Vom Finanzverantwortlichen eines Unternehmens erwartet man sich gewöhnlich einen guten Überblick über die Zahlen, Kenntnis der wichtigsten Stellschrauben und rasche Reaktionsfähigkeit, wenn es einmal kriselt. Was aber, wenn die Krisen im Wochentakt auf das Unternehmen einprasseln?
Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob das Wirtschaftsleben in der Vergangenheit weniger komplex und unsicher war als heute. Eines scheint sicher: Die Geschwindigkeit und Parallelität großer, disruptiver Ereignisse haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Dazu kommen zahlreiche Megatrends, die Unternehmen in ihren kurzfristigen Aktivitäten und langfristigen Planungen beschäftigen.
Auch wenn die Auswirkungen von Branche zu Branche und Unternehmen zu Unternehmen durchaus unterschiedlich sind, lassen sich einige zentrale Aufgaben ausmachen: Wie kann man die steigenden Kosten bei Energie, Rohstoffen und Gehältern weiterreichen? Wie die gestörten Lieferketten reparieren? Woher kommen die künftigen Fachkräfte? Und wie geht man zur Finanzierung mit der neuen Zinslandschaft und höheren Zahlungsausfällen um?
Der Finanzchef als Co-Pilot
Ein kurzer Blick auf die neuen Anforderungen in turbulenten Zeiten macht deutlich: Controlling, Accounting und Treasury müssen künftig komplexere und kurzfristigere Fragestellungen managen. Die vielen gleichzeitig auftretenden Krisen führen dazu, dass wöchentlich oder sogar täglich neue Aufgaben bewältigt werden müssen. Für die so entstehenden Sonderprojekte braucht es die geeigneten Personen.
Da die Dynamik zunimmt und Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Herausforderungen noch mehr Unsicherheit bringen, werden Simulationsfähigkeiten für Produktkalkulation und Pricing entscheidend. Doch wenn sich alle Kennzahlen ändern, sind Vergleiche kaum noch möglich und die Aussagekraft von KPIs limitiert. Dann müssen auch Benchmarks, Grenzwerte und Incentives neu gedacht werden.
In der Krise nicht zu unterschätzen sind auch die Einflussfaktoren auf das Working Capital. Die Finanzierungskosten und potenzielle Ausfallrisiken von Kunden müssen jetzt viel stärker berücksichtigt werden. In multiplen Krisensituationen braucht es also Anpassung von Organisation, Methoden, Prozessen und Werkzeugen.
Agile Organisation
Agile Teams mit breitem Know-how für Sonderaufgaben sind das Gebot der Stunde, doch kurzfristig kaum verfügbar. Daher muss die bestehende Finanzorganisation umgestaltet und die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen intensiviert werden. Je rascher unvorhergesehene Entwicklungen eintreten und je unsicherer die Lage ist, desto wichtiger ist das Verständnis für das Zusammenspiel zwischen Finanzzahlen und den Geschäftsvorfällen im Einkauf, Produktion und Vertrieb.
Laufende Simulation
Die Finanzabteilung muss in der Lage sein, Risiken sehr rasch und früh zu erkennen, um adäquat reagieren zu können. Dazu braucht es gute Simulationsfähigkeiten, um die Auswirkungen externer Einflussfaktoren auf Ergebnisse, Liquidität und Cash-Flow abzubilden. Da Vergangenheitsanalysen bei multiplen Krisen geringen Wert haben, geht es jetzt um situationsbedingt angepasste Analysen, die die laufende Kosten- und Preiskalkulation sowie Steuerung sicherstellen.
Flexible Prozesse
Prozesse und Tools müssen dabei hochgradig automatisiert sein, damit sie dem Ziel, der raschen Simulation und Flexibilität zur Analyse, dienen. Der Monatsabschluss etwa muss zu einem „Non-Event“ werden. Je unklarer und größer Probleme werden, desto mehr Auswertungs- und Analysemöglichkeiten müssen Berichte bieten. Voraussetzung für ein entsprechendes Berichtssystem ist die Schaffung einer hoher Datenintegration und Konsistenz für effiziente und belastbare Analysen.
Fazit: Ständig neue Krisen sind für jede CFO-Organisation eine große Herausforderung. Wenn eine Krise die nächste jagt und multiple Krisensituationen zur Regel werden, sollte sich jede Organisation darauf einstellen. Hohe Agilität und gute Simulationsfähigkeiten sind die Basis dafür, das Steuerrad fest im Griff zu halten und weiter positiv in die Zukunft zu blicken.
DIE AUTORIN
Linda Pewal ist Managing Consultant im Bereich CFO Advisory bei Horváth Österreich
Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Managementberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".