Ergebnis einer Umfrage bei Unternehmern, Managern und Personalchefs: Arbeitgebern achten bei der Mitarbeitersuche vor allem auf Persönlichkeit und Sozialkompetenz. Mehr Fachwissen lässt sich immer noch erwerben.
Im Grunde genommen könnte es Thomas Friess, Geschäftsführer des auf moderne Kommunikationsplattformen im Internet und mobile Anwendungen spezialisierten Informationsanbieters Herold Business Data, kaum besser gehen: Die letzten drei Jahre waren die jeweils wirtschaftlich besten in der Unternehmensgeschichte und brachten beständige Zuwächse bei Umsätzen und Kundenzahl. Eine positive Entwicklung, die sich auch im Personalstand niederschlägt. „Im Vorjahr haben wir die Zahl der Mitarbeiter um mehr als 100 Leute auf über 500 aufgestockt“, berichtet der Manager.
Doch gerade wegen dieser personellen Expansion steht Friess nun auch vor einem Problem. „Der Arbeitsmarkt ist leergefegt – speziell bei Programmierern und Produktmanagern für Internet“, erklärt er. Was also tun, damit das Wachstumspotenzial trotz knapper Ressourcen ausgeschöpft werden kann? Bei Herold hat man sich für eine pragmatische Lösung entschieden. „Natürlich gibt es für jeden Job ideale Anforderungsprofile, die aber in der Realität ohnehin nur selten von Bewerbern vollständig erfüllt werden“, weiß der Geschäftsführer. „Wir setzen bei der Personalauswahl daher bewusst stark auf die Persönlichkeit. Wenn die stimmt, dann können wir intern mit Training auf der fachlichen Ebene sehr viel bewirken“, sagt Friess und fasst seine Recruiting-Politik so zusammen: „Soziale Kompetenz plus Lernwille ist wichtiger als Fachkompetenz.“
Diese Gewichtung entspricht durchaus der Mehrheitsmeinung, die Unternehmer, Geschäftsführer und Personalchefs in Österreich vertreten. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage, bei der die Marktforschungsexperten von euroSEARCH dialog fast 1.000 Entscheidungsträger dazu befragt haben, was Österreichs Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern wirklich verlangen.
Verlässlichkeit für viele Jahre
Als herausragende Anforderung unter allen abgefragten Fähigkeiten und Eigenschaften erwies sich dabei – Verlässlichkeit! Für 94 Prozent ist das die wichtigste Voraussetzung, über die Mitarbeiter verfügen sollten, noch deutlich vor den ebenfalls hochgeschätzten Tugenden der Teamkompetenz und Pünktlichkeit. Typischerweise mit fachlichen Qualifikationen verbundene Kriterien wie Kritik- und Analysefähigkeit oder Argumentationsstärke finden sich in der Auflistung besonders wichtiger Anforderungen erst im Mittelfeld.
Ein Spiegelbild dieser Grundeinstellung ist das Umfrageergebnis zur delikaten Fragestellung, aus welchen Gründen die Führungskräfte Mitarbeiter denn kündigen würden. Für zwei Drittel der Befragten ist Unzuverlässigkeit demnach auf jeden Fall ein Kündigungsgrund. In der Minus-Liste der Kündigungsgründe folgen Faulheit und erst dahinter eine zu schwache Arbeitsleistung. Fachliche Überforderung wäre dagegen für weniger als ein Viertel der Befragten auf jeden Fall ein Grund zur Kündigung.
Und weil es gerade um den Stellenwert von Qualifikationen geht, noch ein kurzer Ausflug nach PISA: Von den grundlegenden Kulturtechniken, die Pflichtschulen in Österreich vermitteln sollten, rangiert das Beherrschen der Grundrechnungsarten (75 Prozent) bei den heimischen Arbeitgebern ganz oben, gefolgt von einwandfreier Lesefähigkeit. Sprachliche Ausdrucksfähigkeit und Rechtschreibung haben für rund die Hälfte der Unternehmen besonders hohen Stellenwert, der Faktor Allgemeinwissen dagegen nur mehr für etwa ein Fünftel.
Delikate Neugier auf Lebensumstände
Diskriminierung am Arbeitsplatz ist – das wissen Personalverantwortliche natürlich sehr gut – nicht nur politisch höchst unkorrekt, sondern darüber hinaus auch schlicht und einfach verboten. So weit jedenfalls die geltende Rechtslage, die im Übrigen nicht nur auf Ungleichbehandlung von Frauen und Männern abstellt, sondern auch ganz explizit Diskriminierung aufgrund von Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung und sexueller Orientierung ächtet.
Vor diesem Hintergrund ist der Wunsch eines Arbeitgebers nach Einblick in die privaten Lebensumstände seiner Mitarbeiter ein gefährliches Terrain – so berechtigt das Anliegen auch scheinen mag, zumal Mitarbeiter umgekehrt ja meist auch viele sensible Fakten und interne Daten ihres Arbeitgebers erfahren. Skandale um die Bespitzelung von Mitarbeitern, wie sie etwa bei Textil- und Drogerie-Diskontketten, aber auch bei der Deutschen Bahn vorkamen, trugen in dieser Hinsicht nicht eben zu einer entspannteren Grundstimmung bei.
In der anonymen Umfrage bekennen Österreichs Personalverantwortliche nun erstmals, welche sensiblen Informationen über die Lebensumstände ihrer Mitarbeiter für sie wirklich von Bedeutung sind. Höchste Priorität hat dabei das Wissen um allfälligen Suchtkonsum – nicht nur im Hinblick auf illegale Substanzen, sondern auch auf Nikotin- oder Alkoholabhängigkeit. Diese Information ist für zwei Drittel der Betriebe „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Kaum weniger interessiert zeigen sie sich an geregelten Lebensumständen ihrer Mitarbeiter wie etwa einer gesicherten Wohnsituation.
Für die Besetzung absoluter Vertrauenspositionen oder bei Jobs mit hoher finanzieller Verantwortung spielen solche Kriterien in der Praxis sicher eine große Rolle – eine beträchtliche Zahl von Arbeitgebern interessiert sich aber noch für mehr. Einblicke betreffend den Körperschmuck ihrer Angestellten wie Tätowierungen und Piercings hält fast ein Drittel der Befragten für eine wichtige Information. Noch mehr, nämlich fast 40 Prozent, sind an Lebensplanung und Kinderwünschen interessiert. Hier wird es arbeitsrechtlich auf jeden Fall kritisch: Auf solche Fragen muss etwa in einem Bewerbungsgespräch nicht geantwortet werden. Und wer glaubhaft machen kann, deshalb bei der Vergabe eines Jobs übergangen worden zu sein, hat beste Aussichten beim Einklagen von Schadenersatz. Gesundheit und sportliche Aktivitäten ihrer Beschäftigten sind den Arbeitgebern zwar auch relativ wichtig – jedoch nicht von so absoluter Bedeutung wie das Wissen um Nabelpiercings.
Mehrleistung und mehr Wissen
Offen ausgesprochen wird auch der Wunsch nach Mehrleistung im Bedarfsfall: Die Bereitschaft zu kurzfristigen Überstunden setzen 22 Prozent bei allen Mitarbeitern voraus, weitere 65 Prozent jedenfalls in bestimmten Positionen. Regelmäßig bis zu fünf Überstunden pro Woche halten aus Arbeitgebersicht drei Viertel der Befragten für berechtigt (s. Grafiken oben). Ebenfalls in rund drei Viertel der Betriebe wird bei Mitarbeitern die Bereitschaft zur Weiterbildung vorausgesetzt. Mehr als 80 Prozent sind im Gegenzug bereit, für Bildungsmaßnahmen mehr als 200 Euro pro Jahr und Mitarbeiter lockerzumachen.
Allerdings erwarten sich die Unternehmen auch, dass der Zeitaufwand für Weiterbildung auf Arbeitszeit und Freizeit verteilt wird. „Derzeit werden Fachkurse für Technik und Produktion am stärksten nachgefragt, gefolgt von solchen für persönliche Kompetenzen sowie Verkauf und Marketing“, berichtet Michael Landertshammer, Institutsleiter des WIFI Österreich. Selbstlernkompetenz gewinnt aus seiner Sicht als Anforderung an Arbeitnehmer immer höheren Stellenwert.
Herold-Business-Data-Chef Friess setzt bei der Vermittlung der fachlichen Fertigkeiten an die von ihm engagierten lernwilligen Persönlichkeiten vor allem auf interne Ausbildung. Und eröffnet ihnen damit, wie er betont, alle Optionen: „Bei uns zählt nicht der Name, die Herkunft oder der Titel. Bei uns haben Menschen, die überdurchschnittliche Leistungen erbringen, jede Möglichkeit, sich beruflich zu verwirklichen und Karriere zu machen.“