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Polestar-CEO: „Die Elektromobilität wird sich durchsetzen“

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11 min

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Polestar-CEO Michael Lohscheller im trend-Interview zu den Themen Neuorganisierung des Vertriebs, Produktionsstandort Europa, sowie politischen Rahmenbedingungen. 

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Ihr Amtsantritt stand im Zeichen struktureller Veränderung, um Polestar finanziell zu retten. Wann wird man positive Auswirkungen Ihres Kurses spüren?

Michael Lohscheller

Definitiv dieses Jahr. Und da nehme ich mich auch in die Verantwortung: Wachstum des Unternehmens von 30 bis 35 Prozent pro Jahr. Dazu kommt die Veränderungen in der Vertriebsstruktur.

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Stichwort Vertriebsstruktur - Polestar hat in der Vergangenheit auf Online-Direktvertrieb gesetzt, will jetzt aber vermehrt auf sogenannte Retailer vor Ort setzen. Aktuell gibt es in Österreich aber nur drei Standorte.

Michael Lohscheller

Ich sehe schon eine Renaissance der Retailer. Egal ob das jetzt Händler oder Agenten sind – von jemandem, der da ist, der einem das Auto erklärt und auch wirklich nah bei den Kunden ist. Natürlich gibt es Leute – die habe ich auch persönlich kennengelernt – die mit ihrer Kreditkarte ein Auto für über 50.000 Euro kaufen. Die gibt es, aber es sind wenige. Und das ist, so glaube ich, überschätzt worden. Die ursprüngliche Kritik am System war aber berechtigt, der Vertrieb war teuer. Und dann ist man im Grunde zum anderen Extrem gegangen, zum Direktvertrieb. Ich möchte natürlich nicht zu einem reinen Händlervertrieb wie früher zurück, wo riesige Margen der Standard sind, das ist nicht die Zukunft. Aber die Kundennähe halte ich für essenziell. Daher führen wir beide Vorteile in einem System zusammen.

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Welche Rolle spielt der Verkauf von CO2-Zertifikaten bei Polestar?

Michael Lohscheller

Die CO2-Kredite, die Sie ansprechen, werden uns helfen, da wir sie monetarisieren können. 2025 wird das schon mal ein dreistelliger Millionenbetrag sein. Das löst jetzt nicht alle unsere Probleme, aber es ist eine Hilfe.

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Ein weiteres Schlagwort ist das Thema Energie Business. Können Sie kurz zusammenfassen, um was es hier geht?

Michael Lohscheller

Energie ist ein sehr wichtiges Thema, weil es natürlich Teil des gesamten Ökosystems der Elektromobilität ist. Deswegen haben wir hier einen neuen Bereich aufgestellt, der dem Kunden im Grunde hilft, Smart Charging zu betreiben – also genau die Zeiten zu definieren, wann es für das Laden günstig ist. Der Polestar 3 ist jetzt auch eines der ersten Fahrzeuge, die bidirektionales Laden können. Das ist sehr interessant: Sie laden Ihr Auto voll und können die Energie dann nutzen und potenziell auch ein bisschen Geld verdienen. Ich fahre jetzt seit drei Jahren nur noch Elektroautos und im Grunde hat mich das Laden zuhause mit Wallbox und Solaranlage zum totalen Fan gemacht. Deshalb bin ich auch so tief davon überzeugt: die Elektromobilität wird sich durchsetzen, denn das Laden wird irgendwann so viel günstiger sein als Benzin und Diesel.

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Der Polestar 1 war das erste Auto der Marke, ein Plug-in-Hybrid. Heute sind alle Polestar rein elektrisch. Wird das so bleiben?

Michael Lohscheller

Keiner kommt heute auf die Idee, von Polestar einen neuen Hybrid zu erwarten. Wir stehen zum einen für Performance, zum anderen aber auch für reine Elektromobilität. Die Marke ist aus meiner Sicht so sehr gut positioniert. Derzeit ist das Wachstum bei den Elektroautos nicht so hoch, wie wir vor ein paar Jahren alle gedacht haben, aber trotzdem vorhanden. Aber Nachhaltigkeit ist Teil unseres Markenkerns. Ich bin ein Fan von Klarheit. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln, dann machen wir dies, dann das, dann Hybrid – das halte ich für nicht sinnvoll. Wir müssen den Kurs halten.

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Wie wird Polestar mit den globalen Herausforderungen der Branche umgehen? Stichworte Zölle und chinesische Software.

Michael Lohscheller

Das ist weltweit grundsätzlich eine unsichere Situation derzeit. Früher hat man häufig Autos in die ganze Welt verschifft, von Südamerika nach Asien und zurück. Das ist kostspieliger geworden und es gibt dabei auch immer wieder Probleme. Da ist mal der Suezkanal zu und so weiter und so fort. Diese ganze Logistik ist ja nicht mehr so, dass man sie ohne Weiteres verlässlich beherrschen kann. Sie ist ein Kostentreiber. Jetzt hat man die Zollsituation. Wir haben gute Lösungen für viele unserer Autos. Wir produzieren den Polestar 3 in den USA, der Polestar 4 wird ab Mitte des Jahres in Südkorea hergestellt. Aber für Europa ist es schon sehr, sehr hilfreich, wenn wir in Zukunft ein Volumenmodell wie den Polestar 7 hier produzieren. Es wird günstiger sein und das Problem mit den Zöllen gibt es dann nicht. Und es geht auch schneller, denn wenn Sie jetzt einen Polestar bestellen, kommt aus Asien oder Amerika kommt, dauert die Auslieferung länger. Für viele ist das völlig in Ordnung. Aber wir haben die Autos auf den Schiffen und damit gebundenes Kapital. Ich sage also: Autos um die Welt zu schiffen, ist kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell.

Ich sehe schon eine Renaissance der Retailer. Egal ob das jetzt Händler oder Agenten sind – von jemandem, der da ist, der einem das Auto erklärt und auch wirklich nah bei den Kunden ist.

Michael Lohscheller
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Ihrer Einschätzung nach, wie hoch könnten Strafzölle werden?

Michael Lohscheller

Sehr unterschiedlich. Wir haben jetzt in Europa nochmal 28,8 Prozent Steigerung für Autos aus China erfahren. Aber das Leben ist komplex und man muss differenzieren. Zum Beispiel hat England diese Zölle nicht, der Elektromarkt ist in Summe in England sehr groß und wir performen sehr, sehr gut dort. Da haben wir die Thematik jetzt nicht. In Norwegen und der Schweiz übrigens auch nicht, aber zum Beispiel in Österreich eben schon. Aber wir produzieren zum Beispiel den Polestar 3 auch in den USA und erhalten dafür auch Zölle zurück. Ich will aber auch nicht der Zollexperte werden. Ich will ein Unternehmen führen. Die Richtung ist ganz klar: lokal produzieren für die lokalen Märkte. Das reduziert die Kosten, reduziert die Lieferzeiten und es löst auch das ganze Zollverfahren.

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Was die ganze Situation noch um eine weitere Spur komplexer macht, ist die amerikanische Position, dass chinesische Teile beziehungsweise chinesische Software sanktioniert wird.

Michael Lohscheller

Die USA ist ein wichtiger Markt, ist auch ein Wachstumsmarkt und trotz allem, was diskutiert wird, gibt es gerade an der Ost- und Westküste sehr viele Menschen, die sehr affin sind für Mobilität ohne Emissionen. Jetzt gibt es eine verabschiedete Regulierung, wie diese Themen bis zum Modelljahr 2027 auszusehen haben, da haben wir auch noch ein bisschen Zeit. Wir sind in den USA auf einem guten Weg. Sie finden kein Auto, was auch nur annähernd so aussieht wie der Polestar 4.

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Aber wenn per se ein Bann gegen chinesische Elektronik erlassen wird, dann kann das Auto noch so einzigartig aussehen sein, wie es will. Das ist doch ein massives Problem?

Michael Lohscheller

Es geht darum, denn Erlass genau zu verstehen. Was heißt das? Gibt es dafür Ausnahmeregelungen? Und so weiter und so fort. Das muss man alles mal verstehen. Aber wir haben noch zwei Jahre Zeit und da werden wir Lösungen finden.

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Wie sieht der Zeitplan für Europa aus? Wann ist da ein Hochlaufen der Produktion realistisch?

Michael Lohscheller

Ich möchte natürlich schon, dass wir möglichst schnell einsetzen, denn es geht um ein großes Segment, um große Profitpools. Hier gehen wir jetzt durch die Details und ich hoffe, dass wir es relativ zeitnah hinbekommen, aber wir reden über ein neues Auto. Keiner kann jetzt innerhalb von ein paar Monaten ein neues Auto entwickeln und produzieren.

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Deutschland hat einen neuen Bundestag gewählt, nun stehen die Regierungsverhandlungen an. Wie lautet Ihr Plädoyer?

Michael Lohscheller

Die Begeisterung für das Automobil ist ungebrochen, und immer mehr Leute sind sich über den Wirtschaftsfaktor Auto im Klaren. In Deutschland und auch hier in Österreich. Wir brauchen Klarheit und Kontinuität. Es ist relativ einfach und eigentlich die einzige Bitte, die ich immer habe.

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