
Peter Hörmanseder und Robert Stachel
©Apollonia Theresa BitzanMit seinem neuen Programm nimmt das Satire-Duo Maschek den Irrsinn unserer Zeit ins Visier. Ein Gespräch mit Peter Hörmanseder und Robert Stachel über künstliche Intelligenz, menschliche Kreativität und Fehler als Chance.
trend: Sie haben den Pressetext zu Ihrem neuen Programm, in dem es um das mögliche Ende des Lebens geht, wie wir es kennen, diesmal ChatGPT überlassen. Wie viel Schmäh hat die KI?
Peter Hörmanseder: Schmäh hat sie kaum. Lustig ist, dass die KI sich tatsächlich in den Vordergrund schreibt. Das war aber gar nicht unser Ziel. Wir wollten eigentlich nur sehen, wie die KI mit unserer bisherigen Arbeit umgehen kann.
Ihre Arbeit zeichnet der spezielle Umgang mit Medien bzw. der Text-Ton-Bild-Schere aus. Dafür haben Sie sich immer schon mit den neuesten technischen Tools beschäftigt, inhaltlich wie formal. Wann haben Sie denn die KI erstmals bewusst ins Auge gefasst?
Robert Stachel: Das war für den Jahresrückblick 2023. Da hat die KI quasi über Nacht Einzug gehalten in die professionelle Arbeitswelt. Wir haben beide Kinder im gleichen schulpflichtigen Alter und konnten beobachten, wie schnell die KI bei den jungen Leuten die Suchmaschine ersetzt hat. Und für mich ist die KI das erste Thema, bei dem ich, als jemand der ehemals auch in einem nerdigen Bereich beruflich tätig war, technisch aussteige. Wo ich nicht mehr genau erklären kann, wie das funktioniert. Wo ich jetzt auch zu den Alten gehöre.
Hörmanseder: Was die Arbeitsweise betrifft: Wir haben immer wieder Bildmaterial, wo etwas fehlt oder weg soll. Jetzt kann man die KI dazu fantasieren lassen. Man nimmt ein Bild vom Trump am Schreibtisch, und die KI kreiert rundherum Räume dazu. Aber es braucht viele Versuche, bis ein Ergebnis da ist, das lustig ist, zumindest was das Bewegtbild betrifft.
Damit arbeiten Sie nun?
Hörmanseder: Nein, damit arbeiten wir gar nicht. Alles, was wir kreiert haben, wirkt allerdings oft so, als hätte sich jemand einen Schwachsinn überlegt oder jemand die KI gefüttert. Wir bleiben bei den realen Vorgängen, weil die Idiotie in „Real Life“ groß genug ist. Was man sich an Absurditäten ausdenken kann, findet man genauso gut in der Realität. Politiker:innen haben sich längst in eine Inszenierung begeben, wo schon das Ausgangsmaterial perfekt ist: Man sieht die Eitelkeit, die Lächerlichkeit und das Scheitern. Der Untertitel dieses Programms, „Ausgang ungewiss“, beschreibt auch unsere Arbeitsmethode. Wir wissen am Anfang nicht, wo es hingehen soll. Es ist tatsächlich so, dass wir unsere Ideen abarbeiten, viele Miniaturen produzieren und verblüfft sind, wenn sich die Sachen ergänzen.
Stachel: Dabei zeigt sich auch, wie gut wir beide in der Routine der über 20-jährigen Zusammenarbeit eingespielt sind. Die Grundidee ist zu 95 Prozent von Peter, und ich bin der erste Zuschauer und reagiere. Es bleibt das Substrat einer gemeinsamen analytischen Arbeit.
Kommt die KI dann wenigstens bei der aufwendigen Archivrecherche im Vorfeld Ihrer Programme zum Einsatz?
Hörmanseder: Nein, da arbeite ich wie im letzten Jahrzehnt. Weil bei der Suche nach Material, durch das Suchen, teilweise auch durch falsches Suchen bestimmte Clips erst aufpoppen: Fehler als Chance. Ein paradoxes Beispiel: Ich suche Edith Klestil, wer den Namen noch kennt, und stoße auf einen Beitrag, wo sie als Frau des Jahres geehrt wird. Sie entsteigt einer Limousine am Küniglberg und trifft dort zufällig Arminio Rothstein als Clown Habakuk. Ein völlig absurdes Bild, das ich nicht mal zu denken gewagt hätte, geschweige denn als Suche eingegeben hätte. Jetzt ist es in meinem Archiv abgespeichert.
Zu den Personen
Kennengelernt haben sich die ursprünglich drei Mannen der Satiregruppe - Peter Hörmanseder, 54, Robert Stachel, 52, und Ulrich Salamun, 54, (er lebt mittlerweile als Kaffeeproduzent in Nicaragua) – beim Studium in Wien. Was als Blödelei zur Nationalratswahl 1999 begann, nämlich TV-Bildern durch Livesynchronisation eine völlig andere Bedeutung zu geben, ging als neue Form der Satire in Serie. Neben ihren Programmen liefern Maschek jährlich einen Jahresrückblick mit Kultstatus, seit 2012 sind sie fixer Bestandteil der wöchentlichen ORF-Late-Night-Show „Willkommen Österreich“, seit einem Jahr haben sie auch eine eigene monatliche Sendung im ORF.
Das neue Programm „Exit – Ausgang ungewiss“ hat am 3. April im Wiener Rabenhof Premiere; Info & Termine: maschek.org
Der Trendforscher Matthias Horx hat ein Manifest geschrieben über die KI als neue Superreligion der Gegenwart: von den segensreichen Möglichkeiten, wenn sie mit menschlicher Intelligenz genutzt wird und die Entlastungserwartung erfüllt, uns langweilige Mühseligkeiten abzunehmen, bis zu der Gefahr, dass uns künstliche Intelligenz mit einer Schwemme unendlich reproduzierter Banalitäten verblöden wird.
Stachel: Das ist gut beobachtet und deckt sich mit meinen bisherigen Erfahrungen, wo ich KI in mein Arbeitsleben eingebunden habe. Wenn man ChatGPT etwa wie eine künstliche Dramaturgin einsetzt, also die KI beim Brainstormen zuhören und die Gedanken ordnen lässt, ist es ein Tool, das einen ins strukturierte Arbeiten bringt, und ein Werkzeug, um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Ich habe da nicht um die Arbeitsplätze der Kreativen Angst, die eigene Ideen haben, das kann die KI noch nicht, sondern um all die assistierenden Jobs, die die KI schon jetzt gut und billig und ohne geringfügige Beschäftigung übernehmen kann.
Wird „Exit – Ausgang ungewiss“ nun ein Programm von KI, mit KI oder über KI?
Hörmanseder: Von KI sicher nicht. Aber KI kommt inhaltlich vor. Ein Beispiel: Wir haben eine Geschichte dabei, wo Geert Wilders in den Niederlanden die KI beauftragt hat, Abschiebungen zu koordinieren. Möglichst effizient. Dazu wurde sie mit bestimmten Stichwörtern gefüttert: Wesen, die auf den Straßen herumlungern, aus dem südlichen Mittelmeerraum. Dann stellt sich heraus, das sind Katzen: Und dann werden die Katzen abgeschoben …
Stachel: Unser Bildmaterial dazu ist Wilders im Tierheim, aber die Backgroundstory ist Arbeiten mit KI. Das ist der Maschek-Approach. Keine Expertise, keine Anklage, sondern die KI als ein gesellschaftspolitisches Thema, wie es schon die Finanzkrise oder Corona in unseren Programmen war. Wir betrachten „Exit“ als Part drei unserer Serie „Fake! In Wahrheit falsch!“, wo wir uns die Frage gestellt haben, was tun, wenn Satire und politische Realität nicht mehr zweifelsfrei unterscheidbar sind, und „Spin! Wie man dreht und wendet“, wo wir uns mit Spindoktoren und Message Control beschäftigt haben. Das sind Themenabende mit größerem Abstand zum tagespolitischen Geschehen, wie wir es im Jahresrückblick, im Wochenrückblick in „Willkommen Österreich“ oder seit einem Jahr auch im Monatsrückblick unserer eigenen ORF-Show verarbeiten. Die Themenabende sind unser Steckenpferd, wo wir einen anderen dramaturgischen Bogen spannen können zu all dem, was unter den Nägeln brennt. Die ganze Craziness, wo man mit offenem Mund vor den weltpolitischen wie kommunalpolitischen Vorgängen steht, also von Trump bis zum Doch-noch-Zustandekommen unserer neuen Koalition.
Hörmanseder: Man wird den Abend nicht nacherzählen können. Wir spielen mit dem Wort Exit in verrückten Zeiten wie diesen. Vor einigen Wochen wäre das Programm auch noch anders ausgerichtet gewesen. Im Falle, dass Kickl Kanzler geworden wäre und wir eine unangenehme, extrem rechte Regierung bekommen hätten, gab’s von vielen Leuten den Impuls, das Land zu verlassen: Raus! Exit! Zweitwohnsitz Dubai? Bei den unmittelbaren Nachbarländern ist die Exitmöglichkeit minimiert. Slowakei? Ungarn? Italien? Jetzt haben wir doch eine andere Regierung und der Impuls der weniger Analytischen ist: Jetzt ist alles gut, nur weil sich Stocker mit Babler und Meinl-Reisinger zusammengefunden hat.
Stachel: Aufbruch ist das keiner, aber, um Horx weiterzuspielen, die Hoffnungserwartung ist, dass es so schlimm nicht wird. Das manifestiert Stocker besser, als es sichtlich Nehammer konnte.
Da hat er wohl die Zähne nicht genug zusammengebissen.
Stachel: Um die Rolle tut es mir tatsächlich leid. Er ist mir ans Herz gewachsen, auch wenn ich beim letzten Jahresrückblick 2024 bereits gemerkt habe, dass mein eigenes Gebiss schon zu knirschen anfängt. Was das Programm betrifft, ist uns die Erwartung, dass es ein Abend über KI wird, weniger wichtig als die Betonung auf: Ausgang ungewiss. Das hat eine Doppelbedeutung. Man weiß nicht, wo es rausgeht, und schon gar nicht, wie es weitergeht, und ist orientierungslos, auch als jemand, der sich bisher politisch für einigermaßen begabt gehalten hat.
Hörmanseder: Der Informationsfluss ist so wahnsinnig geworden, man muss sich selbst ständig überprüfen. Ist das etwas, was den Fakten entspricht, oder ist das etwas, das ich gerne höre?
Stachel: Als ich vor 30 Jahren Publizistik studiert habe, war einer der Kernsätze, die uns einbetoniert wurden: Trennung von Meinung und Fakten. Großes Vorbild dazu war die „New York Times“ mit ihrer Opinion-Seite. Kernsatz zwei beinhaltet, dass eine Zeitung nicht auch einen Fernsehsender haben darf. Beide Forderungen klingen völlig utopisch aus heutiger Sicht. Und man fragt sich: Wie konnte das passieren in so kurzer Zeit?
Was bedeutet KI denn für den kreativen Bereich? Mittlerweile entsteht auch Musik, Literatur oder bildende Kunst mithilfe künstlicher Intelligenz. Sie selbst haben für die Pressefotos zur Show auch die KI bemüht.
Hörmanseder: Ich glaube, dass es in jeder Kunstrichtung einige wenige geben wird, die KI genial einsetzen werden. Wenn jemand malen kann, kann er alles, was er sich denkt, malen. Wenn jemand nicht malen kann, aber Ideen hat, kann die KI aushelfen. Wenn man die KI füttert, ohne sie zu beherrschen, macht sie immer nur, was ihr entspricht. Das hat sich an unseren Pressefotos gezeigt: Wir haben mit vielen Referenzbildern von uns beiden gearbeitet, Robert hat immer nach Robert ausgeschaut, ich immer wie ein älterer Herr, der sich zwar immer ähnlich geschaut hat, aber nichts mit mir zu tun hatte. Es braucht also die Übersetzung der menschlichen Fähigkeit zur Kreativität in das Tool.
Auch ein Angriff auf Ihre Kunst?
Stachel: Wenn man es rein formal betrachtet, ist unsere Kunst das Parodieren von Stimmen. Ich hätte bis vor fünf Jahren noch gesagt, das wird die Maschine nie perfekt können, schon gar nicht im österreichischen Dialekt. Aber ich habe zum Spaß auf der Musik-App Suno eingegeben: „Kreiere ein Lied im österreichischen Dialekt zum Thema Ski fahren, mit dem Refrain ‚Schifoan is des leiwaundste‘.“ Und schon kam ein wirklich unglaublich guter Hüttenhit raus. Man sollte meinen, KI hat den österreichischen Markt gar nicht am Schirm, aber die KI kann sogar Wienerisch, auch wenn alles nach Wanda oder Seiler und Speer klingt. Und das Gleiche kann die Maschine bei Parodien. Wenn man unsere realen Clips nehmen würde und am Ende noch eingibt: „Bitte ersetze, was Maschek sagt, mit den echten Stimmen“, würde das perfekt klingen. Damit stellt sich die Frage: Was ist unsere Kunst? Ist es nur die Idee, sind es die Dialoge, die Pointen oder ist es die Art, wie wir sprechen oder Geräusche einbauen? Im Idealfall alles zusammen.
Angst, dass jemand die KI auf Maschek trainieren könnte?
Stachel: Nein, denn letztlich kommen die Leute nicht in unsere Show, weil wir die Stimmen so toll nachmachen können, sondern wundern sich im Gegenteil, wenn sie HP Van der Bellen in echt hören, wie der wirklich redet. Wir lernen seit 25 Jahren ein Instrument und üben das mehrmals die Woche. Das ist unsere Kunst. Unser Livespiel und -drüberreden ist das Allerwichtigste. Wie ein Unplugged-Konzert – mal abgesehen vom Videobeamer.
Hörmanseder: Und die Humorhaken, die wir machen, die teilweise klug, teilweise aber auch ganz hanebüchen und dümmlich sind, wie etwa Namenswitze, die wir zelebrieren. Da wäre es spannend, ob die KI eine Moral entwickeln würde nach dem journalistischen Gesetz, das da sagt: Namenswitze, niemals. Dann wäre das Projekt „Die KI macht Maschek nach“ ohnehin sofort tot. Ohne Namenswitze funktionieren wir nicht. Knapp daneben gelegen, ist bei uns ganz wichtig.
Horx’ Conclusio ist, dass die KI eine Gegenökonomie erzeugt, eine humanistische Renaissance, in der wir uns in unserer Menschlichkeit wieder stärker überprüfen. Sehen Sie das auch so?
Hörmanseder: Das wird vielleicht bei einer kleinen Menschengruppe passieren, die die Zeit hat, darüber nachzudenken. Bei der Mehrheit ist wohl das große Ziel, erstmals alles auszuprobieren. Wovon eine Industrie profitiert, das wird nicht mehr verschwinden, sondern immer als Verbesserung und Erleichterung verkauft werden.
Stachel: Da kommen wir in einen sehr großen Möglichkeitsraum von gesellschaftlichen Utopien und Dystopien. Optimistisch war ich nie in gesellschaftlichen und politischen Fragen. Aber ich fürchte mich wesentlich mehr vor dem Technofeudalismus als Ganzes. Ich gehöre ja auch zu den glücklichen Leuten, die sich etwas weglegen können, statt sich etwas ausborgen zu müssen. Und in den letzten Jahren ist man mit Technologieaktien gut gefahren. Aber in dem Moment, wo ich mein Erspartes auf die eine Waagschale legen muss und meine politischen Forderungen auf die andere, haben wir Bobos uns sehr schön selbst ausgetrickst, denn unsere Kohle liegt, wenn nicht bei Tesla, dann zumindest bei Microsoft und Nvidia. Also beißt man nicht mehr die Hand, die einen füttert. Ein politisches Luxusproblem.
Hörmanseder: Also besser jetzt alles auf den hochprofitablen Rüstungsgiganten Rheinmetall setzen …
Liefern Sie mit „Exit“ einen Ausgang?
Hörmanseder: Viele Leute kommen nach unseren Programmen und bedanken sich bei uns, dass wir sie in schwierigen Zeiten bei all dem Irrsinn zum Lachen bringen. Die Weltlage ist gerade für jeden eine Überforderung. Daher werden wir auch diesmal neben dem Versuch einer intelligenten Erzählung genug herumblödeln, sodass man sich hoffentlich aus der Fassungslosigkeit herauslacht. Diesen Exit bieten wir an.
Das Interview ist in der trend.EDITION vom 21. März 2025 erschienen.