Die Wiener Künstler:in Anouk Lamm Anouk in ihrer Wohnung, die gleichzeitig auch als Atelier dient
©Elke MayrFigurativ, abstrakt, fließend - die Arbeiten der Wiener Künstler:in Anouk Lamm Anouk betören die Kunstwelt. Die Vielschichtigkeit des Œuvres spiegelt eine Welt wider, die zugleich vertraut und rätselhaft ist. Der Shootingstar im Porträt.
Wir treffen Anouk Lamm Anouk in ihrer Wohnung zum Gespräch. Die Wohnung, die gleichzeitig Atelier ist, liegt im 1. Bezirk - lichtdurchflutet, großräumig, elegant. Alles hat seinen Platz, die Arbeiten lehnen an den Wänden, Farbspritzer sucht man vergeblich am Boden. Eine angenehme Ruhe wird ausgestrahlt und überträgt sich auf das Gespräch.
Steckbrief
Anouk Lamm Anouk
Universität der Künste Berlin (UdK)
Akademie der bildenden Künste Wien, Prof. Erwin Bohatsch
Abschluss: Master of Fine Arts, Mag.
verheiratet mit Marleen Anouk-Roubik
Die Arbeit der Anouk Lamm Anouk folgt dem Manifest „No Age, No Gender, No Origin“ und beschäftigt sich unter anderem mit diverser Identität und queerer Intimität.
Platz 2 "Die Besten unter 40"
„Ich hatte immer den Raum, mich durch das, was ich aus mir heraus erschaffe, zu entfalten“, stellt Anouk Lamm Anouk fest.
Die Entfaltung findet in ihrer Kunst statt und sie ist facettenreich – von Zeichnungen, dem Schreiben, der Fotografie, skulpturalen Arbeiten bis hin zur Malerei. Seriell und serienunabhängig.
Dabei bleibt die Bildsprache reduziert, auf das Wesentliche fokussiert. Tiere, menschliche Körper, abstrakte Formen werden teilweise allein durch feine Linien auf die rohe Naturleinwand gebracht - der Leinwand, der sich Anouk Lamm während der Ausbildung an der Akademie der bildenden Künste Wien stellte.
„Ich bemerkte, dass sich mein Hauptmedium verändern musste. Mir wurde klar, dass eine Papierarbeit von allein nicht überleben kann – sie braucht einen Rahmen, eine Präsentationsform, eine Unterstützung von außen. Ich wollte aber, dass meine Kunst fertig ist, wenn sie fertig ist.“
Es sei ein belastender Prozess gewesen, den Weg hin zur Malerei zu beschreiten.
„Davor hatte ich eigentlich Angst. Mein Œuvre – von der Zeichnung kommend - entwickelte sich aus dem Strich heraus. Der Bleistift gab zudem die Nichtfarbigkeit vor, in der ich mich wohlgefühlt habe.
Mit der Malerei gab es plötzlich keinen Stift mehr, sondern einen Pinsel und flüssige, pastöse Farbe. Und auch der Strich, der den Kern des schöpferischen Prozesses bildet, wird mit einem Pinsel anders gezogen; doch es war notwendig mich diesen Herausforderungen zu stellen.“
Werk und Karriere
Ein Transformationsprozess, der Anouk Lamm Anouk gelungen ist. Die großformatige Malerei ist nun Hauptbestandteil des Portfolios.
Die Übersetzung der Nichtfarbigkeit und des Striches auf die Leinwand überzeugt auch die Kritiker:innen.
Die 1992 geborene Wiener:in weist eine beeindruckende Karriere auf.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde Anouk Lamm Anouk 2014 bekannt – eine überdimensionale Stoffarbeit - ein schwarzes Schaf - hatte es dem Publikum angetan.
Als jüngste Teilnehmer:in stellte Anouk 2014 im belvedere21 aus – im Rahmen der Werkschau von Franz Graf mit dem Titel „Siehe was dich sieht“.
2021 gewann Anouk Lamm Anouk den renommierten STRABAG Art Award.
2022 kürte trend die Künstler:in zur Newcomer:in des Jahres – 2023 rangierte der Shootingstar auf Platz 2 des Künstler:innen-Rankings.
Es sei einfacher gewesen, eine eigene Bildsprache in der Figuration zu finden, antwortet Anouk auf die Frage, wie ihre Arbeit zu beschreiben sei. Dabei setzen sich die Werke aus figurativen und abstrakten Elementen zusammen. So ist die Serie „Lesbian Jazz“ eine Verschmelzung beider Elemente – „hier trifft die Übertragung von Jazz in abstrakte Malerei mit dem Konkreten des Körpers.“
„Post/Pre“ – die erste rein abstrakte Serie – ist durch einen „Schein- und Nebelkreis“ entstanden; „eine Art Portal in meine abstrakte Bildwelt.“
In der Arbeit mit verschiedenen Medien, entstehe die Chance eines Dialogs. So würde beispielsweise die Skulptur in Kommunikation mit dem Gemälde treten. Dabei sei die Wahl des Mediums nicht relevant für die Botschaft, die die Künstler:in vermitteln möchte.
Die Vielschichtigkeit des Œuvres spiegelt eine Welt wider, die zugleich vertraut und rätselhaft ist.
Ganz klar und „politisch“, wie Anouk selbst sagt, ist die Serie „Lesbian Jazz“ – Aktbilder, die lesbisches Begehren zeigen.
„Mir geht es in der Arbeit um lesbische Sichtbarkeit. Davon gibt es, meines Erachtens, noch zu wenig und ich möchte das vorantreiben.“ Denn Normalisierung würde erst durch eine Sichtbarkeit eintreten können.
Anouk Lamm Anouk definiert sich selbst als non-binär, lebt mit Ehefrau Marleen Anouk-Roubik (und Katze und Hund) zusammen und hat ihre Arbeit dem Manifest „No Age, No Gender, No Origin“ verschrieben.
„Ich bin auf jeden Fall nicht unpolitisch und ich möchte Sichtbarkeit und Öffentlichkeit für gute Dinge nutzen“, so die Wiener Künstler:in, „auch wenn es nicht leicht ist, fühle ich eine gewisse Verantwortung, sichtbar zu sein. Ich könnte nie das machen, was ich mache und dabei geheim halten, dass es Marleen in meinem Leben gibt.“
Die Kunst lasse sich nicht von der Künstlerin oder dem Künstler trennen – „Kunst kommt aus der Person heraus, sie ist für mich demnach ein Teil der Person, ein Teil von mir.“
Ob sie mit dieser Offenheit auf Widerstand oder Schwierigkeiten in der Kunstwelt gestoßen sei?
„Je weniger man der Norm entspricht, auf umso mehr Widerstand stößt man – das gilt für das Leben prinzipiell und nicht nur für einen Bereich.
Es gibt Menschen, die mögen Lesbian Jazz und es gibt Menschen, die mögen Lesbian Jazz nicht“, fasst Anouk Lamm Anouk zögernd schmunzelnd zusammen.
Was ist Kunst?
Da verwundert es nicht, dass Kunst für Anouk Lamm Anouk in erster Linie Freiheit ist. „Zudem ist gute Kunst ihrer Zeit voraus; sie spricht Themen an, die in unserer Gesellschaft noch nicht ausreichend repräsentiert sind. Gute Kunst löst etwas aus; denn, wenn sie nichts auslöst, hat sie auch keinen Tiefgang und gute Kunst sollte nicht einem Kanon nachgehen, sondern einen neuen Kanon kreieren.“
Leere
Die Leere spielt in den Arbeiten der Salonkünstler:in eine wichtige Rolle. „Die Leere ist der ultimative Nicht-Raum, ein Fundament der Fülle.“
Dieser buddhistische Gedanke sei wesentlich für ihre Arbeit – „Leere, leere Räume schaffen Raum zum Denken, Raum für die eigene Interpretation, Raum für Entspannung.“
In einer schnelllebigen, lauten Welt wie der unsrigen sei diese Leere ein wichtiger Gegenpol.
Tiere
„Ich finde es interessant, durch die Darstellung von Tieren oder Tierwesen Emotionen darzustellen“, sagt Anouk Lamm Anouk. So stehen in der Serie "'Bison, Bison, Golden Calf" zwei Bisons für die Verbundenheit zweier Seelen – eine Seelenverwandtschaft.
Schon als Kind habe sie eine besondere Beziehung zu Tieren gehabt, erzählt die Künstler:in – „Tiere haben eine direkte, unverstellte Kommunikation; sie verhalten sich so, wie sie sich fühlen.“ Das sei für sie als Autistin nachvollziehbar, verständlich gewesen. „Menschen waren weder logisch noch verständlich.“
Investition
Die Arbeiten von Anouk Lamm Anouk sind, je nach Format und Medium, ab 1.000 Euro aufwärts zu erwerben. Bei Investitionen in Kunst gehe es der Künstler:in um die Wertigkeit, weniger um einen monetären Wert. „Doch wenn Kunst in ihrem Wert steigt, bedeutet das ja auch, dass die Qualität Anerkennung findet.“