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"Wir Frauen dürfen nicht zurückhaltend sein"

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Anna Doblhofer-Bachleitner ist die erste Geschäftsleiterin im Raiffeisenverband

©Raiffeisenverband Salzburg (RVS)
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Anna Doblhofer-Bachleitner ist die erste Geschäftsleiterin im Raiffeisenverband. Im trend. Interview macht sie anderen Frauen Mut, sich selbst ehrgeizige Karriereziele zu setzen und von Männerdomänen nicht abschrecken zu lassen.

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trend: Frau Doblhofer-Bachleitner, Glückwunsch zu Ihrer Karriere im Raiffeisenverband, wo Sie als weibliche Führungskraft in einem Männeruniversum herausragen.

Doblhofer-Bachleitner: Danke. Und ja, in der Geschäftsleitung bin ich noch die einzige und erste Frau. Im Raiffeisenverband haben wir also hinsichtlich Diversität durchaus noch Potenzial. Obwohl die Geschäftsleiterkollegen schon von einer 25 % Frauenquote sprechen, nachdem wir zu viert sind. Auch in der Führungsriege darunter, im Bereich der Abteilungsleiter, gibt es aktuell unter 27 Abteilungsleitern nur zwei Frauen. Erst bei den Gruppen- und Teamleitern gibt es 28 % weibliche Führungskräfte. Ich würde schon hoffen, dass sich das in Zukunft noch verändert, und glaube auch, dass wir am aufsteigenden Ast sind.

trend: Bis zu einer Parität dürfte das aber noch ein längerer Prozess sein.

Doblhofer-Bachleitner: Es ist meiner Meinung nach ganz wichtig, dass sich das organisch entwickelt und wir aus der Belegschaft Frauen entwickeln, die in Führungspositionen kommen. Es ist nicht unser Zugang, dass Stellen ausgeschrieben und sozusagen von außen Frauen bewusst angeworben werden, um Führungspositionen weiblich zu besetzen.

trend: Inwiefern sähen Sie denn grundsätzlich eine vielfältigere, inklusivere Arbeitskultur als Asset?

Doblhofer-Bachleitner: Aus meiner Sicht ist das ein Riesen-Asset. Es ist auch durch zahlreiche Studien belegt, dass gemischte Führungsteams wesentlich erfolgreicher sind. Langfristig ist es extrem wichtig, dass die unterschiedlichsten Gesichtspunkte und Ideen, die jeder aus eigener Lebenserfahrung mitbringt, eingebracht werden können. Und es gibt zwischen Frauen und Männern oft sehr unterschiedliche Sichtweisen. Diese auf eine wertschätzende Art zu diskutieren und zusammenzuführen bringt für Unternehmen einen großen Mehrwert.

trend: Erkennen Sie dabei auch besondere weibliche oder männliche Qualitäten und Eigenschaften? Oder läuft man beim Versuch, solche zu definieren, nur in Gefahr, in Stereotypen zu denken?

Doblhofer-Bachleitner: Genau. Man darf nicht in Stereotypen denken. Uns ist es in den letzten Jahren sehr gut gelungen, eine gute Kultur und ein wertschätzendes Miteinander auf Augenhöhe zu etablieren. Jede Stimme wird gehört, es herrscht ein sehr motivierendes Arbeitsumfeld. Das ist mir besonders wichtig. Auch, dass seitens der Führungskräfte gute Unterstützung vorhanden ist, wenn es etwa um Themen wie Teilzeit, Weiterbildung oder berufsbegleitende Studien geht. Die Menschen sind nicht nur Mitarbeiter, sie sollen sich auch persönlich weiterentwickeln können. Und sie haben auch außerhalb der Arbeit ein Umfeld mit Familien, vielleicht pflegebedürftigen Angehörigen oder kleinen Kindern. Die Arbeit muss ein Teil sein, der sich dabei gut einfügt.

trend: In Richtung Diversity gedacht kann ich jetzt sagen: Auch Männer haben pflegebedürftige Angehörige oder kleine Kinder.

Doblhofer-Bachleitner: Ja, und deswegen sage ich auch immer, dass es sich um ein Familienthema und nicht um ein Frauenthema handelt. Es betrifft die Männer und Väter genauso. Wir haben daher die Kinderbetreuung auch seit einigen Jahren im Unternehmen etabliert. Die Sommerferienbetreuung, die wir anbieten, wird gut angenommen. Denn wenn man im Sommer neun Wochen die Kinder versorgen soll und jeder nur fünf Wochen Urlaub im Jahr hat, hilft das der Familie, Frauen und Männern, die dann auch bei der Arbeit den Kopf frei haben.

trend: Solche Einrichtungen gibt es offenbar in viel zu wenig Unternehmen. Top-Karrieren von Frauen stehen in Österreich zudem oft noch gesellschaftliche Strukturen und traditionelle Denkmuster im Weg.

Doblhofer-Bachleitner: Das ist richtig. In Österreich gibt es noch über weite Strecken den althergebrachten Ansatz, dass sich die Mutter hauptsächlich um die Kinder kümmern soll. Man bekommt das als Frau auch immer wieder zu hören. Ich wurde schon unzählige Male bei Abendveranstaltungen von Kollegen, die ebenfalls Kinder haben, gefragt, wer sich denn jetzt um die Kinder kümmert. Ich wünsche mir ein Umdenken bei Männern und Frauen und arbeite bewusst daran, mich dafür als Frau und Mutter nicht mehr rechtfertigen zu müssen.

trend: Haben Sie die Gegenfrage gestellt, was er mit seinen Kindern macht?

Doblhofer-Bachleitner: Na ja, manchmal. Man legt sich ein gewisses Set an Antworten auf solche Fragen zurecht. Das Gute ist, dass sich das verändert. Bei der jungen Generation sind Väter viel involvierter. Etwa was die Aufteilung der Organisation betrifft, wie das Bringen und Holen vom Kindergarten, vielleicht auch einmal eine Zeit lang Teilzeit zu arbeiten oder den Papamonat in Anspruch zu nehmen. Nur die Väterkarenz gibt es bei uns relativ wenig. Aus meiner Sicht wird es die endgültige Gleichstellung in diesem Zusammenhang erst geben, wenn es für einen Arbeitgeber völlig gleich ist, ob er einen jungen Mann oder eine junge Frau einstellt. Wir arbeiten aber auch ganz bewusst daran, jungen Frauen, die auch einen Familienwunsch haben, Karrierewege aufzuzeigen und den Familienwunsch mit einzuplanen. Es gibt auch Teilzeit-Führungspositionen. Man kann als Arbeitgeber viel Positives beisteuern, wenn man flexibel ist und Rücksicht nimmt.

Ich würde eine Quote befürworten

trend: Ein Punkt, der in Zusammenhang mit „Female Leadership“ immer wieder zur Sprache kommt sind Quoten. Für börsennotierte Unternehmen gibt es diese ansatzweise. Für andere Unternehmen aber nicht. Wie stehen Sie dazu?

Doblhofer-Bachleitner: Keine von uns will als Quotenfrau bezeichnet werden. Aber wenn man bedenkt, dass über 50 % der Studienabsolventen weiblich sind und bei uns in der Finanzbranche etwa auch gut 50 % der Mitarbeiter, dann stellt sich für mich schon immer wieder die Frage, wie es das geben kann, dass in der Führungsriege so wenig Frauen vertreten sind. Idealerweise sollte die Führungsriege auch die Belegschaft auf eine gewisse Weise widerspiegeln. Daher würde ich wohl befürworten, dass man in Richtung einer Quote denkt. Man hat bei den Aufsichtsräten gesehen, dass es funktioniert und man auch die Frauen findet, die man ja sonst bei allen Bemühungen nie gefunden hätte. Ich habe schon oft gehört. „Wir würden so gerne eine Frau nehmen, aber es gibt halt keine.“ Dafür ist auch das bewusste Wollen nötig. Das ist sicher nicht in allen Unternehmen gegeben. Regulatorischer Druck könnte also hilfreich sein.

trend: Inwiefern können spezielle Frauennetzwerke für Karrieren von Frauen unterstützend sein?

Doblhofer-Bachleitner: Wir haben intern auch ein solche Netzwerk etabliert, den Treffpunkt Amalie. Zwei Dinge sind in dem Zusammenhang ganz wichtig. Das eine ist, sichtbar zu machen, wie viele engagierte Frauen wir im Unternehmen oder in unserer Gruppe sind. Das andere ist, Mut zu machen. Frauen neigen dazu, sich stärker zu hinterfragen oder an den eigenen Fähigkeiten zu zweifeln. Es ist auch wichtig, Erfolgsgeschichten zu erzählen. Und man muss sich bewusst sein, dass wenn einem, besonders als Frau, die Chance geboten wird, eine bestimmte Position zu übernehmen, dann hat sich das derjenige, der fragt, extrem genau überlegt. Man kann also mit voller Zuversicht „Ja“ sagen. Wenn man als Frau in eine Führungsposition will, darf man nicht zurückhaltend sein. Das muss man zum Beispiel auch offen in einem Mitarbeitergespräch ansprechen: Welche Möglichkeiten habe ich? Welche Ausbildungen kann ich machen? Gibt es ein Projekt, in dem ich Verantwortung übernehmen kann?

Fakt ist, dass wir von einer selbstverständlichen Gleichstellung in sehr vielen Bereichen noch weit entfernt sind

trend: Wenn die Zurückhaltung ein Hemmschuh ist – gibt es für Sie Qualitäten, die Frauen in Führungspositionen besonders auszeichnen? Oder sind wir da schon wieder in Stereotypen gefangen?

Doblhofer-Bachleitner: Frauen haben vielleicht einen etwas breiteren Blick, achten auf Wertschätzung und darauf, dass es den Mitarbeitern gut geht, sie sich entfalten können. Diese Themen sind mir sehr wichtig. Aber ich möchte meinen Kollegen nicht absprechen, dass das für sie auch gilt. Im Grunde finde ich es ja schade, dass man im Jahr 2024 immer noch darüber reden muss. Aber Fakt ist einfach, dass wir von einer selbstverständlichen Gleichstellung in sehr vielen Bereichen noch weit entfernt sind. Deshalb müssen wir immer wieder darüber reden, darauf hinweisen und dranbleiben.

Female Leadership

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