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Hartmann hat "Skandal nicht verursacht, sondern aufgedeckt"

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Ex-Burgtheaterdirektor Hartmann hat ein Buch geschrieben
©APA/EcoWing Verlag
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Matthias Hartmann kommt zurück nach Wien. Nicht ans Burgtheater, sondern an das Theater in der Josefstadt. Nicht erst in der nächsten Saison, wo er auf Einladung des scheidenden Direktors Herbert Föttinger den "Theatermacher" inszenieren wird, sondern schon am 13. Oktober. In den Sträußelsälen präsentiert er sein Buch "Warum eine Pistole auf der Bühne nicht schießt" - eine Mischung aus Gedanken über die Theaterkrise, Biografie und Rückblick auf seinen Rauswurf am Burgtheater.

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Seit damals ist er kein Theaterdirektor mehr und inszeniert nur noch gelegentlich, vor allem Opern. Als "Creative Director des Red Bull Media House" hat er zuletzt internationale Fernsehserien entwickelt. "Das Besondere dieser Fernsehserien war, dass sie ein Netzwerk über verschiedene Sender, über verschiedene Länder gebildet haben, der Versuch, dass die Protagonisten der einen Serie die Antagonisten der anderen Serie werden. Ich habe dabei viel gelernt", erzählt der 61-Jährige im Interview mit der APA. "Diese Chance über einen großen, neugierigen und erfindungsreichen Mann wie Mateschitz als Theatermacher einfach mal die Welt zu wechseln, war einzigartig."

"Manchmal fehlt mir das Theatermachen natürlich sehr", gibt der heute in Salzburg wohnende Regisseur zu. Das habe aber auch etwas Positives: "Je weiter das Theater weg ist, je mehr ich von außen darauf schaue, desto klarer und existenzieller wird der Blick, den ich darauf habe." Und so sei auch sein Buch entstanden: "Der Verlag hat sich aufgrund eines 'Spiegel'-Artikels, den ich geschrieben habe, von mir ein Buch als Liebeserklärung ans Publikum gewünscht: Warum hat das Publikum in den letzten 30 Jahren am Theater seine Stimme verloren? Warum wurde das abgelöst von einem Bedeutungsgenerator zwischen den Theatern, den Kulturjournalisten und den Kulturpolitikern? Mit genug Bedeutung können Theater sogar ohne Publikum überleben."

Im Buch stellt Hartmann ein Theater der Fantasie gegen ein "Theater der Wohlmeinenden" (Zitat: "Der Kommunismus ist am falschen Menschenbild gescheitert. Das deutschsprachige Stadttheater auch.") und entwickelt mit einer "Milchmädchenrechnung" "10 Punkte zur Rettung des Theaters", die auch ein Subventionssystem inkludieren, bei dem Publikumserfolg stärker belohnt würde. "Es gibt heute bei den Theatermachern zwei Archetypen, die beide das gleich Missverständnis haben", glaubt Hartmann. "Einer sagt, mich interessiert das Publikum nicht, er sucht stattdessen ein anderes, ein avancierteres, avantgardistischeres, mit einer aufgeklärteren Sicht der Dinge. Der andere sagt, er würde Theater fürs Publikum machen. Das will er dann trösten, indem er leichtere Kost macht, Komödien und Musicals. Und das Publikum will beides nicht. Das fühlt sich verarscht, das will mit dem Theater auf Augenhöhe sein. Beides ist nicht homogen. Beides ist irgendwie pädagogisch und arrogant. Es gibt ja DAS Publikum nicht. Das Publikum bist Du selber!"

Das Buch habe allerdings beim Schreiben eine gewisse Eigendynamik entwickelt: "Ich war daran gegangen, ein Sachbuch zu schreiben, was Theater in unserer Zeit ist und warum es sich so entwickelt. Dann kam ich zur Frage, warum ich so denke, und entdeckte plötzlich mich in dieser Geschichte. So entstand eine simplicissimushafte Geschichte eines Menschen, der nicht ganz ohne Mühe seinen Weg sucht und im Theater findet. So ergibt sich hoffentlich auch ein Bild, das diese Art von Publikumssehnsucht, die ich habe, mit meiner Biografie verbindet."

Matthias Hartmann erzählt - mit vielen Anekdoten garniert -, wie hartnäckig und zielgerichtet er seinen Weg verfolgte, von der ersten Hospitanz, für die er sich vom Bildungsminister persönlich eine Extra-Schulbefreiung besorgte, bis zu seinen Intendanzen in Bochum, Zürich und Wien. Und landet damit in jenem Karriereabschnitt, der Höhe- und Tiefpunkt zugleich war. "Ich darf mit Stolz sagen, dass das Burgtheater nie so voll war wie in der Zeit, als ich dort gearbeitet habe. Bis zum heutigen Tage sprechen mich Menschen in der U-Bahn an und sagen: Mein Gott, haben wir bei Ihnen schöne Abende im Theater erlebt, das ist ja heute selten", klingt der einstige Burgtheater-Direktor wie sein Vorvorgänger Claus Peymann, wenn dieser über seine eigenen Wien-Besuche schwärmt.

"Als das Buch dann Gestalt annahm, hat mich die Frage, ob ich das Burgtheater-Kapitel noch einmal öffne, sehr beschäftigt. Und schließlich dachte ich: Ich schreibe hin, wie ich es empfinde, dass es schwer ist, dafür den richtigen Ton zu finden. Meine Fähigkeit und Unfähigkeit, so etwas zu erzählen, wird auch in dem Buch beschrieben. Ehrlicher kann man damit nicht umgehen. Und die Geschichte, die ja nicht heraus sollte, wird erzählt: Dass ich entlassen wurde, weil ich diesen Skandal aufgedeckt habe, nicht verursacht, sondern aufgedeckt!"

"Es ist kein Rechtfertigungsbuch. Das ist bewusst nur ein Kapitel in dem Buch. Das ist auch für mich vorbei", betont Hartmann, an dem freilich etwas weiterhin nagt: Seine Rolle im Finanzskandal sei eine gänzlich andere gewesen, als in der Öffentlichkeit vermittelt, ist der Ex-Burgtheaterdirektor überzeugt, dessen 2014 erfolgte Entlassung nach Einstellung des Strafverfahrens und jahrelangem Rechtsstreit 2018 in einer einvernehmlichen Vertragsauflösung samt Verschwiegenheitsklausel umgewandelt wurde. "Mit heutigem Wissensstand hätten die Parteien anders gehandelt", hieß es damals in einem gemeinsamen Statement. "Durch das lange Ermittlungsverfahren entstanden auf beiden Seiten finanzielle, zeitliche und persönliche Belastungen, was beide Parteien bedauern."

In einem Anhang wird zwar aus dieser Stellungnahme und aus manchen Dokumenten und Medienberichten zitiert, nicht aber aus manchem kritischen Rechnungshof-Kommentar zu Hartmanns Wirken am Burgtheater. "In Details habe ich es an einen profunden Investigativ-Journalisten (Rainer Fleckl, Anm.) abgegeben. Ich wollte versuchen zu verhindern, mich noch einmal in einen Rechtfertigungsmodus zu begeben", sagt Hartmann.

Der Wiederbegegnung mit manchen Kontrahenten aus jener Zeit sieht der Theatermann, der "in den ersten Jahren nicht nach Wien gefahren" ist, "weil ich die Stadt zu sehr liebe und der Schmerz deswegen zu groß war", mit Interesse entgegen: "Ich kann mir vorstellen, dass manche den Gesichtsverlust scheuen. Sie haben sich auf eine Seite schlagen müssen. Die Legende war ja sehr stark: Der Hartmann muss es gewusst haben. Ich konnte nicht vermitteln, dass ich die Dinge aufdecke und dass man mich daran hindert, indem man mich entfernt. Das wurde mir auch nicht zugestanden. Diese ganze Verzögerung kann man im Buch nachlesen. Das war ja alles vollkommen balla balla. Das war sehr gut gespielt. Es ist ein spannender Insight, dass man das aus der Nähe erzählen kann, wie so etwas funktioniert. Wenn ich das nochmals erleben würde, würde ich einfach zur Polizei gehen!"

Nicht zur Polizei, aber an die Öffentlichkeit gehen in den vergangenen Jahren immer mehr Beschäftigte aus Film- und Theaterbranche, die sich über Übergriffe oder autoritäres Verhalten ihrer Bosse beklagen. Auch Hartmann galt als jemand, der sich nicht scheute, das Machtgefälle bei der Arbeit auszuspielen. "Das tut mir auch Leid", sagt er heute. "Dazu muss man aber verstehen, aus welcher Kinderstube wir kamen. Wir waren erzogen von den größten Schreihälsen, die am Theater je ein Freigehege hatten. Wir wollten die überholen, dabei aber nicht ganz so schlimm werden wie diese Monster. Allerdings hat uns das natürlich geprägt. Die Ereignisse haben uns dann am Theater spät erreicht und dadurch das Maß verloren in beiden Richtungen. Das Pendel ist noch nicht in einer vernünftigen Weise zurückgeschwungen. Ob das gelingt und damit eine Problemlösung auf Augenhöhe ermöglicht, ist zu hoffen."

"Warum eine Pistole auf der Bühne nicht schießt" ist ein ganz subjektives Buch - und in vielen Passagen durchaus unterhaltsam geschrieben. Das Erzählen liegt dem Theatermacher Matthias Hartmann. Hat er am Ende als Autor Lunte gerochen? "Ich muss gestehen: Teilweise schon. Ich habe auch erlebt, dass beim Schreiben und beim Inszenieren etwas ähnlich wird - das sind diese Leidensphasen. Diese Art, sich nicht vorstellen zu können, dass das etwas wird, diese Mühe, diese Qual, dieses Verlassensein. Wenn sich dann doch zwei Enden zusammenfügen, bin ich froh und beschämt und verblüfft zugleich und denke mir, dass es Malern, Autoren oder Komponisten möglicherweise ähnlich geht. Ich habe ja jetzt Gott sei Dank ein Buch geschrieben, wo ich aus meinem Erfahrungsbereich etwas beschreiben darf, aber die Vorstellung, über eine große Strecke einen Roman zu schreiben, da denke ich mir: Um Gottes Willen! Eines habe ich bei der Arbeit auf jeden Fall bekommen: Respekt, Respekt, Respekt!"

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Matthias Hartmann: "Warum eine Pistole auf der Bühne nicht schießt", Ecowing Verlag, 192 Seiten, 26 Euro, Buchpräsentation: am 13. Oktober, 11 Uhr, Sträußelsäle des Theaters in der Josefstadt)

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/EcoWing Verlag

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