Arbeitsrecht: Seit einer Gesetzesnovelle gab es Arbeitern und Angestellten bei Entgeltfortzahlung für langen Krankenstand und längeren Kündigungsfristen eine Gleichstellung. Wann Unternehmen bei langem Krankenstand von Mitarbeitern einen Zuschuss erhalten.
- Seit wann ist das Gleichstellungsgesetz für Arbeiter und Angestellte in Kraft?
- Arbeitsrecht: Unterschied zwischen Arbeiter und Angestellten
- Die Kündigungsfristen für Angestellte
- Kündigungsfristen für Arbeiter
- Ausnahmen für Saisonbetriebe
- Entgeltfortzahlung: Gleichstellung von Angestellten bei langem Krankenstand
- Krankheit oder Unfall: Nach Dienstzeiten gestaffelte Entgeltfortzahlung
- KMU können bei langem Krankenstand oder Unfällen Gehaltszuschuss beantragen
- Kündigung bei langem Krankenstand: Arbeitgeber muss bis zur Genesung trotzdem zahlen
- Urlaubstage für Jobsuche wie bei Angestellten, Entlassung von Arbeitern schwieriger
Seit wann ist das Gleichstellungsgesetz für Arbeiter und Angestellte in Kraft?
Die gesetzliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten ist seit Anfang Oktober 2021 vollständig in Kraft getreten. "Große Unterschiede, was die Rechte von Arbeitern und Angestellten betrifft, gab es ohnehin schon vor der Gesetzesnovelle nicht mehr. Mit der Novelle sind weitere Ungleichheiten beseitigt worden, wenn auch weiterhin welche bestehen", so Arbeitsrechtsexperte Matthias Unterrieder von der Anwaltskanzlei Wolf Theiss.
Arbeitsrecht: Unterschied zwischen Arbeiter und Angestellten
Vereinfacht gesagt leistet ein Arbeiter manuelle Arbeit, ein Angestellter ist mit Büroarbeit oder kaufmännischen Tätigkeiten beschäftigt. Der eine arbeitet vor allem mit den Händen und setzt seine Körperkraft und Geschicklichkeit ein, der andere mit dem Kopf und setzt seine Geisteskräfte und Wissen ein. Doch nicht immer ist die Zuordnung offensichtlich, weshalb es zu dem Thema eine umfangreiche Rechtsprechung gibt. So ist etwa die Kassiererin im Supermarkt Angestellte. Der Bediener einer komplexen Produktionsanlage in einer Fabrik, aber auch ein Profifußballer sind hingegen Arbeiter.
Die Kündigungsfristen für Angestellte
Zur Ausgangslage: Während bei Angestellten die Dauer der Kündigungsfrist davon abhängt, wie viele Dienstjahre Angestellte bereits vollendet haben – die Frist beträgt zwischen sechs Wochen und fünf Monaten – bestanden Arbeitern bis zur Gesetzesnovelle wesentlich kürzere Kündigungsfristen. Bei den meisten Arbeitsverhältnissen konnte der Arbeitgeber den Arbeiter binnen einer Frist von 14 Tagen kündigen. In manchen Branchen war die Frist noch kürzer. Bäckerei-Arbeiter hatten nur eine Frist von einem Tag zum Ende der Arbeitswoche.
Welchen Kollektivvertrag Mitarbeiter bekommen, hängt auch davon ab, ob sie Angestellte oder Arbeiter sind.
In den meisten wichtigen Branchen gibt es eigene Kollektivverträge jeweils getrennt für Arbeiter und Angestellte. Das ist vor allem für Mindestentgelt wichtig. Daran hat sich auch durch die Gesetzesnovelle nichts ändern. Bis zur Novelle bestanden jedoch wesentliche Unterschiede beim Krankenstand aber und vor allem auch bei den Kündigungsfristen. Hier hat der Gesetzgeber eingegriffen und für eine Gleichstellung gesorgt.
Kündigungsfristen für Arbeiter
Durch die gesetzliche Gleichstellung wurden die Kündigungsfristen auch für Arbeiter deutlich verlängert. Nun gilt eine Frist von sechs Wochen bis zu fünf Monaten, wie bei Angestellten abhängig von der Dienstzeit. In anderen Branchen wie in der Metallindustrie, waren die Kündigungsfristen für Arbeitgeber schon bisher ähnlich lange.
Von dieser Regelung sind auch bestehende Dienstverhältnisse betroffen. "Ich empfehlen, bei Neueinstellungen von Arbeitern wie bei Angestellten die Kündigung zum 15. und Letzten des Monats zu vereinbaren und, wenn möglich, auch bestehende Verträge einvernehmlich zu ändern. Sonst kann möglicherweise nur noch zum Quartalsende gekündigt werden", rät Unterrieder.
Ausnahmen für Saisonbetriebe
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch lässt jedoch für bestimmte Branchen Ausnahmen zu, unter denen die alten und damit kurzen Kündigungsfristen bestehen bleiben können. Dies gilt für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen. Als Saisonbetriebe gelten jene Betriebe, die nur zu bestimmten Jahreszeiten arbeiten oder die regelmäßig zu gewissen Zeiten des Jahres erheblich verstärkt arbeiten. Diese Branchen können von den neuen Kündigungsfristen abweichende Regelungen festlegen.
Wolf-Theiss-Arbeitsrechtsexperte Unterrieder: "Umstritten ist derzeit noch, ob bereits bestehende kürzere kollektivvertragliche Kündigungsfristen in Branchen wie Hotel- und Gastgewerbe auch weiterhin nach den längeren gesetzlichen Kündigungsfristen gelten. Hauptproblem ist dabei die Feststellung, in welchen Branchen Saisonbetriebe überwiegen."
Entgeltfortzahlung: Gleichstellung von Angestellten bei langem Krankenstand
Bei langen Krankheit oder langwierigen Folgen eines Unfalls waren bis zur Gesetzesnovelle Arbeiter im Vorteil. Das hat sich jedoch geändert. Angestellte haben nun bereits nach einer einjährigen Dauer des Dienstverhältnisses ein Anspruch auf acht volle Wochen Entgeldfortzahlung und vier Wochen halbe EFZ. Bisher galt dieser Anspruch erst nach fünf Dienstjahren. Er verliert diesen Anspruch jedoch, wenn die Krankheit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wird.
Krankheit oder Unfall: Nach Dienstzeiten gestaffelte Entgeltfortzahlung
Dienstjahre | Krankheit bzw. Freizeitunfall | Berufskrankheit bzw. Arbeitsunfall |
---|---|---|
1 | 6 Wochen voll + 4 Wochen halb | 8 Wochen |
2 - 15 | 8 Wochen voll + 4 Wochen halb | 8 Wochen |
16 - 25 | 10 Wochen voll + 4 Wochen halb | 10 Wochen |
ab 26 | 12 Wochen voll + 4 Wochen halb | 10 Wochen |
Bereits ab einem Dienstjahr haben nun auch Angestellte bei langer Krankheit oder bei einem Freizeitunfall pro Arbeitsjahr Anspruch auf sechs Wochen volle Gehaltsfortzahlung und vier weitere Wochen zum halben Gehalt. Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten gilt die maximale Dauer der Gehaltsfortzahlung pro Anlass.
Eine Gleichstellung gegenüber Arbeitern findet auch im Hinblick auf die Entgeltfortzahlung bei Berufskrankheit und nach Arbeitsunfällen statt. So besteht bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit oder einem Unglücksfall innerhalb eines Arbeitsjahres ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn dieser im betreffenden Arbeitsjahr noch nicht ausgeschöpft ist. Das bedeutet, der Krankenstand darf je nach Dienstjahren pro Jahr nicht länger als zehn Monate dauern. Im neuen Arbeitsjahr besteht der Anspruch wieder in vollem Umfang. Das gilt selbst, wenn im alten Arbeitsjahr der Anspruch ausgeschöpft war und während des Krankenstandes kein Gehalt mehr überwiesen wurde.
Im Gegensatz zu einer Krankheit oder Folgen eines Freizeitunfalls entsteht bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit wie bisher bei einem neuen Arbeitsjahr auch für Angestellte kein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
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KMU können bei langem Krankenstand oder Unfällen Gehaltszuschuss beantragen
Klein- und Mittelbetriebe können, wenn Mitarbeiter lange im Krankenstand sind, bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt einen Zuschuss zur Entgeltfortzahlung beantragen. Anspruch haben jedoch nur Unternehmen, dieim Schnitt nicht mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen.
Der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung ist möglich, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei zusammenhängende Tage gedauert hat bzw. dauert
und aus einer der folgenden Gründen eingetreten ist:
eines Freizeit- oder Arbeitsunfalls oder
bei Unfällen als Mitglied oder freiwilliger Helfer einer Blaulichtorganisation während der Ausbildung, Übung oder im Einsatzfall oder
bei Unfällen als Zivil-, Präsenz- oder Ausbildungsdiener während eines Einsatzes für den Katastrophenschutz und der Katastrophenhilfe.
Ein Zuschuss zur Entgeltfortzahlung von Arbeitern ist möglich, wenn der Mitarbeiter länger als zehn zusammenhängende Tage im Krankenstand ist. Der Zuschuss wird ab dem elften Tag der Entgeltfortzahlung für die Dauer von maximal 42 Kalendertagen pro Arbeitsjahr (Kalenderjahr) gewährt. Der Antrag auf Zuschuss muss innerhalb von drei Jahren nach Beginn des Entgeltfortzahlungsanspruches am besten elektronisch zu erfolgen.
Der Zuschuss beträgt 50 Prozent des tatsächlich fortgezahlten Entgelts zuzüglich eines Zuschlages für die Sonderzahlungen in Höhe von 8,34 Prozent.
Kündigung bei langem Krankenstand: Arbeitgeber muss bis zur Genesung trotzdem zahlen
Arbeitgeber können Arbeitnehmer auch im Krankenstand kündigen. Es gibt aber einen Schutzmechanismus:
Bei einer Kündigung bei längerem Krankenstand, der als länger als die Kündigungsfrist dauert, endet zwar das Dienstverhältnis, der Arbeitgeber muss aber darüber hinaus das Krankenentgelt weiter zahlen, bis der Arbeitnehmer gesund wird
oder der Entgeltfortzahlungsanspruch ausgeschöpft ist. Das wird künftig noch erweitert.
Auch bei einer einvernehmlichen Auflösung im Krankenstand muss der Arbeitgeber über das vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus weiter zahlen.
Die Neuregelung kommt vor allem Angestellten mit langer Krankheit zugute. Das Nachsehen haben durch die neue Gesetzeslage jedoch Angestellte, die kürzer, aber dafür öfter krank sind.
Urlaubstage für Jobsuche wie bei Angestellten, Entlassung von Arbeitern schwieriger
Die Änderungen bei den Kündigungsfristen belasten jedoch die Arbeitgeber, auch, weil ein Fünftel der Zeit bei langen Kündigungsfristen als "Postensuch-Urlaub" ohne Nachweis von Gründen bezahlt frei gegeben werden muss. Die Beendigung von Arbeiterdienstverhältnissen wurde zudem erschwert, da das Gesetz bei Arbeitern die Entlassungsgründe enger fasst. Dem stehen nun gleich lange Kündigungsfristen gegenüber", resümiert Arbeitsrechtsexperte Unterrieder. Der Verwaltungsaufwand von Krankenständen wurde durch die Gleichstellung von Angestellten mit Arbeitern jedoch wesentlich verringert.