Wolfgang Mayrhofer über Konstanten und UMBRÜCHE BEIM THEMA KARRIERE und Konsequenzen für die HR-Arbeit.
Wie hat Covid den Stellenwert von Arbeit und Karriere verändert?
Die makroökonomische Großwetterlage hatte laut unseren Untersuchungen zu WU-Absolventen immer Einfluss auf Karriereaspirationen. Ob Finanzkrise oder Dotcom-Blase, in riskanter scheinenden Umweltsituationen wurde der sichere Hafen der klassischen Organisationskarriere stärker angestrebt. Diese Krisen waren eher abstrakt und draußen.
Covid war anders, existenzieller im Sinne von: Das hätte ich sein können und ich könnte tot sein! Auch das ganze Lebensarrangement ist mit Covid durchbrochen worden. Das hat dazu geführt, dass sich Menschen sehr grundsätzliche Fragen gestellt haben: Will ich überhaupt, will ich so viel, will ich auf diese Art arbeiten? Wozu arbeite ich überhaupt?
Eine Herausforderung für HR - Stichworte Great Resignation, Purpose?
In Kombination mit der Situation westlicher Industrieländer, wo eine Generation ohne Mangel oder Bedrohung aufgewachsen ist und nun Arbeit als das Allerwichtigste im Leben in Frage stellt, und der Verschiebung der Machtverhältnisse in der Rekrutierung müssen sich Personalisten Gedanken machen, wie sie Leute kriegen und halten, was sie jetzt bieten müssen.
Mit der Gen Z ändert sich einiges für die HR?
Dass Digitalisierung und Social Media den Aufbau neuer, virtueller Identitäten mit sich bringen, ist nicht originell, erfordert aber schon eine neue Form von Kompetenz und wirft Fragen auf. Das fängt mit der Auswahl der Plattformen an, auf denen man sich darstellt. Junge Leute kommen auch oft drauf, dass sie mit 16 ein bisschen hätten nachdenken sollen, was sie online stellen.
Für Unternehmen stellt sich umgekehrt die Frage, welche Quellen sie in der Rekrutierung verwenden. Das ist nämlich ein Dilemma für Recruiter, rechtlich hoch umstritten mit international unterschiedlichen Rechtsprechungen: Darf ich nachgoogeln, um Profile-Offenlegung nachfragen, wenn ich ethisch-moralisch anspruchsvoller Arbeitgeber sein will?
Andererseits ist es Recruiter-Credo, möglichst viele Informationsquellen zu kriegen. Praktiker haben hier unterschiedlichste Zugänge, und empirisch gibt es dazu noch wenig Material sowie bisher widersprüchliche Ergebnisse.
Welche Ansatzpunkte lassen sich aus der Forschung noch ableiten?
Spannend für Praktiker ist oft das Zusammenspiel objektiver und subjektiver Karriere. Nicht nur, ob und wie zufrieden Mitarbeiter sind, sondern ob sie Arbeitgebern zutrauen, das in Einklang zu bringen. Wenn nicht, ist höchste Alarmstufe. Im Hinblick auf jüngere Frauen ist wichtig, dass wir in den ersten drei Karrierejahren keine Gehaltsdifferenzierung nach Geschlechtern sehen, die entwickelt sich erst danach. Da gibt es in den ersten Jahren Hebel.
Karriereplanung oder Zufall, worauf kommt es an?
Zufall begünstigt den vorbereiteten Geist, heißt es, und nur wenn ich weiß, was ich will, was mir wichtig ist, kann ich eine Möglichkeit als solche erkennen. Fünfjahresplan mit genauen Stationen - Hände weg. Wir sind Spielball und Akteur, und in der Melange macht Planung Sinn. dafür sind nur die Überzeugung, am richtigen Platz zu sein (Person-Umfeld-Fit) und organisationale Unterstützung.
Wird der eigene Arbeitsmarktwert (Employability) hoch eingeschätzt und aktiv Karriereplanung betrieben, steigert das ebenfalls die Karrierezufriedenheit - gegebenenfalls eben die Wechselmöglichkeiten. Die Auswertung der WU-Karrieren zeigt, dass dort emotionale Stabilität das entscheidende Persönlichkeitsmerkmal für die Zufriedenheit ist.
Der Artikel ist aus trend. PREMIUM vom 24.12.2023.