Leaders21 Gründer und Start-up Investor Florian Gschwandtner: "Die hierarchische Führungskraft hat ausgedient."
©Puls 4Mit dem neuen Start-up Leaders21 vermitteln die früheren Runtastic-Spitzenmanager Florian Gschwandtner und Thomas Kleindessner agile Leadership-Skills. Im trend. Interview erklärt Gschwandtner, warum Agilität und Kommunikation zu den entscheidenden Leadership-Skills zählen.
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Klimawandel, Digitalisierung, New Work – die großen Herausforderungen und Veränderungen unserer Ära verlangen, dass Führungskräfte ihre Arbeit permanent auf den Prüfstand stellen und sich neue Methoden und Skills aneignen, um in der dynamischen Umgebung aktives Management an den Tag legen zu können, ihre Teams zu motivieren und die strategischen Ziele zu erreichen.
Gemeinsam mit dem früheren Runtastic Produktchef Thomas Kleindessner hat Florian Gschwandtner das Start-up Leaders21 ins Leben gerufen, um Manager:innen und Führungskräften die Leadership-Skills vermitteln, die sie in der volatilen, sich rasch verändernden Welt benötigen. Im trend. Interview erklärt Gschwandtner, warum Führungskräfte jetzt neue Leadership-Skills benötigen und welche das sind.
Mit welchen Leadership- Problemen wenden sich Unternehmen in Zeiten der Multikrisen an Sie?
Das ist eine Vielzahl an Herausforderungen, vor denen Manager und Unternehmer derzeit stehen: auf der einen Seite Fragen rund um Remote und Hybrid Work, dann vor allem die Akquise von neuen Beschäftigten – auch in Zusammenhang mit Diversity, Inklusion und Quotenregeln –, angesichts von Inflation und steigenden Energiekosten klarerweise auch Fragen rund um Effizienzsteigerung und nicht zuletzt das Thema Digitalisierung. Das ist durch Covid deutlich gepusht worden und bietet gerade jetzt durch die sprunghafte Entwicklung der künstlichen Intelligenz völlig neue Möglichkeiten.
Muss eine Führungskraft ein Unternehmen im Jahr 2023 anders führen als noch vor zwei, drei Jahren?
Die Erwartungshaltung der Beschäftigten ist tatsächlich eine andere geworden. Sie sehen zum Beispiel, wie es ist, bei Start-ups zu arbeiten oder – bedingt durch Covid – zu Hause oder auch remote in einem anderen Land zu arbeiten, Stichwort Workation. Man hat also heute als Arbeitnehmer neue Möglichkeiten, und darauf muss ein Arbeitgeber bis zu einem gewissen Grad eingehen, um attraktiv zu bleiben. Ausgedient hat auch die hierarchische Führungskraft, die Prozesse vorgibt und sie nicht in Frage gestellt bekommen möchte. Eine gute Führungskraft gibt den Leuten Flexibilität und Verantwortung. Mitarbeiter brauchen das Vertrauen und die Sicherheit, Dinge auch ausprobieren und ganz anders machen zu dürfen, nur so kann ein Unternehmen die Innovationskraft seiner Mitarbeiter wirklich nutzen.
Das geht in Start-ups sicher leichter, aber in Großkonzernen ?
Das sollte in jedem Unternehmen möglich sein. Mitarbeiter sollen Prozesse neu denken dürfen und sich nicht nur für jeden vorgegebenen Arbeitsschritt ein Hakerl holen. So können sie sich weiterentwickeln, und der Vorgesetzte ist dabei im Idealfall Coach und Mentor auf Augenhöhe. Keine Führungskraft sollte heute noch Angst davor haben, dass ein Mitarbeiter etwas besser als er selbst kann. Im Gegenteil: Es sollte das Ziel sein, dass er dreimal besser wird als man selbst. Dann hat man etwas richtig gemacht – auch für die Weiterentwicklung des Unternehmens.
Aber ist das nicht bei Mitarbeitern, die zu Hause oder ganz woanders arbeiten, ungleich schwieriger?
Absolut, dabei geht viel an unmittelbarem Kontakt verloren, der wichtig ist, um die Stimmung in einem Unternehmen zu spüren, aber auch Privates auszutauschen. Sonst nimmt die Loyalität zum Unternehmen immer mehr ab und die Fluktuation wird höher. Darum sehen wir, dass gemeinsame Meetings und Mitarbeitergespräche jetzt wieder stark zunehmen.
Es geht also um eine richtige Balance zwischen den Wünschen der Beschäftigten, zeitweise nicht im Office arbeiten zu wollen, und der gemeinsamen Arbeit im Office?
Ja, aber nicht nur. Bei Remote oder Hybrid Work ist es unheimlich wichtig, klare Ziele zu definieren – vor allem für die Zeit, die nicht im Office verbracht wird. Das steigert die Transparenz und damit gleichzeitig das Vertrauen von Führungskräften in ihre Mitarbeiter, ohne mit ihnen gemeinsam in einem Raum arbeiten zu müssen. Wir sehen generell, dass in Unternehmen viel zu wenig mit Zielen gearbeitet wird.
Auch zwecks Effizienzsteigerung, die Sie genannt haben...
Auf jeden Fall, denn der Preisdruck ist allerorts enorm geworden. Da muss jede Kostenstelle hinterfragt werden und jedes Ziel ständig adaptiert werden. Gleichzeitig sehe ich auch eine Rückkehr zur Normalität: Es muss nicht jedes Jahr ein neues Rekordergebnis geben, sondern jetzt geht es einmal um Stabilität, um vernünftiges Wachstum und auch um eine neue Geschlossenheit von Management und Mitarbeitern, die zuletzt durch Corona ein wenig gelitten hat.
Ist es nicht auch die Angst vor der Zukunft, die dazu führt, dass viele Verantwortliche auf der Bremse stehen?
Ich würde es nicht Angst nennen, aber die Unsicherheit ist zweifellos groß. Das Spannende dabei ist, dass es doch viele Führungskräfte gibt – auch wenn es jetzt nicht die Mehrheit ist –, die nicht auf der Kostenbremse stehen, sondern gerade jetzt mehr Geld ausgeben, um proaktiv in Mitarbeiter zu investieren, weil sie sagen, sonst überleben wir das nicht, was auf uns zukommt. Dieser Wunsch, die Mitarbeiter besser auszubilden, sich weiterzuentwickeln, auf die Bedürfnisse potenzieller Mitarbeiter einzugehen und sich entsprechend anzupassen, ist oft stark getrieben von der Befürchtung, künftig keine neuen Mitarbeiter mehr zu bekommen. Früher hat da eine Employer-Branding-Kampagne einer Agentur gereicht, wo man ein schönes Bild von sich gezeichnet hat, heute reicht das nicht mehr.
Sondern?
Das fängt bei der Frage an: Wie können wir die vorhandenen Leute halten? Dabei geht um Teambuilding, Weiterbildung, Incentivierung und eine Arbeitsumgebung, in der sich die Beschäftigten wohl fühlen. Darüber hinaus geht es vor allem auch um die Frage, wie man es schafft, neue Leute etwa über die Netzwerke seiner Angestellten zu finden und vom Unternehmen zu überzeugen. Gerade heuer, wo der Krisenmodus etwas abebbt, ist der optimale Zeitpunkt, um sich über die Zukunft Gedanken zu machen.
Haben Sie den Eindruck, dass dies auch geschieht?
Alleine wie viele neue Kunden nur in den ersten Jännertagen an uns herangetreten sind, zeigt uns, dass die Unternehmen jetzt mit einem Changeprozess beginnen, sich neu aufstellen, agiler werden wollen und dabei nicht nur einzelne Prozesse, sondern gleich das ganze System hinterfragen. Das sind ja auch die Eigenschaften des neuen Managers, der neuen Managerin. Agilität ist ganz, ganz wichtig.
In welcher Hinsicht zum Beispiel?
Wir haben das Thema künstliche Intelligenz schon gestreift. Da geht es nicht nur darum, welche Jobs werden ersetzt, sondern auch, welche neuen Jobs werden entstehen, und wer kann denn diese künstliche Intelligenz besser bedienen? Hier muss ein Unternehmen enorm anpassungsfähig sein und sehr rasch reagieren.
Wie kann man Agilität in ein Unternehmen implementieren?
Das hat vor allem mit Mindset zu tun, das muss man erst einmal in die Köpfe reinbringen. Voraussetzung dafür ist, dass es die Führungsebene zulässt und nicht blockiert, "weil wir das immer schon so gemacht haben". Und das geht meist nur mit entsprechender Begleitung, die eingefahrene Prozesse unvoreingenommen hinterfragt und ähnlich wie ein Start-up völlig neu denkt. Und wenn ein neuer Prozess Erfolg hat, entsteht eine Aufbruchstimmung, die ganze Abteilungen mitreißen und motivieren kann, auch andere Dinge zu hinterfragen. Das führt mitunter dazu, dass bisherige Führungskräfte das Unternehmen verlassen, weil sie bei diesem Prozess nicht mittun wollen. Aber Agilität gehört heute zum grundlegenden Handwerkszeug einer Führungskraft. Genauso wie eine offene, transparente Kommunikation. Es hilft schon, wenn ein CEO einmal im Monat zu allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern spricht – über gemeinsame Erfolge, genauso aber auch über Probleme, die es zu lösen gilt. Das ist vor allem in Krisenzeiten unerlässlich.
Darf ich Sie zum Schluss bitten, auf einer Skala von eins bis zehn zu bewerten, wie weit Österreichs Führungskräfte von dem von Ihnen beschriebenen Idealbild entfernt sind?
Ich würde sagen, vier oder viereinhalb. Aber auf dem Weg zu sechs oder sieben. Denn nach dem Ausnahmezustand der letzten Jahre werden wir jetzt große Veränderungen sehen. Die Zeit des Ausruhens ist vorbei. Und damit meine ich nicht, dass die Unternehmen bisher faul auf der Haut gelegen sind, sondern dass viele Prozesse und Strukturen über Jahre und Jahrzehnte gut funktioniert haben, Unternehmen aber mittlerweile mit grundlegend neuen Herausforderungen konfrontiert werden. Und dafür bedarf es radikalerer Veränderungen der Prozesse als bislang. Das ist auch von den meisten schon erkannt worden. Nun geht es in die Umsetzung – hoffentlich.
Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 27.1.2023 entnommen.