Durchstarter bei den "Besten unter 40": Robert Gabris (Platz 14) kämpft für die Sichtbarkeit queerer Roma- Communitys und gegen "Diversity-Washing" in der Kunstwelt.
©Janine SchranzTrotz Abkühlung im Kunstjahr 2023 haben sich heimische Künstler:innen eine beachtliche Position erkämpft. 73 Expert:innen haben für trend die besten etablierten und jungen Kunstschaffenden des Landes ermittelt und ihren Erfolg analysiert.
Entdeckt wurden die in New York lebende kanadische Künstlerin und ihre im popkulturellen Altmeistermix gemalten Frauenfiguren erst vor vier Jahren. Via Instagram. Im Vorjahr verzeichnete Anna Weyant dann bereits mit ihrem Gemälde "Falling Woman" bei Sotheby 's mit 1,6 Millionen Dollar einen neuen Auktionsrekord am Sektor Ultracontemporary, also der Künstler:innen unter 30 - im Alter von 27 Jahren und mit US-Stargalerist Larry Gagosian im Hintergrund, der auch österreichische Positionen wie Rudolf Polanszky im Programm hat und wesentlich an der Karriere des 2012 verstorbenen Franz West beteiligt war, dessen Papierarbeiten die Galerie auch Mitte Oktober bei der Frieze Masters in London prominent präsentiert hat.
Der Markt schielt gerne nach solchen Superergebnissen, die verkündet werden wie Topergebnisse aus dem Spitzensport. "Dennoch bleiben das Phänomene, die in London und New York passieren, aber nicht in Wien", betont Otto Hans Ressler, als Auktionator der Ressler Kunst spezialisiert auf zeitgenössische Kunst österreichischer Provenienz. Er wehre sich aber gegen die Behauptung, "dass unser Markt unbedeutend sei. Die österreichischen Galerien und Künstler:innen haben sich eine beachtliche Position erkämpft, wenn auch nicht im Millionen-Dollar-Bereich. Dafür wird vielfach eine stabilere, ehrlichere und nachhaltigere Arbeit geleistet."
Geht man nach dem aktuellen "Global Art Market Report", den die Kulturökonomin Clare McAndrew alljährlich im Auftrag der Art Basel und der Schweizer Großbank UBS erarbeitet, wurde 2022 weltweit Kunst im Wert von 67,8 Milliarden Dollar verkauft. Das ist ein Anstieg um drei Prozent und der zweithöchste Wert nach dem Spitzenjahr 2014. Weder der Krieg noch die Befürchtungen über eine wirtschaftliche Rezession konnten den Kunstmarkt beeinträchtigen. Geht man weiter ins Detail, zeigt sich allerdings, dass nur das oberste Marktsegment floriert, während das mittlere und das untere Segment stagnieren, wie die Expertin aufschlüsselt.
Der heimische Markt
"2022 war ein überdurchschnittlich gutes Jahr. Das lässt sich über 2023 nicht sagen, da hat sich eine gewisse Abkühlung bemerkbar gemacht", bestätigt Ressler seinerseits eine neue Bedachtsamkeit am heimischen Markt: "Sammler:innen überlegen genau, wie sie investieren wollen. Vor allem Käufer:innen der unteren Mitte sind kostenbewusster und selektiver geworden." Für den Experten nicht ganz nachvollziehbar. Zumal sich Kunst als solide und sichere Anlage erwiesen hat, wie der Artprice100 Index beweist, der zeigt, dass der Kunstmarkt während der großen Krisen der jüngsten Vergangenheit - vom Nasdaq-Absturz 2000 über 9/11, den Irak-Krieg 2003 bis zur Covid-19-Krise – weit besser abgeschnitten hat als der Aktienmarkt. "Es gibt eine unglaublich hohe Inflation, von der man meinen möge, dass die Leute in Sachwerte wie Kunst ausweichen, das tun sie aber nicht", so Ressler. Gute Preise werden nur mit Blue Chips erzielt. Mit Namen wie Maria Lassnig oder Hermann Nitsch.
"Sammler:innen werden wählerischer und konzentrieren sich mehr auf etablierte Namen als auf den gehypten Nachwuchs", bestätigt auch Art Consulter Valentin Kenndler ein neues Mindset der Werthaltigkeit. "Man schätzt Sicherheit und kauft auch von bekannten Künstler:innen bevorzugt Positionen aus der richtigen Phase, also bei Brus, Nitsch oder Rainer Arbeiten aus dem Frühwerk. Auch wenn frühe Rainer-Übermalungen ein Zehnfaches der Arbeiten aus den 2000er-Jahren kosten." Die Lust, in junge, aber auch schon zu hohen Preisen gehandelte Shootingstars zu investieren, ist aktuell eher gering.
Für Stefan Rothleitner, der seit 20 Jahren als freier Berater mit Fokus auf der heimischen Kunstszene arbeitet, durchaus nachvollziehbar. Auch er selbst sei selektiver geworden: "Notwendigerweise, denn der Markt hat sich insofern verändert, dass es eine unglaubliche Flut an künstlerischen Positionen gibt und dabei auch viele Behauptungen und Getöse. Nicht jedes Werk geht in den Kanon der Kunstgeschichte ein, und das Kunstmarktsystem ist nicht gerecht, oftmals wird auch für Schrott viel bezahlt", so der Experte.
Die neue Transparenz, die durch den Onlinemarkt und die Digitalisierung entstanden ist, lässt Sammler:innen zwar auf jede Information zugreifen, permanente Präsenz sowie ökonomischer Erfolg verdrängen aber oftmals ästhetische Kriterien als Gradmesser für künstlerische Relevanz.
Auch wenn mittlerweile viele junge Künstler:innen Instagram als Verkaufsraum nutzen und ein Drittel der Sammler :innen Kunst auch über Instagram kauft, bleibt die Arbeit der Galerien wichtig, denn Kunst ist, so die Wiener Galeristin Victoria Dejaco, "kein vermittlungsfreier, sondern ein vermittlungsintensiver Markt. Eine gewisse Wertschätzung für die Kunst kommt erst mit dem geschärften Auge."
Überhitzte Preise, wie sie derzeit am internationalen Markt für ultracontemporary Postionen bezahlt werden, "verzerren vieles und setzen auch junge Künstler:innen unter Druck", erklärt Alexandra Grubeck, die viele Karrieren heimischer Künstler:innen als Galeristin begleitet hat, ehe sie sich als Art-Consulterin selbstständig gemacht hat: "Ein künstlerisches Œuvre braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Daher kann man bezüglich Wertsteigerung immer nur Prognosen abgeben, aber keine Garantien."
Das Ranking
Seit genau 20 Jahren liefert der trend-Kunstguide solche Prognosen, indem er die Brancheninsider:innen der heimischen Kunstwelt bittet, ihre Einschätzungen zu künstlerisch interessanten Positionen und deren Potenzial abzugeben. Und seit 20 Jahren erweist sich das Kunstranking als Orientierungshilfe wie Bestandsaufnahme einer immer komplexer werdenden Szene. Auch der heimische Markt ist offener und diverser geworden. Karrieren gehen immer schneller, weder lassen sich Positionen zu bestimmten Ismen zusammenfassen noch Künstler:innen in ihrem Wirkungskreis nur einem Land zuordnen. Waren es 2003 noch 135 Künstler:innen, sind es heuer 963, die positioniert werden wollen.
Auch im Jubiläumsjahr haben wir daher wieder auf das bewährte System zurückgegriffen und eine prominent besetzte Jury gebeten, ihr Wissen über die Marktgesetze bei der Bewertung von Österreichs Künstler:innen zum Einsatz zu bringen. 73 Marktprofis, darunter Museumsdirektor:innen, Sammler:innen, Kurator:innen, Art Consultants, Auktionator:innen und Galerist:innen (siehe trend-Kunstguide 2023: Die Jury), haben insgesamt 963 Künstler:innen nach den Kategorien künstlerische Bedeutung, kommerzieller Erfolg und Zukunftspotenzial bewertet und abgewogen, was in der heimischen Szene zählt, was diskurs-, was marktfähig ist oder wird. Nach der Gesamtpunktezahl wurden dann die 100 erfolgreichsten heimischen Künstler:innen ermittelt. Neben den Listen der 100 etablierten und verstorbenen Künstler:innen finden Sie auch ein eigenes Ranking der besten unter 40-Jährigen.
Für Anleger:innen ist besonders die Spanne zwischen hohem künstlerischem Wert und noch nicht ausgereiztem kommerziellem Erfolg der Künstler:innen von Interesse. Denn je größer diese Spanne, desto kalkulierbarer die Wertsteigerung. Komplettiert wird das Ranking durch die zehn besten Auktionsergebnisse heimischer Künstler:innen am internationalen sowie am nationalen Markt (siehe trend-Kunstguide 2023 - Die Topzuschläge für österreichische Künstler:innen).
Die Wertung
Die Verschiebungen innerhalb der Top Ten sind üblicherweise minimal. Wie schon im Vorjahr hat die Jury auch heuer Valie Export auf Platz eins gehoben. Und damit eine Künstlerin, die nicht nur als Pionierin der Medien-und Performancekunst gilt, sondern durch ihre feministische Position auch die Kunst der 1960er-und 70er-Jahre bedeutend geprägt hat. Mit Galerist Thaddaeus Ropac im Hintergrund wird das Werk der 83-jährigen Multimediakünstlerin auch international neu bewertet. Im deutschen "Kunstkompass" – hier wird die Resonanz gewertet, die Künstler:innen in der Fachwelt auslösen - stieg sie um elf Plätze auf Rang 80 der 100 weltbesten Zeitgenoss:innen. Platz zwei im trend-Ranking belegt heuer Herbert Brandl, Rang drei hat sich zum 85. Geburtstag der legendäre Wiener Aktionist Günter Brus erobert.
Frauen weiter auf dem Vormarsch
Mit Export an der Spitze zeigt sich, dass Frauen auch am Kunstmarkt weiter auf dem Vormarsch sind und in der Gunst von Galerist:innen und Sammler:innen ebenso steigen wie im Preis. Ein Wandel, der sich auch dank zunehmender Präsenz von Frauen an der Spitze der großen Galerien und Auktionshäuser vollzieht. Mit der wirtschaftlichen Unabhängigkeit nimmt auch die Zahl der Sammlerinnen zu, die wiederum mehr Künstlerinnen in ihren Sammlungen vertreten haben wollen.
Das demonstriert auch die Neubewertung von kunsthistorisch relevanten feministischen Positionen wie dem Œuvre von Margot Pilz. Die 87-Jährige stieg nach internationaler Ausstellungspräsenz um weitere zehn Plätze auf Rang 72 und hat die Experten auch mit ihren neuen Werkgruppen über körperliche Veränderungsprozesse überzeugt. Mit Galerienarbeit von Thaddaeus Ropac hat auch Martha Jungwirth ihren Vorjahresplatz sechs behauptet, die 2024 im Guggenheim Bilbao vertreten sein wird. Dass die Jury Renate Bertlmann nach ihrer Personale im Belvedere 21 um weitere neun Plätze auf Rang 16 hob, belegt nicht nur die Wertschätzung der feministischen Avantgarde, sondern auch, wie wesentlich es ist, nicht nur am Markt zu reüssieren, sondern auch von den Institutionen verhandelt und ausgestellt zu werden. Das garantiert Werthaltung bzw. Wertsteigerung.
Neueinsteiger:innen
Unter den Neueinsteiger:innen in die top 100 der Arrivierten findet sich auch Ulrike Müller, die mit Wohnsitz New York und starker Präsenz am internationalen Markt schon lange für Furore sorgt, hierzulande aber noch nicht gebührend eingereiht wurde.
Unter den Aufsteiger:innen finden sich aber auch männliche Marktveteranen wie Peter Kogler (er stieg um 14 Plätze auf Rang neun), Erwin Bohatsch (Platz 18) oder der 78-jährige Bildhauer Fritz Panzer, der es mit seinen Drahtskulpturen heuer um 39 Plätze voran auf Rang 70 schaffte. Insgesamt gibt es diesmal elf Neueinsteiger:innen unter den top 100.
Peter Kogler
Die besten unter 40
Die Liste der Emerging Artists führt dann noch klarer vor Augen: Frauen und eine neue Auseinandersetzung mit Gender und Identitätsfragen gewinnen weiter an Bedeutung. 36 Plätze der top 50 werden von Frauen und einer nonbinären Person belegt. Unverändert präsentieren sich auch hier die ersten drei Plätze. Auf Platz eins der Besten unter 40 ist zum dritten Mal die steirische Bildhauerin Angelika Loderer, die die Jury mit ihren medienreflexiven, filigranen Skulpturen überzeugte, für welche die 39-Jährige auch mit Materialien wie Gusssand oder Pilzsporen experimentiert. Weiter rasant vorangetrieben hat auch Anouk Lamm Anouk ihre Karriere. Mit internationaler Ausstellungstätigkeit, topvernetzt und auf Instagram stark präsent belegt die 31-jährige nonbinäre Wiener Maler:in erneut Platz zwei. Auf Rang drei rangiert die 37-jährige Sophie Thun, die sich in ihren Fotoarbeiten mit unterschiedlichen Verfahren des Selbstporträts auseinandersetzt und das Medium der Fotografie reflektiert.
Für Sammler:innen mit Investmentgedanken ist die trend-Liste der U40 vor allem jenseits der top 50 spannend (die gesamte Liste gibt es als E-Paper unter trend. at). Denn da sind Künstler:innen mit Potenzial zu beobachten, die demnächst die vorderen Plätze aufmischen könnten. Wie etwa Minda Andrén mit ihren visuellen Bilderrätseln, aber auch Namen wie Karo Kuchar, Anna Vasof, Veronika Suschnig oder Huda Takriti sollte man sich merken.
Extrem divers
Das trend-Ranking der Emerging Artists spiegelt auch die wichtigsten Themen der Next Generation, die inhaltlich und formal extrem divers auftritt. Zum einen besteht ein starker Fokus auf Körperlichkeit, wobei etablierte Konzepte von Gesellschaft und Geschlecht in Frage gestellt und die Spannungen zwischen intimen und äußeren Einflüssen hervorgehoben werden. Aus eigenem Erleben gespeichert und emotional in Szene gesetzt sind etwa die Arbeiten von Robert Gabris. Der 37-jährige Slowake, der sich für die Sichtbarkeit queerer Roma-Communitys einsetzt und das "Diversity- Washing" in der Kunstwelt kritisiert, lebt seit 2010 in Wien. Er hat 2022 den Belvedere Art Award gewonnen und ist auch aktuell mit seiner Installation von der Documenta 15 in Kassel im Belvedere 21 zu sehen. Die Jury rankte den Neueinsteiger gleich auf Platz 14.
Auch eine Entwicklung der vergangenen Jahre schreibt sich weiter fort: Multimedialität. Viele der U40-Künstler:innen zeichnet eine große Lust am Experiment aus, sowohl bei Formensprache wie bei Materialverwendung. Sie beschränken sich nicht mehr auf eine Disziplin, sondern mischen angewandte und bildende Kunst, Keramik-, Textil-und oftmals auch Sounddesign. Zu den Emerging Artists, die man sich merken sollte, zählt Philipp Timischl. Der 34-jährige Grazer, der mittlerweile in Paris lebt, wurde heuer als einziger Österreicher in die "Stars von morgen"-Liste des deutschen "Kunstkompass" aufgenommen und belegt da Platz 64. Im trend kam er von Platz acht auf Rang fünf. Auch die 32-jährige Nana Mandl wurde mit ihrem bunten Textil-Collagen-Kosmos von der Jury von Platz 13 auf Rang sieben gehoben.
Besonders auffallend auch der Fokus auf skulpturale Elemente und Installatives wie bei up-and-coming Künstler:innen wie Brishty Khatun Alam, Michèle Pagel, Thea Moeller oder Irina Lotarevich - und die starke Präsenz der figurativen Malerei mit narrativen Elementen wie bei Matthias Noggler, der von 34 auf Rang 19 stieg.
Let`s get digital
Gleichzeitig verändern neue Werkzeuge wie die künstliche Intelligenz die Art und Weise, wie Kunst geschaffen wird, und sind kaum mehr aus der Produktion wegzudenken. "Prompten lernt man heute als Künstler:in so wie früher Aktzeichnen, damit man eine KI briefen kann. Da entsteht Spannendes, da brodelt der Markt", unterstreicht Art Consulter Kenndler. Er ist überzeugt, dass digitale Kunst und die Beschäftigung mit Augmented Reality das großes Thema der Zukunft sind. "Die Digitalisierung prägt unseren Alltag. Da ist es nur logisch, dass wir uns damit beschäftigen möchten." Dass die KI-Kunst am Kunstmarkt funktioniert, beweist u. a. das Duo Hanakam & Schuller (Platz sechs), das gerade eine neue Werkserie mit KI-generierten Bildern präsentiert hat. Großes Potenzial haben auch die computeranimierten Fotoarbeiten und bildbasierten Skulpturen von Simon Lehner, der heuer bereits von Rang 53 auf Platz 39 kam. Die Arbeiten des 27-jährigen Welsers, der von der Berliner Galerie Kow vertreten wird, waren nicht von ungefähr letztes Jahr international in gleich zwölf Ausstellungen zu sehen.
Und auch die 29-jährige Künstler:in Ernst Lima (Platz 57) komponiert ihre "digital drawings" am Computer und druckt sie dann auf Latex oder Leder. Von Lima stammt auch das Foto von Christiane Peschek, das heuer das Cover ziert. Im Zentrum der Arbeit der 39-jährigen Salzburgerin, die an der Universität für angewandte Kunst wie an der Akademie der bildenden Künste studiert hat, steht die Abbildbarkeit des Ichs. Sie greift bei ihren großformatigen Porträts auf digitale Möglichkeiten der Selbstoptimierung zurück und erforscht die Beziehung von Körper und Screen. Dazu speist sie etwa die KI mit Datensätzen ihrer Selbstporträts und lässt sich neu zusammensetzen oder experimentiert offensiv mit diversen Bildbearbeitungsprogrammen und Filtern, bis ihr Gesicht unkenntlich wird. Mit Fragen, wie die Welt via "internet gaze" visuell vermittelt wird und ob sich damit herkömmliche Geschlechtervorstellungen überwinden lassen, sowie der perfekten Selbstinszenierung findet ihr Œuvre sowohl im Diskurs wie auch am Markt Anklang und trifft sichtlich den Nerv der Zeit. Die Jury hievte sie gleich um 24 Ränge höher auf Platz 19.
Instagrammable
Thematisch setzt sich eine neue Künstler:innengeneration natürlich auch mit der Rettung des Planeten auseinander, mit Fragen zu Klima und Nachhaltigkeit, Völkerrecht und Kriegsschauplätzen. "Dass sich Künstler:innen mit den relevanten Fragen der Gegenwart beschäftigen, war schon immer so", sagt Mona Hahn. Für die Professorin an der Akademie der bildenden Künste, die mit all den neuen Strömungen stets bereits im Ansatz konfrontiert ist, hat aber die Tendenz, künstlerische Zeitgenoss:innenschaft auf eine Art Schlagzeilenformat zu reduzieren, stark zugenommen: "Ich wünsche mir, dass die vorgebliche Alleswisserei komplexen Sachverhalten und politischen Konflikten gegenüber vorbei ist. Mit künstlerischen Mitteln ist es dazu oft nur möglich, ein oberflächliches Zeichen zu setzen. Daraus wird dann leider allzu leicht ungewollter Populismus mit sehr kurzer künstlerischer Verfallszeit." Sie rät vielmehr, sich "in der Kunstgeschichte rückzuversichern und wieder positive Demut gegenüber der Komplexität von Themen und der Kunst selber zu zeigen", wie es erfreulicherweise gerade in der Malerei passiere: "Es wird wieder von den Möglichkeiten der Kunst, Illusionen und Unsichtbares darzustellen, gesprochen", freut sich Hahn über die Reaktion auf Bilderflut und profane Abbildbarkeit des Vorhandenen.
"Kunst ist sehr instagramable geworden", kritisiert auch Lena Freimüller, die mit intensiver Galerienarbeit von Klagenfurt aus starke Zeichen für Künstler:innen wie Viktoria Morgenstern oder Terese Kasalicky setzt. Sie will Leute wieder zum Blick hinter die Oberfläche herausfordern, "ungefiltert, analog und nicht nur im Feed".
"Jede Krise bietet auch eine Chance", resümiert Galeristin Silvia Steinek angesichts der Lage. Sie ortet einen neuen Zusammenhalt in der Kunstszene und freut sich, dass nicht nur eine junge Künstler:innengeneration, sondern auch eine neue Galerist:innengeneration kollegial die Share-Economy hochhält. Außerdem gebe es ein großes Bedürfnis, Zukunft anders zu denken: "Ökologische Fragen sind auch im Kunstbetrieb allgegenwärtig, und man überlegt mittlerweile sehr genau, was man wann wo zeigt, um nicht sinnlos Kunstwerke zigfach um den Globus fliegen zu lassen." Das belegt auch der Messebetrieb: Zählte man 2019 noch 408 Veranstaltungen weltweit, waren es 2022 nur noch 346.
Einen guten Überblick über neueste Positionen der heimischen Kunstszene kann man sich abseits jeglichen Messetrubels noch bis 14. Jänner in der Ausstellung "Über das Neue" im Wiener Belvedere 21 verschaffen und im besten Fall natürlich mit dem neuen trend-Kunstguide.
Der trend-Kunstguide 2023 ist in der trend. PREMIUM Ausgabe vom 27. 10. 2023 erschienen.
Das komplette Ranking aller Künstler:innen gibt es online als E-Paper auf trend.at