Die Generation Z ist alles andere als homogen. Aber Unternehmen müssen sich von traditionellen Mustern und Umgangsformen verabschieden.
©ShutterstockViertagewoche, Sabbatical, Work-Life-Balance, Purpose und Nachhaltigkeit - so das oft gemalte Bild der ANSPRÜCHE JUNGER MITARBEITER an Arbeitgeber. Eine Studie liefert differenziertere Grundlagen für faktenbasierte Human Resource-Arbeit und Führung.
"Kann ich meine 20-Stunden- Woche auch im Homeoffice auf Bali machen?" Gut, das ist zwar kein Originalzitat aus dem Jobinterview eines – darob wohl so fassungs-wie sprachlosen – Personalchefs mit einem jungdynamisch-kosmopolitischen Digital Native der Generation Z, sondern journalistisch zugespitzter Übertitel des Magazins "brand eins" zu einem Schwerpunktthema über Leadership- Herausforderungen in Zeiten von KI, knappen Fachkräften und massiven Umwälzungen am Jobmarkt.
Die fiktive Dreistigkeit einer wohl qualifizierten und darum umworbenen jungen Fachkraft trifft aber das ihrer Generation zugeschriebene kompromisslose Anspruchsdenken: den Bedürfnissen nach
Selbstverwirklichung
ethischen Höchststandards
Flexibilität
Work-Life- Balance und
Sinnfindung
hätten sich Arbeitgeber und Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen doch gefälligst unterzuordnen, wenn begehrte Talente schon bereit sind, ein Beschäftigungsverhältnis in Betracht zu ziehen.
Diese Grundstimmung hat auch Peter Dollack wahrgenommen, Geschäftsführer des Beraters und Anbieters von Führungskräftetrainings Walnuss Consulting. "Wir verstehen die Generation Z nicht", sei ein oft gehörter Stoßseufzer von Babyboomern und Gen X mit Führungsaufgaben.
Um dem abzuhelfen, hat er die Gen Z in einer gemeinsamen Studie mit dem Meinungsforscher Integral unter die Lupe genommen. Erklärtes Ziel war, Erkenntnisse zu gewinnen, um die Zusammenarbeit der Generationen zu verbessern und das Recruiting zu erleichtern. Integral-Geschäftsführer Martin Mayr brachte den Segmentierungsansatz der Sinus-Milieus ein, das sind Gruppen Gleichgesinnter mit ähnlichen Werten und Mentalitäten.
Die in der Altersgruppe der 14-bis 29-Jährigen zu sechs Sinus-Jugendmilieus (siehe Kasten unten) segmentierten Milieus wurden für die Studie nach Aspekten des Metathemas Arbeitswelt befragt, die Resultate mit einer Benchmark der Gesamtbevölkerung verglichen. "Werte und Einstellungen zu verstehen, ist viel wichtiger, als das Alter zu kennen", bringt Mayr den für Arbeitgeber und Führungskräfte angestrebten Mehrwert auf den Punkt.
Markante Unterschiede
"Die homogene Generation Z ist ein Mythos", fasst Integral die Resultate zusammen. Mayr erläutert anhand von Detailergebnissen: Dem Satz "Um auf der Karriereleiter weiterzukommen, bin ich bereit, mehr und länger zu arbeiten als nötig" stimmen 24 Prozent aller Jungen zu.
Doch die Bandbreite ist je nach Lebenseinstellung enorm. Sicherheitsorientierte der Gen Z (22 Prozent) stimmen darin mit der Gesamtbevölkerung (20 Prozent) stärker überein als mit ihren erfolgshungrigen (36 Prozent) oder an Spaß und Genuss orientierten (18 Prozent) Altersgenossen. "Progressive Realisten, das Milieu, das Veränderungen antreibt, und Hedonisten streben planbare Arbeitszeit an, während karriereorientierte Milieus zwar den Anspruch auf Work-Life-Balance hervorstreichen, aber bereit sind, Überstunden zu leisten, wenn es Karriere oder Einkommen dient", sagt Mayr.
Eine Generation - Sechs Milieus
Eine Generation - Sechs Milieus
GEN Z ist nicht so homogen wie angenommen. Die Integral-Studie identifiziert sechs verschiedene Milieus bei den 14-bis 29-Jährigen in Österreich.
KOSMOPOLITISCHE INDIVIDUALISTEN, medial oft als "Gesicht" ihrer Generation dargestellt, sind ambitionierte Lifestyle-Avantgarde: flexibel, mobil und innovativ, primär zur Selbstverwirklichung - im Job, wenn Purpose, Work-Life-Balance und Gehalt damit gut zusammenpassen.
ANTEIL: 14 Prozent (230.000).
PROGRESSIVE REALISTEN stehen als Treiber gesellschaftlicher Veränderung für ein noch progressiveres, materiell ebenfalls im oberen Drittel angesiedeltes Milieu. Protest und Party, Nachhaltigkeit und Fortschritt, gutes Leben und gutes Gewissen bringen sie unter ein Kapperl.
ANTEIL: 13 Prozent (215.000).
PERFORMER sind leistungsbereite, technikaffine und erfolgsorientierte Optimisten, investieren viel Zeit und Ideen in den Job, stehen auch für "Work hard, play hard". Pro Globalisierung und Fortschritt gesinnt, streben sie weit eher Modernisierung an als grundsätzliche Neuorientierung. ANTEIL: 15 Prozent (250.000).
ADAPTIV-PRAGMATISCHE stehen sozial und einstellungsmäßig als flexibler und nutzenorientierter Mainstream in der Mitte der Gesellschaft. Sie weisen am ehesten "Normalbiografien" auf, soziale Aspekte und Vereinbarkeit sind ihnen im Job wichtig.
ANTEIL: 21 Prozent (350.000).
HEDONISTEN nennt Integral die Gruppe der spaß-, erlebnis-und unterhaltungsorientierten Jungen aus der unteren Mittelschicht, die Wokeness oder Klimaprotest wenig interessiert. Arbeitsmotivation ist Gelderwerb für privaten Konsum.
ANTEIL: 22 Prozent (365.000).
KONSERVATIV-NOSTALGISCHE stehen für bodenständige "Normalität". Traditioneller orientiert als die pragmatische Mitte, verwirklichen sie ebenso planvoll und Schritt für Schritt diesen Lebensentwurf.
ANTEIL: 15 Prozent (250.000).
Das Milieu prägt die Job-Präferenzen
Beruflich entscheiden und führen möchten immerhin 39 Prozent der Jungen, unter den erfolgsorientierten Performern sogar jeder Zweite - eine Perspektive, die aber weder für die in anderen Bereichen so unterschiedlichen Milieus der progressiven Realisten noch der Hedonisten sehr verlockend ist.
Die Studie zeigt auch milieuspezifische Präferenzen bei der Jobwahl: Progressive Realisten möchten überdurchschnittlich in kreativen oder sozialen Berufen und mit Tieren arbeiten. Die adaptiv-pragmatische Mitte ist für handwerkliche Berufe gut ansprechbar, während es Hedonisten stark zu IT-Tätigkeiten zieht.
Daran können sich etwa Recruiting und Employer Branding orientieren, wenn es um zielgenaue Ansprache geht. "Progressive Realisten fühlen sich wohl, wenn flache Hierarchien, Nachhaltigkeit und Kollegialität gelebt werden. Wichtige Botschaften an sie sind sinnstiftende Tätigkeit und kein Platz für Diskriminierung oder Ressourcenverschwendung. Möchte ich hingegen Hedonisten gewinnen, gilt es, einen Arbeitsplatz ohne Stress und Freiraum zur Ausführung der Arbeit in Aussicht zu stellen", erklärt Mayr.
NGAGIERT IM „ECHTEN“ ARBEITSLEBEN: Leistungswillige Gen Z in Job und Ausbildung
Das Zerrbild von Gen-Z
Einmal am Arbeitsplatz eingecheckt, erweist sich, wie ganz konkrete Beispiele aus heimischen Unternehmen belegen (siehe oben), die Gen Z als durchaus leistungsbereit und engagiert. Was auch daran liegt, dass die zahlenmäßig stärksten Jugendmilieus im beruflichen Kontext doch ehrgeizig oder zumindest gut motivierbar sind, während die imageprägenden, medial stärker beachteten progressiven Oberschichtmilieus, die eher erst gerade ihre mehr oder weniger berufsrelevanten akademischen Ausbildungen abschließen, weniger als ein Drittel ihrer Jahrgänge repräsentieren.
Um das gesamte Potenzial dieser Generation zu erschließen, so der Autor und Keynote-Speaker Felix Behm in seinem soeben erschienenen Buch "Generation Z. Ganz anders als gedacht", müssten Unternehmen sich dennoch von traditionellen Mustern und Umgangsformen verabschieden.
Nicht nur was Kommunikationskanäle mit den Jungen betrifft, sondern ganz handfest - und etwa Gehälter nie als Schmerzensgeld ansehen. "Mein Tipp: schnell Perspektiven geben, was junge Fachkräfte nicht nur beim Gehalt, sondern auch in Bezug auf Arbeitszeit erwartet", schreibt Böhm.
Auch Einstellungsgespräche als Qualifikationswettbewerbe zu führen, wie es Gen X und oft noch Y erlebt haben, spielt es nicht mehr. Auf Gen Z folgt nämlich Gen Alpha: noch digitaler, noch flexibler, demografisch noch knapper und darum auch - noch anspruchsvoller.
Gen Alpha am Start
Noch flexibler und digitaler als Z: Jahrgänge ab 2010, die "Alphas"
Mit Praktikanten und Lehrlingen der auf Z folgenden Gen Alpha werden es Arbeitgeber schon in wenigen Jahren zu tun haben. Laut einem Projekt von WU Wien und der Jobplattform hokify sind Alphas hyperdigitale, hyperflexible, divers und interkulturell geprägte Individualisten mit noch höheren Ansprüchen an Werte und Arbeitsbedingungen, die sie auf noch ausgedünnteren Arbeitsmärkten durchsetzen.
Sie werde "nie ohne Smartphone leben" und "Gedanken binnen einer Sekunde online übertragen können", prognostiziert Autor und Gen-Z-Experte Felix Behm. Und sie hätte es - wie schon Z - satt, sich Wissen auf Vorrat anzueignen, sondern werde on demand, projektorientiert und kurzfristig lernen, was erforderlich sei. "Wer Z-ler heute belächelt, wird keine Chance haben, mit Alphas mitzuhalten", warnt Behm in seinem Buch (s. unten).
Der Artikel ist aus trend. PREMIUM vom 7.12.2023.