damit sie für sich eine befriedigende Antwort auf die Sinn-Frage finden – das zeigt unter anderem die aktuelle New-Work-Debatte. Denn abhängig davon beantworten sie für sich auch die Fragen
Welches Engagement zeige ich bei meiner Arbeit?
Wie stark identifiziere ich mich mit meinem Arbeitgeber?
Also letztlich die Who-Frage "Für wen arbeite ich?"
Auf diese Fragen und Herausforderungen, vor denen Führungskräfte beim Führen und Steuern der ihnen anvertrauten Organisationen oder Bereiche aktuell stehen, gibt das 7-S-Modell keine Antwort. Es hilft ihnen aber, die Dimensionen zu erfassen und im Blick zu behalten, die es hierbei zu bedenken gilt.