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Bodenreport: WWF-Kritik an Österreichs "Flächenfraß"

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Experten warnen seit langem davor: In Österreich wird zu viel asphaltiert
©APA/APA/THEMENBILD/BARBARA GINDL
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Der Ausbau von Siedlungen, Einkaufszentren und Straßen überdeckt in Österreich alle zehn Jahre eine Fläche der Größe Wiens, erklärten Experten der Naturschutzorganisation WWF Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz. Laut aktuellem Report werden täglich 12,1 Hektar Boden Opfer von "Flächeninanspruchnahme". Gemäß Nachhaltigkeitszielen verschiedener Bundesregierungen seit 2002 dürften es höchstens 2,5 Hektar pro Tag sein. Dieser "Flächenfraß" gefährde die Ernährungssicherheit.

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"Seit 2002 ist das Nachhaltigkeitsziel jedes Jahr konsequent verfehlt worden", sagte Simon Pories vom WWF Österreich: "Konkret um bisher insgesamt 110.000 Hektar." Der Bodenverbrauch habe deutlich schneller zugenommen als die Bevölkerung, erklärte er: Seit der Jahrtausendwende wurde die Fläche der verbrauchten und versiegelten Böden um 32 Prozent mehr, die Bevölkerung nur um 13,8 Prozent.

Eigentlich dürfte die Alpenrepublik nicht verschwenderisch mit ihrem Boden sein, heißt es im Bericht des WWF. Wegen der vielen Gebirge stehen nämlich nur rund 39 Prozent der 83.871 Quadratkilometer Staatsfläche für landwirtschaftliche Nutzung sowie Siedlungszwecke zur Verfügung. Davon wurde laut Bericht schon rund ein Sechstel in Anspruch genommen, nämlich rund 5.648 Quadratkilometer.

Der größten Teil des Bodenverbrauchs ging für neue Siedlungs- und Betriebsflächen vonstatten, so die Experten. Deren Fläche hat in den vergangenen zehn Jahren um 378 Quadratkilometer zugenommen. Aber auch die Größe von Einkaufszentren habe sich seit 2000 mehr als verdoppelt. In Österreich gäbe es insgesamt 520 davon, also im Schnitt in jeder vierten Gemeinde. "Davon wurden die meisten am Ortsrand auf der grünen Wiese errichtet", so Pories.

Mit rund 128.000 Straßenkilometern und damit nahezu 14,1 Metern Fahrbahnlänge pro Kopf habe Österreich auch ein extrem dichtes Straßennetz. "Dennoch beharren große Teile der Politik auf Plänen für neue Schnellstraßen, Autobahnen sowie Ausbauten von Bundes- und Landesstraßen", kritisierten die Experten. In den Nachbarländern Deutschland und der Schweiz wären es beispielsweise nur knapp zehn Straßenmeter pro Kopf.

Durch den massiven Bodenverbrauch schrumpften die Ackerflächen in Österreich zwischen 1999 und 2020 um mehr als 72.000 Hektar, so Hanna Simons vom WWF. Dieser Trend gefährde die Ernährungssicherheit. Dadurch entstünden auch gesundheitsgefährdende Hitzeinseln. "Bei Starkregen saugt fruchtbarer Boden wiederum Wasser auf, wie ein Schwamm", erklärte sie. Dadurch würde er die Gefahr für Überschwemmungskatastrophen bei Starkregen verringern.

Simons bemängelte, dass die Politik "nicht endlich verbindliche quantitative Ziele zur Reduktion des Bodenverbrauchs" setzt. Es gäbe bloß eine Reihe von Absichtserklärungen und unverbindliche Konzepte.

Teile der Regierung bewerben zwar den Bodenschutz, sind aber selber säumig, so Pories. Im Regierungsprogramm der schwarz-grünen Bundesregierung von 2020 wurden beispielsweise 22 Maßnahmen zum Bodenschutz versprochen, berichtete er. Nur zwei davon wurden laut Bericht umgesetzt, nämlich ein Biodiversitätsfonds und eine stärkere Förderung von Brachflächenrecycling.

Die Experten fordern deshalb etwa, dass die Politik ein bundesweites Bodenschutzgesetz beschließt, eine Versiegelungsabgabe einführt und umweltschädliche Subventionen abbaut. Der Straßenbau gehöre eingeschränkt sowie Ortskerne wiederbelebt. Es gäbe laut Schätzungen mindestens 40.000 Hektar an ungenutzten Gebäude- und Gewerbeflächen. Diesen Leerstand solle man mobilisieren. Den Rückhalt aus der Bevölkerung gäbe es für solche Maßnahmen, berichteten sie: "Bei einer Befragung befürworteten 90 Prozent der Menschen unter dem Eindruck der jüngsten Unwetter und Überflutungen ein österreichweites Programm zur Renaturierung versiegelter Flächen."

Mit jeder Extremwetterlage und den stärker werdenden Folgen der Klimakrise werde jeder Meter gesunder Boden wichtiger, reagierte Olga Voglauer, Generalsekretärin der Grünen, auf den Bodenreport. "Denn intakte Natur schützt vor Naturkatastrophen. Wir haben erst die vergangenen Wochen gesehen, dass die Gefahr durch Unwetter auch ganz viele Menschen in Österreich betrifft. Es geht aber bei Bodenschutz auch um Lebensmittelsicherheit und damit letztlich auch Menschenschutz." Voglauer forderte ein verbindliches Bodenschutzziel von 2,5 Hektar pro Tag.

Die NEOS sehen durch die "Untätigkeit der Bundesregierung" die Zukunft der jungen Menschen verbaut. "Anstatt den ungezügelten Flächenfraß endlich einzudämmen, unternimmt die Regierung einfach nichts und schaut tatenlos zu, wie Österreich immer mehr zu einer Betonwüste wird. Dass von den 22 im Regierungsprogramm versprochenen Maßnahmen zum Bodenschutz nach fast fünf Jahren erst zwei umgesetzt wurden, ist eine Bankrotterklärung für die gesamte Regierung. Vor allem für die Grünen ist das ein echtes Armutszeugnis", sagte NEOS-Klima- und Umweltsprecher Michael Bernhard. Der Bodenverbrauch sei die größte Umweltsünde, die im Land selbst gelöst werden könnte.

( DOWNLOAD. Der WWF-Bodenreport im Internet )

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