Robert Palfrader und Ruth Brauer-Kvam in „Ein bisschen trallalala“ an der Wiener Volksoper.
©Wiener VolksoperSchauspieler, Kabarettist, Autor und Kaiser. Und jetzt singt Publikumsliebling ROBERT PALFRADER auch noch. Für die Revue „Ein bisschen trallalala“ schlüpft er in der Volksoper in die Rolle des Sängers und Komikers Max Pallenberg. Ein Gespräch übers Unterhaltungshandwerk.
Gerade erst haben Sie die eigene Familiengeschichte väterlicherseits in Ihrem ersten Roman „Ein paar Leben später“ aufgearbeitet, schon schlüpfen Sie in ein anderes Leben. Was wussten Sie vorab von Max Pallenberg, den Kurt Tucholsky als „einen Teufel, entgleisten Gott und großen Künstler“ beschrieb?
Er hat viele Komplimente von großen Geistern seiner Zeit bekommen, auch von Alfred Polgar, der ihm eine eigene Monografie gewidmet hat, aber ich habe ihn nicht gekannt. Der Grund, warum ich bei der Produktion mitmache, ist, weil Ruth Brauer-Kvam mich dabeihaben wollte. Das hat mich tief geehrt. Wir sind seit Jahrzehnten befreundet, haben aber noch nie miteinander gearbeitet.
Ich habe keine Sekunde nachgedacht und Ja gesagt, bevor ich wusste, was das werden wird. Mir hat auch der Name Fritzi Massary nichts gesagt. Gar nichts. Ich habe dann erfahren, dass das zwei außergewöhnliche Künstler waren, denen wir die Ehre – hoffentlich ist es eine – erweisen. Wir versuchen eine Hommage an die beiden Wiener Paradiesvögel, die erst in Berlin zu Superstars geworden sind.
Operettendiva und Schauspielgott: Fritzi Massary (1882-1969) und Max Pallenberg (1877-1934)
Man kennt Sie als einen der politsatirischen „Staatskünstler“ wie als Solokabarettist – als Theaterschauspieler waren Sie schon länger nicht auf einer Bühne zu erleben.
Es ist vor allem das erste Mal, dass ich mit einem so großen Orchester auftrete, denn ich spiele nicht nur, ich singe auch, wobei singen ein sehr großes Wort ist für das, was ich machen werde. Ich habe viele, viele, viele Stunden mit unserem musikalischen Leiter Adam Benzwi, seinem Klavier und meiner Stimme verbracht. Eine interessante Erfahrung, meine Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Das ist alles Neuland für mich und ich lerne gerade wahnsinnig viel. Aber es ist überhaupt ein spannendes Jahr für mich, weil ich bei einigen Projekten Neuland betreten habe, wie zum Beispiel mit der Veröffentlichung eines Buches. Einen Roman zu schreiben ist auch eine neue Aufgabe gewesen. Ohne Ghostwriter und künstliche Intelligenz. Dafür hatte ich zu viel Ehrfurcht vor dem Handwerk des Schreibens.
Ein einsamer Prozess …
Ich war sehr diszipliniert, habe das Telefon abgedreht, habe im Haus im Waldviertel geschrieben, und meine Familie hat mir Raum und Ruhe gegeben. Es war ein überraschend intensives Erlebnis und ein bisschen ein Kampf mit mir selbst, aber ein sehr freies Arbeiten, das ich sehr geschätzt habe.
Als Satiriker lässt es sich bei den eigenen Texten gut improvisieren, wie geht’s Ihnen mit den Operettenhits?
Da muss man sehr exakt sein, und man wird sehr schnell korrigiert, weil es Texte sind, die ein jeder kennt. Ich habe aktuell insgesamt sechseinhalb Stunden Text in meinem Kopf zu ganz verschiedenen Projekten und drehe gerade auch an zwei Serien parallel, für Netflix die zweite Staffel von „Totenfrau“ und eine Serie für die ARD. Und es überrascht mich, dass das doch alles abrufbar ist. Ich kann es nicht anders beschreiben, als dass ich den Text „einkörpere“.
Beruhigt das gegen Midlifecrisis und Angst vor Demenz?
Die Midlifecrisis habe ich schon mit 25 erledigt, das war furchtbar. Seit ich 25 bin, quäle ich mein soziales Umfeld damit, dass ich sage: Ich bin alt, wer weiß, wie lange mir noch vergönnt ist.
Max Pallenberg ist früh verstorben.
Dem wurde seine Leidenschaft für die Fliegerei zum Verhängnis. Er ist bei einem Flug von Wien nach Prag 1934 in der Tschechoslowakei abgestürzt. Fritzi Massary starb erst 1969 in Beverly Hills.
Mit Pallenberg verkörpern Sie einen Star mit großem künstlerischem Spektrum.
Ich bin natürlich mit viel Informationen versorgt worden und fühle mich tief geehrt, ihm die Ehre erweisen zu dürfen. Aber ich habe mir keine Platten von ihm angehört, ich will meine eigene Tonalität finden. Es wäre auch nicht gut, wenn ich versuchen würde, Pallenberg zu imitieren. Ich selbst höre mich auch nicht so gern singen, aber ich kann gut blödeln. Der Abend heißt ja „Ein bisschen trallalala“.
Ein Abend voller Musik, jüdischem Humor, Wahnwitz und schrägen Kostümen – inklusive Federn am Popo …
Ich mache alles mit, wie man schon an den Probenfotos sieht. „Wasch mich und mach mit nicht nass“ geht nicht. Da fahre ich mit 100 Prozent rein. Wir genieren uns nix. Die Texte sind ja auch unglaublich frivol.
Revue- und Operettensongs wie „Anton, steck den Degen ein“ gelten manchen heute wohl nicht mehr als gerade politisch korrekt?
Ich habe das weder getextet, noch habe ich die Lieder ausgewählt. Ich bin nur ausführendes Organ und willfähriger Büttel der Macht von zwei Frauen: Ruth Brauer-Kvam und Regisseurin Martina Gredler, die auch gemeinsam das Buch zur Produktion geschrieben haben. Aber wir spielen ja genau damit, es wird ironisch gebrochen.
Vielseitig
Sie bezeichnen sich selbst als Unterhaltungshandwerker. Gibt es aktuell mehr Sehnsucht nach Eskapismus?
Das Unterhaltungsangebot erlebt gerade Hochzeit. Mit politischer Satire können die Leute momentan sichtlich weniger anfangen, weil sie eher eine Ablenkung suchen. Die Zerstreuung scheint derzeit wichtiger als die Auseinandersetzung mit ernsthaften gesellschaftspolitischen Themen. Eine erschreckende Parallele zum Aufbrechen der gesellschaftlichen Strukturen in den 1920er-Jahren.
Ab 24. 3. sind Sie auch in der neuen ORF-Miniserie „Kafka“ von David Schalko zu sehen.
In einer kleinen Rolle, die großen Spaß gemacht hat. Ich spiele den Linzer Privatier, Sammler und Erotomanen Anton Maximilian Pachinger, mit dem Kafka und Max Brod eine wilde alkoholgetränkte und erotische Nacht verbracht haben.
Die Kamera liebt Sie, was macht den Unterschied zum Theaterauftritt?
Der Probenprozess. Ich liebe den Probenprozess. Deswegen liebe ich auch das Theater und die Bühne so sehr. Weil jeder Abend, den man spielt, eine Einzigartigkeit hat, auch im Wechselspiel zwischen Publikum und Darstellenden. Deswegen ziehe ich die Bühne nahezu jeder Filmdreharbeit vor.
Der Film garantiert aber eine Hinterlassenschaft für die Nachwelt.
In spätestens 50 Jahren interessiert sich doch keine Sau dafür, wer oder was ich war. Nicht einmal eine Kultfigur wie Helmut Qualtinger hat für die heutige Jugend eine Relevanz. Die hat ihre eigenen Idole. Und das ist gut so. Wer weiß heute noch, wer der Alexander Girardi war? Nach dem sind aber Plätze, Gassen, ein Rostbraten und ein Hut benannt. Ich gehe auch nicht davon aus, dass ein Würstel, eine Hundeauslaufzone oder eine Sackgasse nach mir benannt wird. Dafür bin ich heute schon nicht relevant genug, geschweige in ein paar Jahrzehnten.
Für viele sind Sie ohnehin „der Kaiser“ Robert Heinrich I.
Ich liebe diese Figur nach wie vor, ich bin ihr auch sehr dankbar. Wir überlegen gerade, wie wir damit weitermachen. Dennoch wird niemand in 100 Jahren eine Robert-Palfrader- Hommage an der Volksoper machen. Also versuche ich, das Publikum jetzt zu begeistern. Ich bin kein Künstler, ich bin Handwerker.
Das Interview ist der trend. EDITION vom März 2024 entnommen.
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