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Borrell schlägt EU-Sanktionen gegen israelische Minister vor

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Borrell wirft israelischen Ministern vor, "Hassbotschaften" verbreitet zu haben.
©APA/APA/AFP (Archiv)/JUSTIN TALLIS
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Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schlägt den EU-Mitgliedstaaten vor, "einige israelische Minister" auf eine Sanktionsliste zu setzten. Das gab der EU-Chefdiplomat im Vorfeld einer informellen EU-Außenministertreffens am Donnerstag in Brüssel bekannt. Ungarn und Italien sprachen sich aber postwendend dagegen aus. Diskutiert wird bei dem Treffen auch über die militärische Unterstützung der Ukraine sowie zu der Präsidentenwahl in Venezuela.

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Borrell wirft den von ihm namentlich nicht genannten israelischen Ministern vor, "Hassbotschaften gegen die Palästinenser" verbreitet zu haben, die eine "Anstachelung" seien, "Kriegsverbrechen zu begehen". Wie die Deutsche Presseagentur dpa mit Verweis auf mehrere EU-Beamte schrieb, sollen mit den angedachten Sanktionen Israels Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir bestraft werden. Beide sorgten zuletzt mit Äußerungen gegen Palästinenser für Empörung und sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des höchsten UNO-Gerichts illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten.

Borrell betonte bei seinem Auftritt vor der Presse, dass es am Donnerstag noch keine Entscheidung in der Frage geben werde, da es sich um ein informelles Treffen der Außenminister handle.

Unterstützung für den Vorschlag des Spaniers gab es von Seiten des irischen Außenministers Micheál Martin, der sich auch für Sanktionen gegen israelische Siedler im Westjordanland aussprach. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wich einer entsprechenden Journalistenfrage aus und verwies auf bereits beschlossene Sanktionen gegen radikale Siedler im Westjordanland. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hatte seine Teilnahme an dem Treffen in Brüssel krankheitsbedingt abgesagt.

Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sprach in einer Videobotschaft von einem "gefährlichen Vorschlag" Borrells. Er belaste die Beziehungen zu Israel und "würde die Sicherheit und die langfristige Stabilität des Nahen Ostens eindeutig gefährden". Italiens Außenminister Antonio Tajani sagte, Sanktionen gegen israelische Minister lösten den Konflikt ebenso wenig wie eine theoretische Anerkennung Palästinas. "Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, um Israel davon zu überzeugen, ein Abkommen mit den anderen Parteien in Kairo zu schließen", sagte er mit Blick auf die laufenden Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen. Mit dem Widerstand aus Budapest und Rom ist Borrells Vorstoß de facto gescheitert.

Die EU forderte zudem eine sofortige humanitäre Feuerpause im Gazastreifen, damit in dem Gebiet alle jungen Menschen gegen das für Kinderlähmung verantwortliche Polio-Virus geimpft werden können. "Der Gazastreifen war in den vergangenen 25 Jahren poliofrei. Es ist alarmierend, dass das Polio-Virus entdeckt wurde", hieß es in einer am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Eine Epidemie sowie eine weitere internationale Ausbreitung müssten vermieden werden.

Nach Angaben der EU sehen Planungen derzeit vor, in den kommenden Wochen mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation und von UNICEF mehr als 640.000 Kinder unter zehn Jahren zwei Tropfen des neuen oralen Polioimpfstoffs Typ 2 zu verabreichen. Der Schutz von Gesundheitseinrichtungen und deren Personal sowie die Gewährleistung eines sicheren Zugangs für Kinder und Familien zu den Impfstellen werde dabei von wesentlicher Bedeutung sein.

Die UNO-Koordinatorin für humanitäre Hilfe für den Gazastreifen rief unterdessen die EU-Staaten auf, sich auch stärker an medizinischer Hilfe für bereits erkrankte oder verletzte Zivilisten im Gazastreifen zu beteiligen. "Es gibt eine Liste von über 12.000 palästinensischen Zivilisten in Gaza, die medizinisch evakuiert werden müssen, weil ihr Zustand so schlecht ist", sagte Sigrid Kaag, die als Gast zu dem Außenministertreffen eingeladen war. Aus ihrer Sicht sollte man nicht nur Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Katar bitten, Patienten aufzunehmen.

Inhaltlich liegt der Fokus bei dem Treffen neben dem Nahost-Konflikt auch auf dem Krieg in der Ukraine. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba, der als Gast an dem Treffen teilnimmt, beklagte Verzögerungen bei der militärischen Unterstützung seines Landes durch EU-Staaten. So seien zum Beispiel einige Patriot-Luftabwehrsysteme, die der Ukraine zugesagt wurden, noch nicht geliefert worden. Kuleba wiederholte gegenüber Pressevertretern auch die Forderung seines Landes, vom Westen gelieferte Waffen gegen Ziele in Russland richten zu dürfen.

Weiteres Thema in Brüssel ist die politische Krise in Venezuela nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl vor rund einem Monat. Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Edmundo González Urrutia werde sich (wohl der Video zugeschaltet; Anm.) an die EU-Außenminister wenden, gab Borrell im Vorfeld bekannt. "Am Ende des Tages, werden die Minister entscheiden, was sie zu dem Wahlresultat sagen", so der EU-Chefdiplomat. Der amtierende Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro, kann laut Borrell jedenfalls nicht als "legitimer Gewinner der Wahl" anerkannt werden. Anders als zum Beispiel die USA oder einige lateinamerikanische Länder, hat die EU Edmundo González Urrutia bisher aber nicht als Wahlsieger anerkannt.

Ein weiterer Gast bei dem Ratstreffen ist der türkische Außenminister Hakan Fidan - zum ersten Mal seit fünf Jahren. Die Türkei will ihr angespanntes Verhältnis zur Europäischen Union verbessern. Ihre Bemühungen, Teil der EU zu werden, liegen seit vielen Jahren auf Eis - vor allem wegen EU-Bedenken zur Menschenrechtslage und zahlreicher Meinungsverschiedenheiten mit Präsident Recep Tayyip Erdogan. Gleichzeitig braucht die EU die Türkei als wichtigen Partner in Migrationsfragen und innerhalb der NATO. Die jetzige Einladung nach Brüssel sei ein Gesprächsangebot, sagte der Insider aus dem türkischen Ministerium.

Der informelle Rat der EU-Außenministerinnen und -minister ist das erste hochrangige EU-Treffen nach der Sommerpause und hatte im Vorfeld vor allem wegen des Austragungsortes in der belgischen Hauptstadt für Aufmerksamkeit gesorgt. Eigentlich sollten die EU-Außenpolitiker in Budapest zusammen kommen, nachdem Ungarn in der zweiten Jahreshälfte den rotierenden EU-Ratsvorsitz innehat. Als Reaktion auf außenpolitische Alleingänge des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán rief Borrell die Minister aber in Brüssel zusammen. Auch das geplante Treffen der EU-Verteidigungsminister am morgigen Freitag findet in Brüssel statt.

High Representative of the European Union for Foreign Affairs Josep Borrell arrives to attend the European Political Community meeting at Blenheim Palace in Woodstock, southern England, on July 18, 2024. (Photo by JUSTIN TALLIS / AFP)

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