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Mercedes-Benz CEO Kowollik: „Es ist eine Legende, dass wir zum Listenpreis verkaufen“

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29 min

Seit einem Jahr am Steuer als Mercedes-Benz Österreich CEO: Niels Kowollik.

©Andreas Kolarik / Mercedes
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Mercedes-Benz-Österreich-Chef Niels Kowollik zieht nach einem Jahr Regentschaft Bilanz und spricht über akute Themen – wie die Transformation vom Verbrenner zum Elektroantrieb, warum es weiter Rabatte beim Neuwagenkauf gibt und ob Mercedes nur mehr für Millionäre leistbar sein wird.

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Herr Kowollik, sie sind in Ost-Berlin aufgewachsen …

Niels Kowollik

… unter anderem, ja, mein Vater war auch schon ein Nomade.

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Damals hat natürlich nicht an jeder Ecke ein Mercedes geparkt. Wann sind Sie also zum ersten Mal mit einem Mercedes in Berührung gekommen und hat Sie diese Marke von Anfang an fasziniert?

Niels Kowollik

Es ist fast zu trivial, um wahr zu sein, was ich jetzt sage. Aber das allererste Westauto, so hießen die bei uns, mit dem ich mitfahren durfte, war gleich ein Mercedes. Und es war auch gleich eine S-Klasse der Baureihe W116, was ich damals natürlich noch nicht wusste. Ich war damals vielleicht 14 Jahre alt und der Wagen, mit Velourspolstern und Wurzelnussholz ausgestattet, hat mich natürlich maßlos beeindruckt.

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Wann wurde die berufliche Liaison mit Mercedes konkret?

Niels Kowollik

1992. Ich war noch Sportreporter bei Radio und Fernsehen, allerdings auch schon mit starkem Fokus auf Motorsport. Ich hatte bei dem kleinen Radiosender, bei dem ich arbeitete, ein Motormagazin erfunden und auch gestaltet. Ich war also bei der Vorstellung des A124, das E-Klasse-Cabrio, im Schlosshotel bei Öhringen, das werde ich nie vergessen, und dort saß der Leiter der Mercedes-Benz-Schulung des Trainingsbetriebs. Der unterhielt sich mit mir und sagte: „Solche Leute wie sie brauchen wir.“ Ich fragte: „Wozu?“ „Mal schauen, was daraus wird, aber erst mal müssen sie Vertrieb lernen.“ Ich war mit Mitte 20 für alles offen, und dadurch hat sich der erste Job bei Mercedes ergeben.

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Jetzt sind Sie sind CEO von Mercedes-Benz Österreich. Wie haben Sie sich in der Alpenrepublik eingelebt?

Niels Kowollik

Der Lebensstandard in Österreich ist sehr hoch, ich hatte gute Begegnungen mit Menschen. Und die Österreicher wissen zu leben, das ist in jedem Bereich, von Kultur über Gastronomie bis Hotellerie, spürbar. Das Geschäft ist, wie in allen Ländern, in denen ich war, ähnlich, aber nicht gleich. Und auch die Markenpositionierung ist in allen Ländern unterschiedlich, in Österreich ist sie aber tendenziell hoch.

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Was sind nach einem Jahr Regentschaft aktuell die größten Aufgaben oder die größte Problematik, die es zu lösen gilt?

Niels Kowollik

Genauso generaliter wie die Frage antworte ich. Es ist die allgemeine Transformation der Branche. Das fängt mit der Umstellung unseres Vertriebssystems an, das fängt mit der Umstellung unseres Produktportfolios an, die schon im Gang ist und die weitere Folgen, vor allem für die Volumenmodelle, haben wird. Und es geht weiter mit der Digitalisierung, zu der auch nicht alle Menschen den gleichen Zugang finden. Aber es wird auch bei uns so sein, dass man in einiger Zeit einen Mercedes ohne das Internet gar nicht mehr bedienen können. Es wird so sein, wie das heute bei Computern, Smartphones und Druckern schon der Fall ist. Und natürlich den Übergang zur Elektromobilität, zu der wir nach wie vor strategisch stehen, nicht zu vergessen.

Möglicherweise holt das autonome Fahren der Stufe 5, also ohne Lenkrad, die Menschen wieder ins Auto, die wir heute verlieren.

Niels KowollikCEO Mercedes-Benz Österreich
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Wenn man Autos ohne Computer künftig nicht mehr starten wird können, was macht das mit den Menschen, die in einer analogen Welt feststecken?

Niels Kowollik

Es ist ein Lernprozess und es werden ihn viele Menschen mitgehen, die überwiegende Mehrheit sogar, und einige werden ihn nicht mitgehen. Es gibt ja immer noch keine 100-prozentige Smartphone-Nutzung, auch in Österreich nicht. Und wenn man sich komplett diesem Thema aus guten oder schlechten Gründen verweigert, wird man in einer freiheitlichen Gesellschaft die Konsequenzen tragen müssen. Das ist nicht vermeidbar. Vor 120 Jahren war der Umgang mit Elektrizität noch wahlweise. Heute nicht mehr. Das ist ein Megatrend, dem man sich nicht entziehen kann.

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Eine Parallelität zum autonomen Fahren, das auch einige Finten bereithält.

Niels Kowollik

Möglicherweise holt das autonome Fahren der Stufe 5, also ohne Lenkrad, die Menschen wieder ins Auto, die wir heute verlieren, weil sie es nicht mehr können müssen.

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Wer bitte soll Verantwortung übernehmen, wenn es zu einem Unfall kam, weil niemand die Hände am Steuer und auch nicht den Fuß am Bremspedal hatte?

Niels Kowollik

Es hat ja auch aus meiner Sicht mehr eine ethische Thematik denn eine technische. Technisch können wir das längst. Aber die Frage ist ja, wenn das Auto aus physikalischen Gründen den Unfall nicht vermeiden kann, sondern zwischen zwei Optionen, zu entscheiden hat, wer ist dann verantwortlich? Wenn da ein Mensch am Steuer sitzt, kann man den verantwortlich machen. Wen macht man sonst verantwortlich? Den Programmierer von dem Algorithmus des Computers? Wen?

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Mercedes-Benz Österreich CEO Niels Kowollik: "Die S-Klasse kann das autonome Fahren in Stufe 3 gut."

© Andreas Kolarik / Mercedes
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Wir sind ja noch nicht bei Stufe 5, aber schon bei Stufe 3 sind kleinere oder größere Malheurs nicht ausgeschlossen.

Niels Kowollik

Wir sind bei Stufe 3 und die S-Klasse von Mercedes hat die Genehmigung, die darf mit Stufe 3 fahren. Und ich glaube, dass gerade bei diesem Produkt und, bei aller Bescheidenheit, auch gerade bei der Genehmigungsstruktur in Deutschland, die Hürde eher hoch ist. Und die S-Klasse kann das gut …

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Entgegengesetzt zum autonomen Fahren: Wie ist die Fahrkultur in Schweden und Dänemark, wo Sie ja vor Streich als CEO tätig waren?

Niels Kowollik

Dramatisch unterschiedlich. Man darf überhaupt nicht davon ausgehen, dass in Europa irgendetwas über einen Kamm zu scheren ist. In Dänemark wird schroff gefahren und auch relativ engagiert, gerne auch eng aufgefahren und in Schweden überhaupt nicht.

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Und wie sieht Ihre Erfahrung mit den österreichischen Autofahrern aus?

Niels Kowollik

Sehr unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern. In Wien wird auch schon forsch gefahren. Was besonders gerne gemacht wird, ist, dass an Ampeln die Geradeausfahrenden vom Gegenverkehr durch noch rasches Linksabbiegen irritiert und manchmal gefährdet werden. Mich ärgert nämlich, wenn sich Menschen nicht an Regeln halten, denn das erschwert das Zusammenleben extrem.

Die Batterietechnologie ist aus meiner Sicht für den Pkw auf absehbare Zeit das Maß der Dinge.

Niels KowollikCEO Mercedes-Benz Österreich
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Ein weiterer Brennpunkt ist die Transformation Verbrenner zu Elektro, um es ganz einfach zu benennen. Wie soll die vonstattengehen und was hätte Bertha Benz dazu gemeint?

Niels Kowollik

Bertha Benz war, glaube ich, sehr Technik-affin, sie hätte das toll gefunden. Was mir Fragezeichen in die Augen treibt, ist, dass Elektromobilität in der öffentlichen Wahrnehmung sehr viel mit Verzicht und Sorge zu tun hat. Wenn Sie sich den Wirkungsgrad anschauen, Well-to-Wheel, also vom Windrad oder Wasserkraftwerk, das muss natürlich grün sein, zum Reifen, dann ist der Wirkungsgrad von Elektroautos bei plus/minus 70 Prozent. Wenn Sie Energie in Wasserstoff umwandeln, mit einer sehr aufwendigen, energieineffizienten Hydrolyse und dann wiederum in die Brennstoffzelle leiten, haben Sie, wie bei E-Fuels übrigens auch, einen Wirkungsgrad von ungefähr 20 Prozent. Und beim Verbrenner ungefähr bei 10. Der Wirkungsgrad beim Verbrenner an sich ist natürlich höher, aber wenn sie Transport etc. dazu nehmen, dann 10 Prozent. Das ist allein schon ein Grund. Die fossilen Brennstoffe werden zu Ende gehen, das hatten wir auch so ein bisschen aus den Augen verloren, man kann noch ein bisschen fracken, aber irgendwann ist Schluss. Das heißt, ich glaube, das habe ich vorhin schon angedeutet, die batterieelektrische Mobilität ist die vorherrschende Lösung. Nicht mit der Lithium-Ionen-Batterie, die wir heute haben. Ich glaube, da wird sich noch so viel tun. Es gibt seit 10, 12 Jahren ernstzunehmende Elektroautos. Wie sahen denn die Autos nach 10, 12 Jahren Verbrenner aus? Jetzt stellen Sie sich mal die Entwicklung vor, die da noch möglich ist. Wir müssen natürlich zu anderen Rohstoffen kommen. Wir müssen zu anderen Technologien kommen, auch zu anderen Gewichten, Fahrdynamik, Nachhaltigkeit etc. Aber die Batterietechnologie ist aus meiner Sicht für den Pkw auf absehbare Zeit das Maß der Dinge.

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Eine Sorge aber bleibt. Nämlich die Frage nach der Reichweite.

Niels Kowollik

Menschen haben bei dieser sich sprunghaft entwickelnden Technologie Elektro die viel größere Sorge, dass das Auto, das sie heute für viel Geld kaufen, morgen veraltet ist. Das war in den letzten zehn Jahren eine evolutionäre Entwicklung. Und die kann jetzt revolutionär sein. Und keiner weiß, wie sie ist. Und deswegen haben wir die größten Herausforderungen im Moment im Gebrauchtfahrzeugmarkt. Was nicht abfließt, kann nicht ersetzt werden. 80 Prozent unserer Autos verkaufen wir also gewerblich, aber 80 Prozent aller Gebrauchtwagen, auch elektrische, werden privat vermarktet und das passt nicht zusammen. Das heißt, je mehr Elektroautos aus dem gewerblichen Markt zurückfließen, desto mehr müssen auch privat im Gebrauchtwagenmarkt abfließen. Und diese Transformation fordert uns gerade auch sehr.

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Was also tun mit Gebrauchten, die vielleicht keiner mehr will?

Niels Kowollik

Wir haben da einen wesentlichen Schritt gerade in diesen Tagen verabschiedet. Unser Gebrauchtwagenprogramm Junge Sterne, das ja ein großes Werteversprechen den Kunden gibt, beinhaltet neben sechs Monaten Wartungsfreiheit, etc. in Österreich ein State-of-Health-Zertifikat für die Batterie. Denn das ist die Sorge des Kunden schlechthin. Das Auto ist zwei Jahre alt, und was kann die Batterie noch? Das State-of-Health-Zertifikat weist in diesem Fall aus, dass beispielsweise zwei von 650 Zellen kaputt sind, die Batterie hat also noch 98 Prozent Wirkung, kurzum, sie ist noch tadellos in Ordnung. Und das ist, glaube ich, ein ganz wesentliches Momentum, das dem Kunden Sicherheit geben kann. Zumal unsere Batteriezertifikate zwischen acht und 10 Jahre gelten, sodass also wenigstens der Folgekäufer noch völlig sorgenfrei sein kann.

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Mercedes-Benz Österreich CEO Niels Kowollik: "Wir werden keine Transformationen vorantreiben, die uns in den Ruin treiben. Das wäre töricht."

© Andreas Kolarik / Mercedes
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Wie hoch wird der Anteil an Elektroautos mit dem Stern in fünf, 10, 15 Jahren sein?

Niels Kowollik

Wir werden nicht auf ein rein elektrisches Portfolio umstellen, wo die Regulatorien es nicht erfordern und wo die Kunden es nicht wollen. Das ist ganz sicher, denn wir sind ein wirtschaftliches Unternehmen, wir müssen Geld verdienen und werden keine Transformationen vorantreiben, die uns in den Ruin treiben. Das wäre töricht.

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Wie sehen Sie die Entwicklung von Ladestationen! Werden die in Zukunft zahlenmäßig weiterhin dem Bedarf hinterherlaufen?

Niels Kowollik

Es gibt ja gar nicht mal das ausschließliche Problem, dass es zu wenig Ladepunkte gibt, sondern es gibt viel zu viel Wildwuchs, was die Ladepunktabrechnungsfähigkeit angeht. Ich brauche beispielsweise für jedes Hotel eine andere App. Das eine Hotel rechnet so, das andere anders ab. Es muss geregelt werden, dass die Kunden Versorgungssicherheit haben. Eine wichtige Entwicklung in die richtige Richtung ist Mercedes Me Charge, eine tolle App. Da kann man wirklich an fast allen Ladepunkten laden, wenngleich leider noch nicht reservieren.

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An der Elektromobilität, führt kein Weg vorbei. Aber, das ist eine philosophische Frage, retten wir mit ihr die Umwelt wirklich? Schlagartig? 2030? 2035?

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Natürlich nicht, aber man kann nicht immer auf den einen großen Wurf warten. Es sind viele kleine Würfe, die wir machen müssen und vieles machen wir ja noch gar nicht als Menschen. Ich sehe immer noch genügend Leute, die ihren Dieselmotor oder Benzinmotor laufen lassen, damit die Klimaanlage funktioniert. Da ist auch Überzeugungsarbeit erforderlich. Da muss sich wirklich jeder beteiligen. Und natürlich wird die Elektromobilität allein das Thema nicht lösen, aber sie kann ein erheblicher Beitrag sein. Wir sollten energieineffiziente Brennstoffe, wie wir sie ja kennen und auch herstellen können, wie Wasserstoff und E-Fuels und für Verwendungsungszwecke nutzen, die so leicht nicht zu ersetzen sind. Zum Fliegen beispielsweise, da fällt mit batterieelektrisch noch nichts Vernünftiges ein, für die Schifffahrt fällt mir batterieelektrisch ebenfalls noch nichts Vernünftiges ein. Dazu sollten wir diese Kraftstoffe verwenden und wenn dann jemand für seinen Acht-Zylinder bereit ist, einen hohen Preis für einen Liter E-Fuel zu bezahlen, dann soll er das tun. Aber für 60, 70, 80, 90 Prozent der individuellen Mobilität der Menschen ist das keine Option.

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Wie sieht übrigens bei Mercedes momentan der Split Verbrenner-Elektro ungefähr in Prozent aus?

Niels Kowollik

Wir haben ein knappes Drittel unserer Fahrzeuge elektrifiziert. Davon die eine Hälfte Plug-in und die andere Elektro. Ganz grob.

Der G580 hat vier E-Motoren und eine mitlenkende Hinterachse. Er kann auf einem Bierdeckel wenden.

Niels KowollikCEO Mercedes-Benz Österreich
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Was macht die Faszination der elektrischen G-Klasse aus, die gerade Premiere gefeiert hat? Es ist kein normales Elektroauto, auch kein SUV, es ist ein echter Geländewagen. Ist es das?

Niels Kowollik

So heißt Die G-Klasse übrigens in der weltweiten oder zumindest europaweiten Werbekampagne, wo ja mittlerweile alles auf Englisch bezeichnet wird, was ich übrigens persönlich gar nicht schön finde. Da heißt es „THE Geländewagen“. Und das finde ich hervorragend.

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Was macht also den Hype um den G580 aus?

Niels Kowollik

Er kann Sachen, die der andere, der Verbrenner, nicht kann. Und da rede ich jetzt nicht nur vom G-Turn, dass er dank G-Steering – die Hinterachse lenkt mit – auf einem Bierdeckel wenden kann. Er hat vier E-Motoren, deswegen kann er’s ja. Es ist der G fürs gute Gewissen, für die Stadt. Er ist ein ganz anderes Auto, hat keine Anhängerkupplung. Er ersetzt nicht den bisherigen G. Ich würde mich nicht wundern, wenn es Kunden gäbe, die einen AMG G 63er nehmen und einen elektrischen dazu. Also der elektrische G ist eine Ergänzung, es gibt ja nach wie vor den 500er, den Diesel und eben den AMG G 63. Der überwiegende Auftragseingang ist Letzterer nach wie vor, auch vom neuen Modell. Der Anteil von AMG G-Modellen weltweit ist überhaupt faszinierend.

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Ein ganz wichtiges Thema noch, Vor- und Nachteile des neuen Händlersystems. Feilschen gehört doch beim Autokauf einfach dazu. In Österreich zahlt approximativ kein Mensch den Listenpreis.

Niels Kowollik

Das ist ja auch eine Legende, dass wir zum Listenpreis verkaufen.

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Aber es gibt verschiedene Preise.

Niels Kowollik

Natürlich. Das war auch immer so. Es gab schon immer Flottenkonditionen, es gab Gewerbekonditionen für Freiberufler, das hat sich nicht geändert. Das Einzige, was sich geändert hat, und das finde ich im Interesse der Kunden eigentlich eher gut, ein großer Antrieb für das Feilschen ist nach meiner Erfahrung gar nicht so sehr das Sparen von Geld, schon gar nicht im Premiumsegment, wo die Leute es ja sofort wieder für irgendwas anderes ausgeben, das sie gerade eingespart haben. Sondern sich vor dem Nachbarn nicht zu blamieren, wenn man weniger Prozente als der Nachbar bekommen hat. Zumindest am Stammtisch im Beisel, auch wenn es gar nicht stimmt, wird über „das du hast für 12 Prozent weniger gekauft, ich habe 16 Prozent bekommen“ diskutiert. Das ist in Österreich jetzt ausgeschlossen. Der Gewerbetreibende bekommt seinen Nachlass, aber jeder den gleichen. Ob er in Graz nachfragt oder in Eisenstadt oder in Lienz oder in Dornbirn, das halte ich eigentlich für einen Fortschritt. Allerdings wenn der Kunde sagt, nein, mit 12 Prozent kaufe ich nicht, dann kauft er nicht. Und das war übrigens früher auch nicht anders, dass der Agent oder der Händler eine untere Schmerzgrenze hatte, unter der er nicht verkauft hat. Insofern ist der Unterschied gar nicht so dramatisch, wie das von außen aussieht.

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Aber Privatkunden bekommen weiterhin Sonderrabatte, wenn sie sich für ein teures Modell entscheiden?

Niels Kowollik

Es hängt eben vom Modell ab. Es gibt Modelle, da bekommt niemand etwas. Niemand. Selbst, wenn er die größte Flotte der Welt hätte. Und es gibt Modelle, da bekommt der Privatkunde einen Preisnachlass. Und das Schöne ist ja, dass wir von unserer Zentrale in Eugendorf aus mit einem Knopfdruck den Nachlass für ein Fahrzeug von einem Tag auf den anderen im ganzen Land verändern können. Und der Kunde bekommt den gleichen Nachlass wie der Nachbar auch.

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Mercedes-Benz Österreich CEO Niels Kowollik im Gespräch mit Axel Meister.

© Andreas Kolarik / Mercedes
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Mercedes-Chef Ola Källenius – wie spricht man ihn übrigens korrekt aus?

Niels Kowollik

Kschällänius, weil das K vor den weichen Vokalen, I, E, Ä, wird im Schwedischen zum Ksch, vor den harten Vokalen, A, O, U, zum K. Mit dieser Aussprache können Sie jetzt glänzen.

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Also Kschällänius will Mercedes zu einer Super-Luxus-Marke pushen. Werden sich nur mehr Millionäre einen Mercedes leisten können?

Niels Kowollik

Das kann man so sehen. Ich habe eher das Gefühl, dass wir etwas aussprechen, vielleicht sogar etwas zu laut, das mag sein, was ohnehin schon immer der Fall war. Es hat noch nie jemand erwartet, dass ein Mercedes nur das Gleiche leistet wie ein Wettbewerber, der viele tausend Euro günstiger ist. Man hat das Geld bewusst ausgegeben. Ich wage die Behauptung, dass es keine einzige Kundin und keinen Kunden in der Geschichte der Firma jemals gab, denen die Marke völlig egal war. Das war immer schon etwas Erstrebenswertes. Mercedes ist ja nicht ohne Grund die teuerste Automobilmarke der Welt. Wenn man nur die Marke hernimmt, die teuerste Automobilmarke der Welt. Über ein Viertel unserer Marktkapitalisierung ist die Marke wert. Keine Fabrik, nur die Marke. Das ist unglaublich. Und ich glaube, es gibt die wirtschaftliche Notwendigkeit, wenn Sie sich die Preise anschauen von Kleinwagen, die haben sich innerhalb der letzten Jahre, ich weiß es nicht im Kopf, ich glaube in 5 oder 6 Jahren müssen wir nochmal nachschauen, von durchschnittlich 14.000 oder 15.000 Euro in wenigen Jahren auf 22.000 entwickelt, weil natürlich die ganzen Assistenzsysteme, die Vorschrift geworden sind, NCAP-Test etc. etc. auch die Entwicklungskosten für Kleinwagen dramatisch nach oben getrieben haben. Das heißt, es ist ja eine Mär, dass man für 25.000 Euro schon ein größeres Auto bekommt, da bekommt man einen Kleinwagen. Und es gibt zwei Tendenzen, die können uns gefallen oder nicht. In der Weltbevölkerung wächst der Wohlstand. Das Bruttosozialprodukt hat sich in den letzten 24 Jahren verfünffacht. Im letzten Jahr sind 13 Billionen Dollar Bruttosozialprodukt dazugekommen. Gleichzeitig ist die Verteilung ungleichmäßig geworden. Das kann man bedauern unter sozialen Gesichtspunkten, aber ich halte es für eine gute Idee, wenn sich eine Marke wie unsere, die ohnehin immer schon zu den Top-Marken gehört hat, auf die zahlungskräftige Kundschaft orientiert und auch die Entwicklungsarbeit in diese Richtung leistet. Es wird schwer sein, das ist der zweite Aspekt. Wir wissen alle, wie die Entwicklung von neuen Marken verläuft, die gerade in den Markt eingetreten sind, die extreme Wachstumsraten haben, die zum Teil unter protektionistischen Bedingungen produzieren und exportieren. Ob man den Krieg, und es ist ein Krieg, mit diesen Marken in dem Preissegment beginnen will, wo man ihn vermutlich nicht gewinnen kann, ist die Frage.

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Wie kann dann ein vermutlich erklecklicher Kundenstamm an weniger solventer Klientel bei der Marke gehalten werden?

Niels Kowollik

Wir werden einen Großteil dieser Kunden über junge Gebrauchtfahrzeuge an die Marke binden müssen, das wird unsere Aufgabe sein. Einstiegs-Mercedes wird ein elektrischer sein, nämlich der C174, der nächstes Jahr herauskommt. Das ist die neue MMA-Architektur. Die Maße liegen ungefähr zwischen dem heutigen CLA und der heutigen C-Klasse. Und der wird preislich die Rolle der ausgemusterten Fahrzeuge übernehmen. Wer wirklich ein kleines Auto will, also in puncto Abmessungen ein kleines, den werden wir möglicherweise verlieren.

Unser Leben und Sterben in der ganzen europäischen Industrie wird darin bestehen, die Technologien zu liefern, die große Herausforderungen für die Welt lösen.

Niels KowollikCEO Mercedes-Benz Österreich
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Zum Schluss darf ich Sie um einen kritischen Blick nach China bitten. Wie sehr bedroht die chinesische Automobilindustrie Europa und ganz speziell Mercedes?

Niels Kowollik

Bedroht uns gar nicht. Fordert uns erheblich heraus. Wenn man darauf beharren wollte, die nächsten 20 Jahre mit dem gewohnten Produktportfolio zu überleben, dann wären wir bedroht. Aber das tun wir nicht. Unser Leben und Sterben in der ganzen europäischen Industrie wird darin bestehen, die Technologien zu liefern, die große Herausforderungen für die Welt lösen. Und davon ist Elektromobilität im oberen Segment eine. Und Mercedes-Benz wird sich dadurch definieren, dass wir überlegene Lösungen für die Welt im oberen Preissegment anbieten.

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Sind Strafzölle auf chinesische Importe ein probates Instrumentarium, die Flut an Autos aus dem Reich der Mitte zu stoppen?

Niels Kowollik

Die Firmenpolitik von Mercedes-Benz, die ich auch vertrete, bedient sich keiner Zölle. Wir sind ein Konzern, der sich dem Wettbewerb stellt oder eben Konsequenzen zieht, etwa bestimmte Segmente nicht mehr zu bedienen, die nicht erfolgsvorsprechend sind. Wir sind sicher, dass wir in bestimmten Segmenten den Wettbewerb gewinnen können. Dort nehmen wir ihn an und jeder Protektionismus liegt nicht in unserem Interesse. Die EU muss natürlich darauf achten, dass die Industrie nicht durch protektionistische Maßnahmen, unerträglich verzerrt wird. Ich glaube aber, dass diese 37,1 Prozent Zoll die Chinesen nicht erschrecken.

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Mercedes-Benz CEO Niels Kowollik: "Die Entwicklung der letzten fünf Jahre war so tiefgreifend wie die Entwicklung der 50 Jahre davor."

© Andreas Kolarik / Mercedes
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Wie irritierend sind jedoch chinesische Produktionsstätten in Europa?

Niels Kowollik

Aber wir produzieren ja auch in China. Deswegen ist das Unfug. Und plötzlich haben die Chinesen in Europa auch europäische Standards zu erfüllen und mal schauen, ob sie dann die Preise halten können. Das muss man auch mal in Betracht ziehen.

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Jetzt sozusagen ein philosophisch angehauchtes Schlussstatement. Schauen Sie positiv in die Zukunft der österreichischen Welt, der österreichischen Automobilwelt?

Niels Kowollik

Ja. Sie wird ohne Zweifel anders aussehen - die Entwicklung der letzten fünf Jahre war so tiefgreifend wie die Entwicklung der 50 Jahre davor. So kommt es mir im Moment vor – das mag jetzt nicht ganz genau mathematisch nachweisbar sein. Und die wird in wieder fünf Jahren deutlich anders aussehen als heute. Da wird es auch Aspekte geben, die den einen oder anderen nicht freuen. Aber individuelle Mobilität ist ein Menschheitsbedürfnis. Das wird weiter erfüllt werden. Die Frage ist, auf welche Weise und von wem. Und da möchten wir gerne eine gewichtige Rolle spielen.

Das Interview ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 23.8.2024 entnommen.
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