Regisseurin Jessica Hausner spricht über ihr Verhältnis zu Geld und Wirtschaft.
©Barbara SeyrIhr neuer Film "Club Zero" erzählt von einer Radikal-Diät, Leistungsdruck und selbstzerstörerischen Weltenrettungsideen. Im Interview für die trend.-Serie "Sprechen Sie Wirtschaft?" präzisiert die Autorin und Regisseurin JESSICA HAUSBER, was sie an unserem Wirtschaftssystem ärgert.
Am 17.11. startet Ihr Film "Club Zero" verstörend wie beklemmend schön und auch präzise designt, was Kostüm-und Farbeinsatz betrifft. Sind Sie in finanziellen Dingen auch ein so klar strukturierter Mensch? Haben Sie immer Ihren Kontostand parat? Wissen Sie am Monatsende, wohin Ihr Geld geflossen ist?
Leider nicht. Ich muss mich sehr konzentrieren, wenn es um Finanzielles geht. Da ich aber auch Produzentin meiner Filme bin, geht es nicht anders: Ich muss mich auch mit der finanziellen Seite beschäftigen. Der Vorteil dessen ist, dass ich somit Bescheid weiß, wofür das Geld in der Produktion meiner Filme ausgegeben wird, und ich kann mitbestimmen, welche Summe wofür verwendet wird. Das ist wichtig, um den Film nach meinen Vorstellungen gestalten zu können.
Der Film thematisiert die Folgen unserer Leistungsgesellschaft. Was ärgert Sie am aktuellen Wirtschaftssystem?
Ich sehe ein Problem darin, dass wir den Leistungsdruck unseres Systems verinnerlicht haben. Wir machen uns inzwischen selbst den Druck, immer noch besser zu sein. Wir leben quasi im "Wachstumsmodus". Gleich gut reicht nicht, man muss besser sein. Besser werden. Das ist sehr anstrengend und führt zu psychischen Krankheiten. Weil der Druck fast unmerklich und unsichtbar ausgeübt wird, weil es keine "Schuldigen" gibt, die man hassen kann, hasst man sich am Ende selbst. Da fühlt es sich richtig gut an, mal einen Konzern wie Google oder Amazon als Ursache des Übels zu identifizieren. Ursache ist aber das System der freien Marktwirtschaft, in das der Staat zu wenig eingreift und das daher Ungerechtigkeiten potenziert.
Wissen Sie noch womit Sie Ihr erstes Geld verdient haben und was Sie damit gemacht haben?
Ich habe in den Sommerferien 1988 im Virgin Megastore als CD-Auflegerin gearbeitet, um mir eine Reise in die USA zu leisten.
Was investieren Sie heute in sich selbst? Also wofür geben Sie leichten Herzens viel Geld aus?
Manchmal gebe ich Geld für Reisen aus, die auch mal teurer sind, zum Beispiel wenn wir als ganze Patchworkfamilie verreisen, oder manchmal gebe ich Geld für Mode aus - aber diese Guilty Pleasure hat in letzter Zeit abgenommen, da mein Kleiderschrank jetzt voll ist.
Alles ist auch teuer geworden. Wo sparen Sie derzeit?
Ich spare an Energie -in unserer Wohnung wird es kühl - und wie schon erwähnt bei Mode und bei allzu teuren Reisen, indem ich auch versuche, Flüge zu meiden.
Und was halten Sie für Ihren ganz persönlichen Reichtum, was macht Ihr Leben besser?
Meine Familie. Wenn wir Zeit haben, ein Wochenende zu Hause abzuhängen und gemütlich zu essen und Filme zu schauen, dann bin ich glücklich und fühle mich "reich".
Geld ist nie nur reines Transaktionsmittel, sondern immer auch emotional aufgeladen. Haben Frauen ein anderes Verhältnis zu Geld als Männer?
Vor allem ist Geld überlebensnotwendig. Und leider verdienen Frauen immer noch weniger als Männer - das erscheint mir der markanteste Unterschied zwischen Frauen und Männern im Verhältnis zu Geld zu sein. Die Gewohnheit bzw. die Tradition spielen hier eine große Rolle. Es ist nicht leicht, etwas anders zu machen, als es bis dahin vorher alle gemacht haben. Das habe ich gemerkt, als ich Mutter wurde und "trotzdem" weiter gearbeitet habe. Ich bin auf einmal gegen den Strom geschwommen und bekam das an vielen Stellen zu spüren. Angefangen bei der Magistratsbehörde, die zuständig ist für Au-pair-Verträge - ich wurde dort behandelt wie eine Person, die sich etwas herausnimmt, was ihr eigentlich nicht zusteht. Als würde ich zu viel vom Leben oder von der Gesellschaft verlangen, wenn ich als Mutter eine Betreuung für mein Kind in Anspruch nehme. Ich sollte mich anscheinend damit abfinden, dass meine Hauptaufgabe nun die Kinderbetreuung ist oder dass ich als Teilzeitarbeitende irgendwie schaffe, beides unter einen Hut zu bringen. Dass ich aber für mich in Anspruch nahm, meinen Beruf Vollzeit weiter auszuüben, stieß auf unreflektierte Missbilligung. Ich hab damals viel darüber verstanden, warum sich in unserer Gesellschaft wenig ändert, was die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau betrifft.
Zur Person:
JESSICA HAUSNER (1972) stammt aus einer Wiener Künstlerfamilie (Tochter des Malers Rudolf Hausner). Sie studierte Filmregie und ist mit ihren eindrucksvoll durchkomponierten Arbeiten seit ihrem ersten Langfilm, "Lovely Rita", 2001, Stammgast beim Filmfestival von Cannes. "Hotel","Lourdes" und "Amour Fou" feierten hier ebenso Premiere wie "Little Joe". 2021 saß die Mutter eines Sohnes auch selbst in der Wettbewerbsjury. Und auch ihr neuer Film, "Club Zero", sorgte heuer bereits in Cannes wie bei der Viennale für Diskussionen. Ab 17.11. 2023 ist die Sozialsatire in den heimischen Kinos zu sehen.
Das Interview ist in der trend. PREMIUM Ausgabe vom 10.11. 2023 erschienen.